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Wissen: Der Supervulkan erwacht

Im Yellowstone-Nationalpark der USA hebt sich die Erde im Rekordtempo – droht ein Ausbruch?

Etwa alle 90 Minuten schleudert „Old Faithful“, der Geysir im Yellowstone-Nationalpark im US-Bundesstaat Wyoming, eine gewaltige Wasserfontäne 50 Meter hoch. Angetrieben wird dieses Schauspiel durch den heißen Untergrund. Im Boden schlummert ein Vulkan. Und der rührt sich neuerdings.

Zwischen 2004 und 2006 hat sich der Boden im Park um bis zu sieben Zentimeter im Jahr gehoben, wie Wu-Lung Chang von der Universität Utah und Kollegen im Journal „Science“ (Band 318, S. 952) berichten. Entdeckt haben die Forscher die Aufwölbung mit Hilfe des Satellitenortungssystems GPS und einem speziellen Radargerät an Bord des europäischen Erdbeobachtungssatelliten Envisat. Sieben Zentimeter im Jahr klingt zwar wenig, doch für Thomas Walter vom GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam sind „derartige Verformungsraten über eine so große Fläche schon ungewöhnlich“.

Rasch erklärt der Vulkanologe, was unter dem Yellowstone-Park vor sich geht: Im Erdmantel steigt an manchen Stellen heißes Material aus der Tiefe auf und schmilzt sich durch einen Teil der darüber liegenden Erdkruste. Über solchen „Hot Spots“ sammelt sich diese Magma in großen Kammern und schafft sich ab und zu Platz nach oben – ein Vulkan bricht aus. Weil der nordamerikanische Teil der Erdkruste sich über dem Yellowstone-Hotspot nach Westen bewegt, scheint dieser Hot-Spot-Vulkan im Laufe der Jahrmillionen im gleichen Tempo nach Osten zu wandern. Vom Yellowstone-Park aus erstreckt sich daher eine Kette von mehr als 150 gewaltigen und teilweise längst erloschenen Vulkanen nach Westen.

Oft schmelzen sich solche Hot Spots unter den Weltmeeren durch die Erdkruste, die dort mit rund sechs Kilometern Dicke viel dünner ist als unter den 30 Kilometer dicken Kontinenten. Nur besonders kräftige Hot Spots können sich auch durch Kontinente fressen und lassen dort besonders große Lavablasen entstehen. Genau das geschieht unter dem Yellowstone-Nationalpark.

Als vor etwas mehr als zwei Millionen Jahren der Druck in dieser Lavablase zu stark wurde, schleuderte der Vulkan in einer gewaltigen Explosion 2500 Kubikkilometer Lava und Asche in die Luft. Das entspricht einer Gesteinsschicht, die sich knapp drei Kilometer hoch über der 892 Quadratkilometer großen Fläche von Berlin stapeln würde. Supervulkan nennen Geoforscher eine solche Eruption. Ähnlich gewaltig war vor 75 000 Jahren die Explosion des Toba-Vulkans in Indonesien, während die Eruption des Taupo auf der Nordinsel von Neuseeland vor gerade einmal 25 000 Jahren mit 1170 Kubikkilometern nur die Hälfte dieser Menge in die Luft schleuderte. Nach einem solchen Supervulkanausbruch bricht die Magmakammer meist ein. Die entstehende Mulde in Form einer Schüssel wird „Caldera“ genannt. Beim letzten großen Ausbruch des Yellowstone-Vulkans vor 640 000 Jahren schleuderte er 1000 Kubikkilometer Material in die Luft. Auch zuvor war er immer wieder aktiv – bei einem Supervulkanausbruch vor 1,2 Millionen Jahren hatte er schon einmal 280 Kubikkilometer Material herausgeprustet. Damals entstand auch eine rund 60 Kilometer lange und 40 Kilometer breite Caldera.

Bei so einem Ausbruch kühlt sich die hochgeschleuderte Lava und Asche relativ rasch auf 400 bis 600 Grad Celsius ab und stürzt immer noch glühend heiß wieder zu Boden. Daraus bilden sich „pyroklastische Ströme“, die im ICE-Tempo weit mehr als zehn Kilometer weit über die Erde fließen und mit ihrer Gluthitze alles Leben auf ihrer Bahn vernichten. So geschah es auch nach dem Ausbruch des Vesuvs am 24. August 79 nach Christus in Pompeji und Herculaneum.

Gefährlicher als die unmittelbaren Auswirkungen der Eruption sind die Schwefelgase, die ein Supervulkan in die Stratosphäre blasen kann. Sie bilden Aerosole, die das Sonnenlicht abschirmen und so die Atmosphäre darunter kühlen. Nach dem Toba-Ausbruch vor 75 000 Jahren kühlte sich das Weltklima für mehrere Jahre um rund fünf Grad ab. Dieser vulkanische Winter brachte die Menschheit damals an den Rand des Aussterbens.

Deutet nun die Aufwölbung des Yellowstone-Parks darauf hin, dass neue Lava in die Magmakammer in der Tiefe einströmt und so ein neuer Ausbruch des Supervulkans mitten in den USA bevorsteht? Zwar kennt Walter weit stärkere Aufwölbungen. So haben sich die Phlegräischen Felder bei Neapel 1983 und 1984 um fast zwei Meter gehoben. Damals strömte jedoch keine Lava ein, sondern heißes Wasser und Gase zirkulierten. Ob sich unter dem Yellowstone-Park Lava sammelt, Wasser zirkuliert oder vielleicht beides, weiß derzeit niemand.

Bekannt ist dagegen, dass es in der Tiefe einen Magmasee gibt, dessen Fläche mit 1200 Quadratkilometern doppelt so groß ist wie der Bodensee. Dort unten gibt es also riesige Mengen geschmolzenen Gesteins, das grob geschätzt alle 700 000 bis 900 000 Jahre zur Oberfläche durchbricht. Irgendwann in der „nahen“ geologischen Zukunft – und die wird in Jahrtausenden gerechnet – wird es also wieder so weit sein.

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