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Sauber. Solarthermiekraftwerke erzeugen Strom aus Sonnenstrahlung.

© picture-alliance/ dpa

Desertec: Sonnenstrom bleibt größtenteils in Afrika

Wüstenstrom für Europa: So lautet die große Idee. Doch die Länder südlich des Mittelmeeres haben selbst einen enormen Bedarf, die transkontinentale Stromlieferung wird bescheiden ausfallen.

Großartige Visionen wurden entworfen, um die Desertec-Idee – Wüstenstrom für Europa – zu illustrieren. Riesige Solarkraftwerke in Nordafrika sollten einen maßgeblichen Anteil dazu beitragen, um den Energiehunger unseres Kontinents zu decken. Die Realität sieht anders aus. Die Länder südlich des Mittelmeeres haben einen stetig wachsenden Bedarf und können den Wüstenstrom selbst gut gebrauchen.

Die transkontinentale Stromlieferung fällt vorerst bescheiden aus. 2014 soll der erste Solarstrom aus Marokko nach Europa fließen. Dieses Ziel hat die Desertec-Industrie-Initiative (DII) Anfang November auf ihrer Jahrestagung in Kairo fest ins Auge gefasst. Produziert werden soll der Strom in einem Solarthermiekraftwerk mit einer Leistung von 150 Megawatt, das entspricht etwa einem Zehntel der Leistung eines Kernkraftwerks.

Gewölbte Spiegel werden dazu die Sonnenstrahlen auf Glasrinnen fokussieren und in diesen ein Öl auf mehrere 100 Grad Celsius erwärmen. Mit dieser Hitze wird Wasserdampf erzeugt, der die Turbinenschaufeln eines Stromgenerators antreiben wird. Ein weiterer Ausbau auf 500 Megawatt Leistung ist vorgesehen.

Marokko spielt damit in der ersten Entwicklungsphase für das Projekt Wüstenstrom eine Schlüsselrolle. „Das Land hat eine sehr deutliche Strategie und will den Umbau auf erneuerbare Energien aus Sonne und Wind“, sagt DII-Geschäftsführer Paul van Son. Zudem ist Marokko bereits über zwei 700 Megawatt-Leitungen entlang der Meerenge von Gibraltar mit dem spanischen Stromnetz verknüpft. Planungen für ein weiteres Kraftwerk im benachbarten Tunesien sind ebenfalls weit gediehen und Gespräche mit Algerien bereits aufgenommen. „Wir konzentrieren uns auf die drei Staaten Marokko, Tunesien und Algerien“, sagt van Son. Mehr kann die gut 30-köpfige Industrie-Initiative mit Hauptsitz in München nicht leisten.

Für die übrige Mena-Region (Middle East North Africa) bedeutet das aber keineswegs Stillstand. „Die Länder werden nicht auf die europäische Desertec-Initiative warten, sondern sind selbst aktiv“, sagt Galal Osman, Vizepräsident der World Wind Energy Association. Von Marokko bis nach Jordanien befinden sich Solarthermiekraftwerke mit rund 1000 MW Leistung im fortgeschrittenen Planungsstadium und sollen in den nächsten Jahren gebaut werden. „Von allen Ländern in Nordafrika hat Marokko die wohl aggressivsten Pläne“, sagt Osman. Die Monarchie, die derzeit mit einem Anteil von 97 Prozent am Tropf von ausländischen Strom-, Gas- und Öllieferanten hängt, will bis 2019 an fünf Standorten Solarkraftwerke bauen. Das DII-Projekt fügt sich nur als ein kleiner Baustein in diesen ambitionierten Plan ein.

Neben Sonne lohnt sich auch die Nutzung der starken Winde in Marokko. So forciert das Land zusätzlich zu den Solarkraftwerken den Bau von über zehn Windparks entlang des Atlasgebirges und an der Atlantikküste.

„Fast alle arabischen Staaten können Pilotprojekte oder eine Strategie zum Ausbau der regenerativen Energien vorweisen“, sagt Hassine Bouzid von der Arabischen Liga. Je größer – wie in Marokko – die Abhängigkeit von Energieimporten ist, desto ambitionierter sind die Pläne.

Doch selbst Länder, die reich an Energierohstoffen sind, forcieren den Ausbau der erneuerbaren Energien. So in Algerien, besonders aber in Saudi-Arabien. Statt täglich bis zu 800 000 Barrel Öl für die landeseigene Stromerzeugung zu verfeuern, wird dort massiv in neue Kraftwerke investiert. „Energie, die nicht auf fossilen Quellen beruht, wird bis 2030 die Hälfte des Energiemix des Königreichs ausmachen“, sagte Khalid Al Sulaiman, Vizepräsident für erneuerbare Energien der King Abdullah City for Atomic and Renewable Energy im Frühjahr.

Dieses Ziel will der weltgrößte Erdölexporteur nicht nur mit Solarstrom, sondern auch mit Kernkraftwerken erreichen. Die Strategie wird sich doppelt lohnen. Neben einer gesicherten Stromversorgung lässt sich jedes nicht verfeuerte Fass Erdöl noch gewinnbringender verkaufen, denn die Preise am Weltmarkt werden weiter steigen.

Treibende Kraft hinter der Vision vom Wüstenstrom sind also eher die Mena-Länder selbst. Über gemeinsame Kraftwerksprojekte könnte zumindest ein gewisser Anteil des Solarstroms nach Europa gelangen. Für nennenswerte Mengen – DII geht von 15 Prozent Wüstenstrom für Europa bis 2050 aus – müssen die Stromnetze noch stark ausgebaut werden. Zwar schreiten derzeit die Planungen für ein Unterseekabel von Tunesien nach Italien voran. Mit einer Inbetriebnahme dieses wichtigen Anschlusses ist vor dem kommenden Jahrzehnt jedoch nicht zu rechnen. Jan Oliver Löfken

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