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Durchhalten. Auch der ehemalige Bundesaußenminister und Marathonläufer Joschka Fischer hatte mit dem Jo-jo-Effekt zu kämpfen. Menschen, die sich nach einer Diät eiweißreich ernähren und stärkehaltige Lebensmittel meiden, bleiben eher schlank. Foto: dpa

© picture-alliance / dpa

Diäten: Der schwere Weg zum Idealgewicht

Eine europäische Studie liefert Hinweise darauf, was einer Diät langfristig zum Erfolg verhilft.

Noch nie wurden so viele Diäten gemacht wie heute. Und wahrscheinlich hatten auch noch nie so viele Menschen damit den Erfolg, den sie sich gewünscht haben: einige Kilo weniger zu wiegen. Kurzfristig. Mit dem Abnehmen haben allerdings viele die Erfahrung gemacht, die Marc Twain von der Tabakentwöhnung kannte: Das sei ganz leicht, er habe es schon unzählige Male geschafft, so witzelte der amerikanische Schriftsteller.

Dass Übergewichtweltweit zu einem immer größeren Problem wird, hat auch damit zu tun, wie es nach einer Diät weitergeht. Ein EU-gefördertes Acht-Länder-Forschungsprojekt, dessen Ergebnisse gerade im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht wurden, liefert nun Hinweise dafür, dass es dann nicht allein auf Mäßigung bei der Kalorienaufnahme ankommt. Wichtig ist auch, wie die Nahrung zusammengesetzt ist: Wer viel Eiweiß und wenig von denjenigen Kohlenhydraten isst, die den Blutzucker schnell ansteigen lassen, hat bessere Chancen, nach einer Phase des geplanten Abnehmens dem gefürchteten Jo-Jo-Effekt zu entgehen und sein Gewicht zu halten.

Für ein Teilprojekt der Ernährungsstudie mit dem schönen Namen Diogenes („Diet, Obesity, and Genes“) beobachteten Forscher um Thomas Meinert Larsen und Arne Astrup von der Universität Kopenhagen 773 Dänen, Niederländer, Briten, Griechen, Spanier, Bulgaren, Tschechen und Deutsche, die in den acht Wochen zuvor eine 800-Kilokalorien-Diät durchgehalten und dabei im Schnitt elf Kilo verloren hatten. Alle waren mit einem Body-Mass-Index von durchschnittlich 34 (bei einer Größe von 1,72 ist das ein Gewicht von rund 100 Kilo) zu Beginn stark übergewichtig gewesen.

Nachdem sie erfolgreich abgenommen hatten, wurden sie nach dem Zufallsprinzip in fünf Gruppen geteilt, die unterschiedliche Ernährungsratschläge bekamen. Anhand ihrer Einkaufstagebücher und durch regelmäßige Urin- und Blutproben hatten die Wissenschaftler einen Überblick über das Essverhalten der Teilnehmer. Zum Schluss hatte die Gruppe am besten abgeschnitten, die viel Eiweiß in Form von magerem Fleisch, Fisch, Hülsenfrüchten und Milchprodukten zu sich genommen, dafür aber weitgehend auf stärkehaltige Nahrungsmittel mit einem hohen glykämischen Index (GI) wie Reis oder Weißbrot verzichtet hatte. Einen hohen GI, aus Diätratgebern auch als „Glyx“ bekannt, haben Lebensmittel, die nach dem Essen den Blutzuckerspiegel schnell ansteigen lassen. Dadurch wird mehr Insulin ausgeschüttet, aber die Fettverbrennung läuft auf Sparflamme. Und der nächste Heißhunger kommt schneller.

Teilnehmer, die Lebensmittel mit niedrigem GI ausgewählt und zugleich ein Viertel ihrer Energie in Form von Eiweiß getankt hatten, nahmen ím Durschnitt weniger zu als die Gruppe, deren Essensregel „wenig Eiweiß, hoher GI“ lautete. Der Unterschied betrug lediglich ein Kilo, aber die Gruppe hielt der Studie auch mit größerer Wahrscheinlichkeit die Treue. Die beiden Gruppen mit eiweißarmer Diät waren dagegen besonders häufig abgesprungen – ob sie nun viele Lebensmittel mit hohen GI verspeist hatten oder nur wenige.

In einem Kommentar vermuten David Ludwig und seine Kollegen, die in den USA eine große Studie mit übergewichtigen Kindern leiten, die Teilnehmer, auf deren Speiseplan größere Mengen proteinreicher Lebensmittel standen, könnten schlicht besser satt geworden sein – zumal inzwischen vermutet wird, dass viele Übergewichtige genetisch bedingt besonders viel Hunger haben. „Die Fähigkeit des Menschen, längere Zeit eine bestimmte Ernährungsweise durchzuhalten, wird von der Art bestimmt, in der diese Diät Hungergefühle und Stoffwechsel beeinflusst“, schreiben die Forscher.

Derzeit empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, täglich 0,8 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht zu sich zu nehmen. Das wäre bei einem Normalgewichtigen mit vorwiegend sitzender Lebensweise ein Anteil von ungefähr zehn Prozent der gesamten Kalorienmenge, so rechnet die Gesellschaft vor. „Die Diogenes-Studie zeigt, dass die gegenwärtigen Ernährungsempfehlungen nicht ideal sind, um einer erneuten Gewichtszunahme übergewichtiger Personen vorzubeugen“, folgert Andreas Pfeiffer vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (Dife) in Potsdam und Mitautor der Studie. „Eine Kostform mit einem etwas höheren Proteinanteil als er derzeit empfohlen wird und einem niedrigen Glykämischen Index erleichtert es übergewichtigen Personen nach einer Reduktionsdiät, ihr vermindertes Körpergewicht längerfristig beizubehalten.“ Ernährungswissenschaftlerin Gisela Olias, Sprecherin des Dife ergänzt, dass viel Protein nicht automatisch bedeutet: viel Fleisch. „Auch Milchprodukte, Linsen und Fisch enthalten viel Eiweiß.“

Die Tücken der eiweißreichen Ernährung: Fleisch und Milchprodukte enthalten oft auch viel Fett, und ein hoher Proteinanteil ist für Menschen mit bestimmten Nierenerkrankungen nicht gesund. Was den GI von Lebensmitteln betrifft, so ist er fast eine Wissenschaft für sich. In Vollkornprodukten ist er auf jeden Fall niedrig, so dass die Fachgesellschaften schon seit Jahren empfehlen, ihnen einen Ehrenplatz auf dem Esstisch einzuräumen. Eines ist aber auch schon lange klar: Wenn Menschen es schaffen, nach einer Reduktionsdiät ihr Gewicht zu halten, dann spielt neben dem Essen Bewegung eine entscheidende Rolle.

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