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Die Humboldt-Universität muss erneut einen neuen Kandiaten für das Präsidentschaftsamt suchen.

© IMAGO

Die gescheiterte HU-Wahl: Blamiertes Berlin

Er hätte eigentlich HU-Präsident werden sollen, plötzlich soll Martin Lohse aber Chef des Max-Delbrück-Centrum werden. Eine Blamage für Berlin. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Tilmann Warnecke

Ein Drama an der Humboldt-Universität! Da schien die Uni nach zäher Suche endlich ihren Traumprinzen fürs Präsidentenamt gefunden zu haben. Der Würzburger Mediziner Martin Lohse sollte es werden, ein hoch dekorierter Forscher mit viel Leitungserfahrung. Und nun das: Kurz vor der Trauung – die Wahl sollte in einer Woche stattfinden – macht sich der Bräutigam, praktisch schon auf dem Weg zum Altar, aus dem Staub. Die HU, die Mutter der modernen Universität und eine von elf Exzellenzunis des Landes, steht düpiert da.

Die Begründung für die Absage: Fast absurd

Ein unglaublicher Vorgang. Um kurz beim Kandidaten zu bleiben: Seine Begründung für die Absage mutet fast absurd an. Er habe sich den Job anders vorgestellt – mehr Wissenschaft, weniger Verwaltung und Finanzen. Wie bitte? Dass ein Unipräsident im 21. Jahrhundert vor allem Wissenschaftsmanager ist, sollte selbstverständlich sein. Es drängt sich der Verdacht auf, Lohse benutzte die HU nur, um seinen Marktwert in die Höhe zu treiben. Natürlich haben Forscher das Recht, um Posten zu pokern. Eine Institution öffentlich vorzuführen, zeugt aber nicht von dem Verantwortungsgefühl, das Führungspersonal mit sich bringen sollte.

Pikanterweise will sich nun ausgerechnet ein anderer Berliner Leuchtturm der Forschung Lohse schnappen: das Max-Delbrück- Centrum (MDC), ein Institut für Biomedizin. Hier müssen sich die politisch Verantwortlichen in Berlin fragen: Wie war es möglich, dass die beiden Einrichtungen gegeneinander ausgespielt werden konnten? Es ist doch eine politische Grundaufgabe, das Tafelsilber der Stadt nicht zu beschädigen.

Und um wertvolles Tafelsilber handelt es sich bei den Unis zweifelsohne. Wenn Berlin stark ist, dann in der Wissenschaft. Die Vielfalt an Hochschulen und Instituten sucht ihresgleichen. Auch wirtschaftlich sind diese wichtig, nicht nur die Start-up-Szene speist sich zu wichtigen Teilen aus ihnen. Die verkorkste Wahl schadet so dem Bemühen Berlins, als Stadt der Zukunft dazustehen.

Wie war es möglich, dass HU und MDC gegeneinander ausgespielt wurden?

Zu den Absurditäten der Landespolitik gehört, dass bei der letzten Senatsbildung die Wissenschaft aufgeteilt wurde. Die Unis wie die HU gehören seitdem zu Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres, Forschungsinstitute wie das MDC zu Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer. Das scheint sich nun zu rächen. Wusste die eine nicht, was die andere tat? Haben sie gegeneinander gearbeitet? Dass beim MDC der Bund das Sagen hat, macht die Sache nicht leichter. Wie auch immer: Die Zuständigkeiten im Senat künftig in eine Hand zu legen, sollte sich von selbst verstehen.

Ein Problem hat aber auch die Humboldt-Universität. Wissenschaftlich gehört sie zur Spitze des Landes. Mit ihren Präsidenten hat sie dennoch kein glückliches Händchen. Noch-Amtsinhaber Jan-Hendrik Olbertz geht nicht im Guten; ebenso dessen Vorgänger. Das mag vor allem am Temperament der Präsidenten liegen. Nicht hinwegtäuschen darf das aber darüber, dass sich etwa die finanziellen Zwänge der Unis und die daraus resultierenden Friktionen derzeit an der HU am deutlichsten zeigen.

Es ist womöglich Zeit für einen internen Kandidaten

Bisher setzte die HU auf externe Kandidaten für ihr höchstes Amt. Womöglich sollte sie sich jetzt ein Beispiel an den beiden anderen großen Universitäten der Stadt nehmen. FU und TU fahren seit Langem gut damit, die Präsidenten aus ihrer Mitte heraus zu wählen.

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