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Abgehoben im Westflügel. Die Humboldt-Uni will im Stadtschloss ein Denklabor (grün markiert) eröffnen.

© Abb.: Stiftung Berliner Schloss Humboldt-Forum/unicom

Die Humboldt-Uni im Berliner Stadtschloss: Humboldts luftige Räume

Ein Labor, kein Eventschuppen: Im Humboldt-Forum sind für die HU 1000 Quadratmeter vorgesehen. Wie die Universität die Beletage des Berliner Stadtschlosses bespielen will.

Noch ist nicht viel zu sehen am Rohbau des Humboldt-Forums, aber Wolfgang Schäffner, Direktor des Hermann von Helmholtz-Zentrums für Kulturtechnik, ist jetzt schon voller Tatendrang. „Wir könnten sofort loslegen!“ Zum Beispiel mit Virtual-Reality-Brillen, mit denen „die rohe Physis des Betons leichtfüßig durchschritten und überschritten werden kann“. Oder mit Klanginstallationen von Sounddesignern. Oder mit informellen Dialogen zwischen Forschern und Publikum. Wissenschaft, so lautet Schäffners Botschaft, braucht Räume. Sie müssen nicht unbedingt fertig verputzt sein.

1000 Quadratmeter im Stadtschloss

1000 Quadratmeter sind im Stadtschloss, das gerade sein Richtfest feierte und 2019 fertiggestellt werden soll, für die universitäre Nutzung vorgesehen. Das sogenannte Humboldt-Labor, betrieben von der Humboldt-Universität, wird in die Beletage des Westflügels einziehen – mit Blick auf Lustgarten und Altes Museum. Neben dem 700 Quadratmeter großen Hauptraum werden auch ein großzügiger Seminarraum sowie einige Büros zur Verfügung stehen.

Angesichts der rund 40 000 Quadratmeter Gesamtfläche, die auf der Stadtschloss-Baustelle gerade entstehen, mutet der neue Ort der Wissenschaften im Humboldt-Forum allerdings äußerst bescheiden an. Auch die allgemeine Aufmerksamkeit konzentrierte sich bislang eher auf andere Akteure, allen voran die Museen und ihre außereuropäischen Sammlungen, die in die zweite und dritte Etage einziehen werden.

Trotzdem ist die HU nach eigenen Aussagen keineswegs unglücklich über die vergleichsweise kleinen Räume. Im Gegenteil: Als das massive Platzproblem der Museen, die aus Dahlem nach Mitte umziehen, deutlich wurde, trat die Universität freiwillig Flächen ab. Die jetzige Raumgröße sei absolut ausreichend, sagt Schäffner, der das Humboldt-Labor verantwortet. „Wir wollen ja hier kein Museum eröffnen.“

"Auf jeden Fall kein Eventschuppen"

Aber was dann? In den bisherigen Ankündigungen jagt eine Worthülse die nächste: Von einem „Schaufenster der Wissenschaften“ ist die Rede, von einer „Manufaktur des Wissens“, offen, flexibel, international, vernetzt. Was soll man sich darunter konkret vorstellen? „Es wird auf jeden Fall kein Eventschuppen“, betont Kurator Sven Sappelt. „Auch kein Science Center oder eine Verlängerung der Langen Nacht der Wissenschaften.“ Niedrigschwellige Technik-Spielwiesen und oberflächliche Effekthaschereien soll es im Humboldt-Labor nicht geben. Es gehe vielmehr darum, ein Denklabor zu schaffen, in dem Forschung auf hohem Niveau praktiziert und präsentiert wird. „Die große Herausforderung besteht darin, Komplexität nicht zu reduzieren“, sagt Sappelt. Trotzdem soll der Raum niemanden abschrecken, sondern – bei freiem Eintritt – für jedes Alter und jedes Bildungsniveau Inspirationen anbieten. Das Humboldt-Labor will Anlaufstelle für Wissenschaftler, akademischen Nachwuchs und interessierte Laien sein sowie unterhaltsame Familien- und Touristenattraktion.

Sogar klassische Vorlesungen sind für die HU denkbar

Um das zu erreichen, soll ein breites Spektrum an Vermittlungsformen aufgefahren werden: Vorträge, Gespräche, Ausstellungen, Versuchsanordnungen, Schaulabore, Workshops, Inszenierungen, Installationen. Sogar klassische Vorlesungen sind denkbar. „Man muss sich vor alten Formaten nicht fürchten“, sagt Schäffner. „Auch das ist Universität: dass Dinge gesagt und diskutiert werden.“

Die große Leitidee aber ist der interdisziplinäre Ansatz. Dabei wird vor allem die Wechselwirkung von Forschungs- und Gestaltungsprozessen im Vordergrund stehen. Nicht nur Naturwissenschaftler, Technikwissenschaftler, Mediziner und Geisteswissenschaftler sollen zu bestimmten Themen eng zusammenarbeiten, sondern auch Architekten und Designer werden einbezogen. So soll das neu entstehende Wissen visualisier- und kommunizierbar werden.

Ein Labor im Humboldt-Forum

Das Humboldt-Labor knüpft damit an das Konzept des 2013 gegründeten Exzellenzclusters „Bild Wissen Gestaltung“ der HU an, unter dessen Dach mittlerweile 300 Forscher aus 25 Disziplinen zusammenarbeiten. Die Themen der 26 Forschungsprojekte reichen von selbstbewegenden Materialien bis zur Geschichte der Piktografie, von medizinischen Visualisierungspraktiken bis zur Erforschung von Mobilität. Beteiligt sind Wissenschaftler von Berliner Kunsthochschulen ebenso wie Kollegen der TU und FU.

Virtuelle Exkursion. Im Humboldt-Labor wird es etwa darum gehen, wie Räume aussehen müssen, um Kommunikation und Arbeit zu erleichtern, sagen die Forscher.
Virtuelle Exkursion. Im Humboldt-Labor wird es etwa darum gehen, wie Räume aussehen müssen, um Kommunikation und Arbeit zu erleichtern, sagen die Forscher.

© Gil Bartz/HU

Die Forschungsprojekte sollen nun den Nährboden für das Humboldt-Labor bilden. Das Kuratorenteam wird Schwerpunkte vorgeben, an die sich unterschiedliche Fragestellungen andocken lassen. „Wir wollen Themen verhandeln, die uns gegenwärtig und künftig beschäftigen“, sagt Sappelt. Und was liegt angesichts des exponierten Ortes näher, als zunächst den Raum selbst zum Thema zu machen? Das Verhältnis von Wissen und Architektur kann man auf sehr vielfältige Weise hinterfragen; Sappelt nennt einige der möglichen Fragen: „Wie müssen Räume strukturiert sein, um Kommunikation und Arbeit zu erleichtern? Wie ist das Verhältnis von Architektur und Wissen im metaphorischen Sinne? Wie werden Disziplinen innerhalb der Universität voneinander abgegrenzt? Und wie können diese traditionellen Grenzen durchlässiger werden?“

Schwerpunkt Architektur und Wissen

An den Schwerpunkt Architektur und Wissen sollen andere Themenkomplexe anknüpfen – etwa Fragen nach Materialität und Akustik. „Uns schwebt ein fluider Wissensraum vor“, sagt Sappelt. Ganz anders als in einem Museum, wo Sonderausstellungen meist geschlossene Einheiten bilden und nur selten Bezug auf vorherige oder kommende Ausstellungen nehmen.

Um den ständigen Fluss von Forschung und Wissen zu ermöglichen, soll das Humboldt-Labor bei seiner Eröffnung medientechnisch auf dem neusten Stand sein, samt intelligenten Oberflächen und Screens sowie Möglichkeiten für Livestreams und Konferenzschaltungen. „Das Humboldt-Labor wird ein Hightech-Raum, der aber flexibel ist und sich zukünftig auch erweitern lässt“, erklärt Schäffner. Die Ausstattung sei dabei kein Selbstzweck, sondern Teil der wissenschaftlichen Selbstreflexion und des Experimentierens mit Vermittlungsformaten. „Wir begreifen das Labor auch als einen Ort, an dem über die Universität des 21. Jahrhundert nachgedacht werden kann“, sagt Sappelt.

Die Humboldt-Uni weiß noch nichts zur Finanzierung

Wie viel Geld dem Humboldt-Labor dafür künftig pro Jahr zur Verfügung stehen wird, ist noch unklar. 50 bis 150 Millionen seien als jährliches Gesamtbudget für das Humboldt-Forum derzeit politisch im Gespräch, sagt Sappelt. Ob der Verteilungsschlüssel bei den Finanzen ähnlich ausfallen wird wie bei den Grundflächen, weiß der Kurator nicht. „Wir haben jetzt zunächst ein Budget für die Erstausstattung und die ersten Projekte des Humboldt-Labors, alles danach ist noch völlig offen.“

Erfreut sind die Organisatoren des Humboldt-Labors immerhin über die Entscheidung des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller, dass direkt nebenan, auf rund 4000 Quadratmeter Fläche, die Ausstellung „Welt.Stadt.Berlin“ realisiert werden soll. „Für uns ist das positiv, weil die Situation des ersten Stocks damit plötzlich wieder kommunikativ wurde“, sagt Schäffner. Denn im Rahmen der Berlin-Schau soll auch Berliner Wissenschaftsgeschichte dargestellt werden. Und was bietet sich da mehr an, als zusammen mit dem Humboldt-Labor Bögen zu spannen und Kreise zu schließen? „Es gibt jetzt offene Türen“, sagt Schäffner. „Das ist fantastisch.“

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