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Theisen

© Promo

Schmiergeld für Professoren: "Die Spitze des Eisberges"

"Das Institut hat Millionen Umsatz gemacht": Der Münchner Jurist Manuel René Theisen über den Verdacht, dass 100 Hochschullehrer Doktoranden gegen Schmiergeld betreut haben sollen.

Herr Theisen, 100 Hochschullehrer stehen im Verdacht, Doktoranden gegen Schmiergeld betreut zu haben. Das Geld floss über ein „Institut für Wissenschaftsberatung“ in Bergisch Gladbach. Erstaunt Sie die hohe Zahl der verstrickten Dozenten?



Nein, das ist nur die Spitze des Eisberges. Dieses Institut kenne ich seit 25 Jahren. Der Geschäftsführer hat geprahlt, er habe 40 Fakultäten unter Vertrag und schon hunderten Kandidaten geholfen. Selbst wenn das übertrieben ist: Das Institut hat Millionen Umsatz gemacht.

Ein Geschäftsführer des Instituts wurde zwar im vergangenen Jahr wegen Bestechung zu anderthalb Jahren Haft und 75 000 Euro Geldstrafe verurteilt. Aber das Institut hatte seit langem einen zweifelhaften Ruf. Warum konnte es so lange ungestraft agieren?

Gute Frage. Ich habe die Staatsanwaltschaft Köln vor 25 Jahren zum ersten Mal darauf aufmerksam gemacht und danach fast jedes Jahr noch einmal. Die Antwort war immer dieselbe: „Ach, das sind doch nur eitle Tröpfe, wir haben Wichtigeres zu tun, wir müssen Mörder jagen.“ Tatsächlich geht es doch aber nicht nur um kleine Eitelkeiten, sondern um Bestechung von Beamten und um den Ruf der Wissenschaft.

Es gibt in Deutschland über ein Dutzend ähnlicher Institute.

Ja, aber der Marktführer ist nun aufgeflogen. Außerdem funktioniert die Masche jetzt in Deutschland sowieso nicht mehr so gut, weil es billiger ist, den Titel in ehemaligen Ostblockländern zu kaufen.

Die Staatsanwaltschaft hat mitgeteilt, sie ermittle jetzt vor allem gegen Honorar- und Vertretungsprofessoren.

Das verstehe ich nicht. Üblicherweise haben Honorarprofessoren nicht die Promotionsberechtigung. Bei Privatdozenten ist das anders. Aber wenn sie eine Lehrstuhlvertretung machen, werden sie auch meist bald berufen.

Warum sind so viele Wissenschaftler bereit, ihre Reputation zu verkaufen?

Auch Professoren haben Geldsorgen – manche müssen ihr Haus abzahlen oder ihre Scheidung finanzieren.

Die betrügenden Doktoranden lassen sich den Titel 20 000 Euro kosten. Sind Arbeitgeber mit Schuld am Titelhandel, wenn sie Doktorierte mit mehr Gehalt belohnen?

Das ist ein Märchen, genau so wie die Behauptung, es sei so schwer, trotz Begabung einen Betreuer für die Dissertation zu finden. Die Kunden, die die Dienste von „Wissenschaftsberatern“ in Anspruch nehmen, sind Leute, die es anders nicht schaffen. Und sie wissen das auch. Wer beim ersten Kontakt mit dem „Berater“ schon 6000 Euro zahlt, weiß doch, dass das nicht der normale Ablauf einer Promotion ist. Sogar wer nicht mit Prädikatsexamen in Jura abgeschlossen hat, kann noch zur Promotion zugelassen werden, wenn er die Professoren überzeugt. Dazu braucht man keinen „Berater“.

In regelmäßigen Abständen fliegen an Unis auch Forscher auf, die Ergebnisse erfinden oder abschreiben. Kümmern sich die Unis zu wenig um Qualitätssicherung?

Diese Fälle sind eine andere Sache und hoffentlich Ausnahmen. Was den Doktor betrifft: Ich habe gemeinsam mit dem Hochschulverband schon vor zwanzig Jahren angeregt, dass die Doktoranden in einer eidesstattlichen Erklärung versichern, dass ihnen keine Firma bei der Arbeit geholfen hat. Damit würde es den „Beratern“ schwerer gemacht zu behaupten, alles sei ganz legal. Nicht alle Fakultäten haben das aber aufgenommen.

Wie soll jemals herauskommen, ob der Promovend seine Dissertation tatsächlich selbst geschrieben hat?

Das ist schwierig. Es hilft aber Sensibilität. Es muss auffallen, wenn ein Professor sehr viele berufstätige Kandidaten promoviert. In den Betrieben sollte jeder aufmerksam werden, wenn der Kollege Doktor ist, obwohl er nicht mal studiert hat.

Offenbar drohen den Professoren keine Haftstrafen, und die von ihnen Doktorierten müssen vor allem um ihre Titel fürchten. Reichen solche Strafen?

Im Einzelfall kann es ja durchaus Haftstrafen geben und die Doktoren können etwa wegen Beihilfe zur Bestechung bestraft werden.

Das Gespräch führte Anja Kühne

ZUR PERSON

MANUEL RENÉ THEISEN, Professor für BWL und Steuerrecht an der Uni München, befasst sich seit zwei Jahrzehnten mit dem Thema Titelhandel

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