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Wissen: Die Welt heilen

Ärzte fordern mehr Engagement von Deutschland

Wenn es stimmt, dass man an seinen Aufgaben wächst, dann müssten Mediziner mit dem Schwerpunkt „Public Health“ die Größten sein. Immerhin geht es in ihrem Fach um nicht weniger als die Krankheitsbekämpfung auf der ganzen Welt. In Deutschland fristete das Thema lange Zeit ein Nischendasein. Erst in den 90er-Jahren wurde es wiederentdeckt und steht nun beim zweiten Weltgesundheitsgipfel, der gestern in Berlin offiziell begann, sogar im Zentrum der Aufmerksamkeit. Bis Mittwoch werden Mediziner, Forscher, Unternehmer und Politiker darüber diskutieren.

Noch vor der offiziellen Eröffnung trafen sich am Samstagnachmittag im Konferenzsaal der DZ-Bank am Pariser Platz Mediziner, Unternehmer und Journalisten. „Können neue Finanzierungsmodelle die Armen retten?“, war die Frage des Abends. Was wie ein trockenes Thema klingt, bietet einigen Zündstoff. Besonders zurzeit.

Denn mit neuen Finanzierungsmodellen sind nicht zuletzt die multilateralen Fonds gemeint, die in den letzten Jahren gegründet wurden, allen voran der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose. Dessen Geldgeber, vor allem Regierungen, aber auch Stiftungen und Unternehmen, hatten sich erst am Dienstag in New York getroffen. Unter dem Vorsitz von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon benannten die Geber dort reihum, wie viel Geld sie dem Fonds in den nächsten Jahren geben würden. 8,5 Milliarden Euro kamen dabei zusammen. Eine unglaubliche Summe, aber deutlich weniger als die 14,5 Milliarden Euro, die der Fonds sich erhofft hatte.

Dabei gilt der Fonds unter Forschern als vorbildhaft. „Die letzten fünf Jahre haben gezeigt, dass er sein Geld wert ist. Ohne ihn hätten wir heute keine sinkenden Aids-Todeszahlen und Malaria würde nicht zurückgehen“, sagte Peter Piot, Leiter der London School of Hygiene and Tropical Medicine und viele Jahre als Untergeneralsekretär der UN zuständig für den Kampf gegen Aids. Der Fonds finanziert lebensverlängernde Medikamente für 2,8 Millionen Menschen mit HIV in Entwicklungsländern. Das ist etwa die Hälfte aller Aidskranken, die Arzneimittel bekommen.

Piot ist überzeugt davon, dass nur Instrumente wie der Fonds in der Lage sind, die Gesundheitsprobleme in der Welt in den Griff zu kriegen. „Bilaterale Entwicklungshilfe ist ein Instrument des 20. Jahrhunderts, multilaterale Hilfe ein Instrument des 21. Jahrhunderts“, sagt er und zählt die Vorteile auf: Erstens könne kaum ein bilaterales Abkommen eine Preissenkung von Aidsmedikamenten oder Impfstoffen um 90 Prozent durchsetzen. „Dafür brauchen Sie multilaterale Strukturen, in denen die nationalen Wirtschaftsinteressen keine Rolle spielen.“ Zweitens gebe es viele Länder, wie Birma oder Simbabwe, die aus politischen Gründen keine bilaterale Hilfe erhielten. „Aber auch in diesen Ländern leben Menschen und die haben Krankheiten.“

Letztlich könne man durch gemeinsames Vorgehen mehr erreichen, sagt Piot. Gerade Deutschland könne hier noch viel mehr tun. Darin sind sich die meisten Beobachter einig. Auch das medizinische Fachblatt „Lancet“ schreibt zum Auftakt des Gipfels, Deutschland müsse sich nun stärker engagieren im Bereich der Weltgesundheit. Zur Kritik trägt auch Deutschlands Verhalten bei der Geberkonferenz in New York bei. Während Frankreich und Norwegen ihren Beitrag um 20 Prozent aufstockten und Japan sogar um 28 Prozent, blieb Deutschland bei seiner Zusage von 200 Millionen Euro im Jahr.

Es gehe bei der Weltgesundheit letztlich auch darum, die Gesundheit im eigenen Land zu schützen und Entwicklungsländern so weit zu helfen, dass sie auch als wirtschaftliche Partner interessanter würden, betonte Joelle Tanguy von der Globalen Allianz für Impfstoffe und Immunisierung, die vor allem Kindern in Entwicklungsländern den Zugang zu Impfstoffen erleichtern will. „Wir sollten aufhören, das als Wohltätigkeit zu empfinden. Wir investieren in die Zukunft.“ Kai Kupferschmidt

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