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Nur ein Chromosom zu viel. Down-Syndrom hindert nicht am Glücklichsein.

© picture alliance / dpa

Down-Syndrom: Erbgut aus der Balance

Die Symptome des Down-Syndrom stammen nicht allein vom Chromosom 21. Untersuchungen an eineiigen Zwillingen zeigen: Das gesamte Erbgut ist betroffen.

Menschen mit Down-Syndrom sind ein wenig mehr Mensch als andere: In ihren Zellen tragen sie ein zusätzliches, überzähliges Chromosom 21. Bislang dachten Forscher, dass allein diese Überdosis des kleinsten aller Chromosomen im Erbgut Ursache für die körperlichen und geistigen Symptome der Erbkrankheit ist. Doch Genetiker an der Universität Genf haben jetzt entdeckt, dass das gesamte Erbgut betroffen ist.

Das Team um Audrey Letourneau konnte einen seltenen Fall eineiiger Zwillinge untersuchen, von denen nur einer vom Down-Syndrom betroffen ist. Das Erbgut der Zwillinge unterscheidet sich nur durch das zusätzliche Chromosom 21. Dadurch konnten die Forscher erkennen, welchen Einfluss die Chromosomenüberdosis auf die Zellen hat, berichten sie im Fachblatt „Nature“. Überrascht stellten sie fest, dass das überzählige Chromosom die Regulation der Gene im gesamten Erbgut beeinträchtigt: Gene, die normalerweise abgeschaltet sind, werden eingeschaltet. Und umgekehrt werden Gene, die sonst sehr aktiv sind, gedimmt.

Zwei Erklärungsversuche

Wie dieser Effekt zustande kommt, ist offen. Benjamin Pope und David Gilbert von der Florida State University in Tallahassee vermuten, dass ein Gen namens HMGN1 auf dem Chromosom 21 eine Rolle spielt: Es lockert die Verpackung aller Chromosomen und wirkt deshalb wie ein Türöffner zu den Genen. Proteine, die Gene einschalten können, gelangen so leichter an das Erbgut heran. Weil die Menge an diesen Einschaltproteinen aber begrenzt ist, können aktive Gene nur mit halber Kraft laufen, da die üblicherweise abgeschalteten Gene ebenfalls Einschaltproteine beanspruchen.

Eine alternative Erklärung wäre, dass das zusätzliche Chromosom 21 in den Zellen von Down-Syndrom-Kindern eine zusätzliche Portion von den begrenzten Einschaltproteinen in Anspruch nimmt. Sie fehlen dann für ein korrektes Ein- und Ausschalten aller Gene im menschlichen Erbgut. Dafür spricht, dass Patienten mit anderen überzähligen Chromosomen, beispielsweise des Chromosoms 18, ähnliche Symptome haben wie Menschen mit Down-Syndrom.

Die Entwicklung der Organe wird beeinträchtigt

Welche Erklärung sich auch als die richtige erweisen wird – für die Embryonalentwicklung eines Kindes hat das verfälschte Genaktivitätsmuster schwerwiegende Folgen, vor allem für Organe wie Herz oder Gehirn. Das Wissen, dass die Ursache dafür nicht allein auf dem Chromosom 21 zu suchen ist, könnte die Suche nach neuen Therapien beeinflussen, die Down-Syndrom-Symptome mildern sollen.

In der Krebstherapie werden bereits Medikamente eingesetzt, die in das Ein- und Ausschalten von Genen eingreifen. Ob sich auch die Symptome von Down-Syndrom mit diesen sogenannten epigenetischen Medikamenten behandeln lassen könnten, ist offen. Die Fehlentwicklungen von Organen bereits geborener Trisomie-21-Kinder werden jedoch nicht rückgängig zu machen sein.

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