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Duden: Fremdschämen für It-Girls

Der aktuelle Duden enthält 5000 neue Wörter – bei der reformierten Rechtschreibung bleibt es vorerst.

Der neue Duden ist dicker als je zuvor. Die 25. Auflage des Wörterbuchs der deutschen Sprache, die jetzt ausgeliefert wurde, ist mit rund 135 000 Stichwörtern der umfangreichste Duden seit der ersten Ausgabe von 1880. Seit der 24. Auflage von 2006 sind mehr als 5000 Wörter hinzugekommen. Das macht die Jubiläumsauflage zu einer Fundgrube für Neologismen, die aus Ereignissen wie der Fußballweltmeisterschaft 2006 („Fanmeile“, „Sommermärchen“) oder der aktuellen Finanzkrise („Bad Bank“) geboren wurden. Nicht nur Sport („snowkiten“) und Politik („Vätermonat“) generieren ständig neue Begriffe. Auch gesellschaftliche Phänomene wie der „Ehrenmord“ oder neue emotionale Qualitäten wie „fremdschämen“ brennen sich ins öffentliche Bewusstsein.

Die Duden-Redaktion zeigt sich geschlechtersensibel. Die „Regenbogenfamilie“ mit einem gleichgeschlechtlichen Elternpaar ist jetzt orthografisch anerkannt. Etliche Wörter, die bislang nur in der männlichen Form auftauchten, finden sich nun auch in der weiblichen: Neu aufgenommen wurden etwa die „Angsthäsin“ und die „IT-Fachfrau“ – „IT“ steht für Informationstechnik. Die Computerspezialistin ist nicht zu verwechseln mit dem „It-Girl“ – laut Duden eine „(junge) Frau, die durch starke Medienpräsenz, vor allem in Gesellschaft von Prominenten, einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist“. Mit dem englischen „It“ ist das „gewisse Etwas“ gemeint. Andere neue Tätigkeitsbezeichnungen wurden gleich in beiden Formen aufgenommen: „Dopingarzt“ und „Dopingärztin“.

Ablesen lässt sich auch, dass an den deutschen Hochschulen vieles in Bewegung gekommen ist. Neu aufgenommen wurde etwa die 2005 gestartete „Exzellenzinitiative“, vom Duden als „Initiative von Bund und Ländern zur Förderung herausragender wissenschaftlicher Forschung“ erklärt. Die Adressatinnen des Programms finden sich im von den Medien geprägten Neuwort „Eliteuniversität“. Ihren Weg in den Duden hat auch die „Campusmaut“ gefunden, eine trendige Neuschöpfung für Studiengebühren. Die vielen Neologismen, vor allem die Anglizismen, sind das Interessanteste am neuen Duden, sagt Kerstin Güthert, Geschäftsführerin des Rats für deutsche Rechtschreibung. Der Duden gehe damit auf die Bedürfnisse der Schreibenden ein.

Dass die Duden-Redaktion keine neuen Empfehlungen im Hinblick auf die vorläufig abgeschlossene Rechtschreibreform gibt, wundert Güthert nicht. 2006 hatte der Rat für deutsche Rechtschreibung etliche Änderungen vor allem in der Getrennt- und Zusammenschreibung, der Groß- und Kleinschreibung durchgesetzt: So darf man seitdem neben „kennen lernen“ auch wieder die alte Form „kennenlernen“ schreiben, statt „Leid tun“ darf es nur noch „leidtun“ heißen. Der Rat hat 39 Mitglieder aus deutschsprachigen Ländern, sie werden unter anderem von Sprachakademien und Verlagen entsandt.

Wie schon 2006 gibt der Duden eigene „Variantenempfehlungen“. So ist es nach der Reform der Reform möglich, „gewinnbringend“ oder „Gewinn bringend“ zu schreiben, der Duden empfiehlt „die früher vorwiegend übliche Zusammenschreibung“. Die Reformregel, zwei Verben grundsätzlich getrennt zu schreiben, dagegen erklärt die Redaktion für „so eindeutig und einfach, dass wir ihre Anwendung auch bei übertragenem Gebrauch empfehlen“. Folglich soll es laut Duden immer „sitzen bleiben“ heißen – auch wenn es um Klassenwiederholungen geht. Nur bei „kennenlernen“ wird für die Zusammenschreibung plädiert.

Ändern könnte sich an solchen Tipps erst etwas, nachdem der Rechtschreibrat Ende 2010 seinen ersten Bericht zur Sprachbeobachtung vorlegt hat, sagt Kerstin Güthert. „Usus-Untersuchungen“ sind seit 2006 die Hauptaufgabe des Rats. Schwerpunktmäßig würden derzeit Schreibungen beobachtet, die schon 1996 geändert wurden, sagt Güthert. So wird anhand großer Textkorpora getestet, ob sich eine Schreibweise unter professionellen Schreibern durchgesetzt hat. Aber auch die 2006 liberalisierte Getrennt- und Zusammenschreibung werde beobachtet.

Ob sich bereits abzeichnet, dass es weitere Änderungen der Rechtschreibreform geben könnte, will Güthert nicht verraten.

Duden – Die deutsche Rechtschreibung (25. Auflage). Dudenverlag Mannheim, Wien, Zürich 2009. 1216 Seiten, 21,95 €.

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