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Hinter Troll-Accounts stehen keine realen Personen.

© REUTERS/Kacper Pempel

„Durch Twitter wird kein Demokrat zum Trump-Wähler“: Welchen Einfluss hatten russische Internet-Trolle auf die US-Wahl?

Forscher haben untersucht, ob Fake-Profile die politischen Einstellung von Menschen verändern können. Die Studie ist bisher einzigartig, aber sie hat Schwächen.

Wer durch Twitter scrollt, setzt sich in kurzer Zeit zahllosen Botschaften aus. Manche rauschen einfach so vorbei, andere haben es in sich: Sie wiegeln auf, provozieren, mischen sich in politische Debatten ein. Sie sind gemacht dafür, die Meinung der Nutzer zu bestimmten Themen zu ändern. Es gilt als gesichert, dass Russland versucht hat, auf diese Weise die US-Präsidentschaftswahlen 2016 gezielt zugunsten von Donald Trump zu beeinflussen.

Die russische Agentur IRA (Internet Research Agency) soll im staatlichen Auftrag Manipulation und Meinungsmache im Internet betrieben haben – und zwar mit Hilfe sogenannter Troll-Accounts. Diese Fake-Benutzerkonten schicken Beiträge zu kontroversen Themen durch die sozialen Netze Twitter, Facebook und Instagram, um Nutzer zu manipulieren. Allein im Jahr 2016 waren es etwa 57.000 Twitter-Posts, 2400 Facebook-Beiträge und 2600 Instagram-Posts (Bericht der Universität Oxford hier als PDF).

Ob und wie die Kampagne die US-Wahlen tatsächlich beeinflusst hat, ist bisher aber unklar. Ein Team um den Soziologen Christopher Bail von der Duke University in North Carolina hat nun eine IRA-Kampagne auf Twitter aus dem Jahr 2017 untersucht. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass die Interaktion mit den Troll-Accounts die politische Meinung von Republikanern und Demokraten nicht substanziell verändert hat. Ihre Ergebnisse veröffentlichen sie im Fachblatt "PNAS".

Interaktion mit den Troll-Accounts

Bail und seine Kollegen untersuchten dafür eine Gruppe von 1239 US-amerikanischen Twitter-Nutzern, die sich entweder als Demokraten oder Republikaner bezeichneten. Sie hatten Ende 2017 an zwei Umfragen zu ihren politischen Einstellungen teilgenommen. Dabei mussten die Teilnehmer angeben, wie sie zu verschiedenen politischen Aussagen stehen, etwa dieser: "Strengere Umweltgesetze und Regularien kosten zu viele Jobs und schaden der Wirtschaft."

Anschließend prüften die Forscher, welche der User in dem Monat zwischen den Befragungen mit Accounts interagierten, die einer von Twitter veröffentlichten Liste zufolge von der IRA betrieben wurden. So wollten sie herausfinden, ob sich die politische Einstellung von Nutzern änderte, wenn sie besonders oft mit Beiträgen von Troll-Accounts interagierten.

Dazu zählte neben dem Teilen (Retweeten) oder Liken zum Beispiel auch, wenn Nutzer einen Tweet mit "Gefällt mir" markierten, der einen Troll-Tweet nur zitierte, aber nicht selbst von einem Troll-Account stammte – oder auch, wenn ein Nutzer einem Troll folgte. Ob und welche Inhalte die Nutzer allerdings wie lange in ihrer Twitter-Timeline tatsächlich zu sehen bekamen, konnten die Forscher nicht bestimmen.

Polarisierte Nutzer könnten anfälliger für die Fake-Accounts sein

Die folgende Datenanalyse zeigte, dass 19 Prozent der Studienteilnehmer in dem Monat zwischen den Befragungen mit Troll-Accounts interagierten. Das ist deutlich mehr als die zwei Prozent, die Twitter für alle weltweiten Nutzer Anfang 2018 angab.

Allerdings, und das ist die Hauptbotschaft der Wissenschaftler, fand sich kein nennenswerter Einfluss der Interaktionen auf die politische Einstellung der Nutzer, die anhand von sechs verschiedenen Parametern gemessen wurde. Eine politische Wirkung der Troll-Accounts ließ sich also zumindest in diesem Fall nicht nachweisen.

Wohl aber zeigten sich Trends: So interagierten diejenigen Nutzer am häufigsten mit den gefälschten Accounts, die Twitter oft benutzten, starke soziale "Echokammern" hatten (also Nutzern mit ähnlichen Einstellungen folgen) und sich stark für Politik interessierten.

Bail und seine Kollegen schlussfolgern daraus: "Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die russischen Trolle es nicht geschafft haben, Misstrauen zu säen, weil hauptsächlich jene mit ihnen interagiert haben, die sowieso schon stark polarisiert sind."

Allerdings fanden die Forscher nach der Interaktion mit den IRA-Accounts auch keinen Unterschied in den Meinungen von Menschen, die sich nur schwach mit einer Partei identifizierten gegenüber jenen, die sich stark zugehörig zu Republikanern oder Demokraten fühlten.

Zahlreiche Einschränkungen

"Dies ist eine nützliche Studie, weil sie uns dabei hilft, den Einfluss russischer Trollkampagnen auf normale Social-Media-Nutzer ein wenig besser einzuordnen", sagt Axel Bruns, Medien- und Kommunikationsforscher an der australischen Queensland University of Technology. Allerdings, und das schreiben auch die Autoren selbst, gibt es eine ganze Reihe von Einschränkungen.

So liegen etwa die Zeitpunkte, an denen die Teilnehmer zu ihrer politischen Einstellung befragt wurden, mit nur einem Monat Abstand sehr nah beieinander. "Eine Veränderung politischer Einstellungen in einem so kurzen Zeitraum ist insgesamt unwahrscheinlich", sagt Katarina Bader, Professorin für Online-Journalismus an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Da die IRA-Strategien eher auf eine langfristige Veränderung des politischen Klimas abzielten, sei es erforderlich, weit größere Zeiträume zu untersuchen.

Weiterhin untersuchten die Forscher nur Nutzer, die sich entweder dem demokratischen oder dem republikanischen Lager zugehörig fühlten. Unentschlossene Wähler, die vielleicht leichter manipulierbar sein könnten, wurden nicht analysiert. Auch machten die Troll-Interaktionen nur etwa 0,1 Prozent aller Interaktionen der Teilnehmer auf Twitter in dem Zeitraum aus. Die Wissenschaftler schreiben, dass auch dies ein Grund sein könnte, warum sie keinen Effekt gefunden haben.

Das vielleicht größte Manko ist aber, dass die Nutzer im Herbst 2017 befragt wurden – und somit ein ganzes Jahr, nachdem das amerikanische Volk Donald Trump ins Amt wählte. Den Einfluss der Trollkampagnen auf die Wahl konnte die Studie also schon per se nicht untersuchen. Zudem, sagt Katarina Bader, sei die Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt zahlreichen Einschätzungen zufolge schon stark fortgeschritten gewesen.

Und Axel Bruns gibt zu bedenken, dass sich das Gros der IRA-Aktivitäten im Herbst 2017 bereits auf andere Ziele fokussiert haben könnte als die USA: etwa auf die Nachbereitung der Bundestagswahl im, die kurz zuvor stattgefunden hatte, oder andere Themen der europäischen Politik.

"Durch Twitter wird kein Demokrat zum Trump-Wähler"

Bei alledem überrascht etwas besonders: Obwohl soziale Medien allgegenwärtig sind, ist in der Forschung keineswegs klar, wie stark die Kommunikation via Social Media die Meinung von Menschen wirklich beeinflussen kann. Dieser Effekt werde in der Öffentlichkeit meist überschätzt, sagt Nicole Krämer, Sozialpsychologin von der Universität Duisburg-Essen: "Durch Twitter- und Facebook-Kommunikation wird kein Demokrat plötzlich zum Trump-Wähler".

Vielmehr zeigten Studien, dass Menschen sich eher Berichterstattung suchten, die ihrer Meinung entspreche. Und sei dies einmal nicht der Fall, interpretierten viele die Informationen so um, dass sie den eigenen Einstellungen entsprächen. Dass diese Fehleinschätzung der Öffentlichkeit auch in der aktuellen Studie widerlegt werde, sei zu begrüßen, so Krämer.

Dass US-Amerikaner tatsächlich nicht empfänglich für russische Trollkampagnen sind, wie Bail und seine Kollegen schreiben, sei wegen der methodischen Lücken allerdings mehr als fraglich. Auch ob der Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen nun von der IRA beeinflusst wurde und wenn ja, wie stark, können die Forscher nicht beantworten. "Daraus abzuleiten, dass die Aktivitäten der IRA keine Wirkung auf das politische Klima in den USA hatten, wäre jedoch ebenfalls voreilig", sagt Bader.

Auch wenn sie viele Fragen offen lässt, so ist die Studie zumindest eine der ersten Arbeiten überhaupt, die sich diesem schwer zu erforschenden Thema widmet. Weitere müssen dringend folgen, denn: Dass sich die Trolle wieder aus dem Internet verziehen, ist nicht zu erwarten. Ganz im Gegenteil: Erst kürzlich wurde bekannt, dass Russland mit Troll-Accounts die Wahlen in verschiedenen afrikanischen Staaten manipulieren wollte. (mit smc)

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