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Menschen gehen durch das Foyer der Philologischen Bibliothek der Freien Universität Berlin.

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Elitefreier Osten und intransparente Finanzen: Exzellenzinitiative bevorteilt westliche Bundesländer

Die Linke kritisiert die Bundesregierung für die Exzellenzinitiative: Sie vernachlässige unter anderem die Kontrolle über die Verwendung der Fördermittel.

Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen haben bislang finanziell am stärksten von der Exzellenzinitiative profitiert. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken zur Exzellenzinitiative hervor. Demnach flossen zwischen dem Jahr 2006 und dem Jahr 2014 fast 610 Millionen Euro vom Bund nach Baden-Württemberg. Nach Bayern gingen rund 456 Millionen und nach Nordrhein-Westfalen fast 417 Millionen Euro. An vierter Stelle steht Berlin mit knapp 243 Millionen Euro. Mecklenburg-Vorpommerns Hochschulen sowie die von Sachsen-Anhalt und Brandenburg gingen völlig leer aus. Das erfolgreichste ostdeutsche Land ist Sachsen mit gut 58 Millionen Euro. Insgesamt gingen in dem Zeitraum rund 2,3 Milliarden Euro vom Bund an die Unis. Das Gesamtvolumen der Exzellenzinitiative beträgt 4,6 Milliarden.

Aachen bekam am meisten Elite-Geld

Die größte Summe im Förderzeitraum von 2006 bis 2017 bekommt die TH Aachen (über 360 Millionen Euro), knapp dahinter liegt die TU München, gefolgt von der LMU München und von Heidelberg. Mit einigem Abstand folgen die FU (mit fast 250 Millionen Euro), Konstanz und die Humboldt-Uni (etwa 230 Millionen).

Nicole Gohlke, die wissenschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion, kritisiert die Dominanz einzelner Regionen in dem Wettbewerb. Die Bundesregierung behaupte zwar, die Qualität der Hochschulen auch in der Breite heben zu wollen. Doch tatsächlich sei es ihr „völlig egal“, dass die neuen Länder wie auch ländliche Regionen „quasi leer ausgehen“.

Verlängern ohne Evaluierung?

Mehrfach fragt die Linksfraktion nach, warum Bund und Länder bereits einen dritten Durchgang des Wettbewerbs für die Zeit nach 2017 beschlossen haben – obwohl die seit 2006 laufende Initiative noch nicht evaluiert wurde, über Wirkungen und Nebenwirkungen also kein fundierter Bericht vorliegt. Die Bundesregierung rettet sich in semantische Feinheiten: Sie habe sich gar nicht „für eine Fortsetzung der Exzellenzinitiative, sondern für eine neue Bund-Länder-Initiative in Nachfolge der Exzellenzinitiative ausgesprochen“, teilt sie mit.

Eine Reihe von Universitäten verlor im zweiten Durchgang des Wettbewerbs Projekte, die sie im ersten Durchgang gewonnen hatte. Weiß die Bundesregierung, ob und in welchem Umfang die Länder diese Projekte mit eigenem Geld weiterfinanziert haben?, will die Linke ferner wissen. Was aus den gescheiterten Projekten wurde, hat die Bundesregierung aber bislang nicht interessiert: „Dazu liegen keine Erkenntnisse vor“, teilt sie lapidar mit. Dabei war die Nachhaltigkeit der eingesetzten Mittel eine wichtige Voraussetzung für die Teilnahme einer Uni im Exzellenzwettbewerb, und der Bund bringt 75 Prozent der Mittel auf.

80 Prozent der Verwendungsnachweise beanstandet

Die Linke wirft der Bundesregierung vor, sie vernachlässige die Kontrolle über die Verwendung der Fördermittel. Denn 80 Prozent der Verwendungsnachweise der Unis seien von der DFG beanstandet worden. Die DFG führt allerdings nur wenige vertiefte Prüfungen der Nachweise durch: In den Jahren 2011 und 2012 wurden 2,4 Prozent der Verwendungsnachweise geprüft. Nach Kritik vom Bundesrechnungshof sind es seit dem Jahr 2013 jährlich fünf Prozent. In elf der vierzehn überprüften Fälle gab es Beanstandungen. Dabei wurden 1,67 Millionen Euro zurückgefordert – das entspricht nur knapp 1,5 Prozent der Abrechnungssumme. Die hohe Fehlerquote in der kleinen Stichprobe lege aber nahe, dass die Überprüfungen ausgeweitet werden müssten, meint die Linksfraktion.

Über 150 Unternehmen sind an Graduiertenschulen und Clustern beteiligt, erklärt die Bundesregierung. Unter den 45 Graduiertenschulen, die in der zweiten Runde des Wettbewerbs gefördert werden, sind 18, die mit insgesamt 121 Unternehmen kooperieren. Kooperierende Unternehmen sind zum Teil auch an der Auswahl von Doktoranden und Doktorandinnen beteiligt, wie aus der Antwort der Bundesregierung hervorgeht. Auch an den Antragsskizzen für Cluster sind Unternehmen beteiligt. Der „direkte Einfluss privatwirtschaftlicher Interessen“ sei mit „einer unabhängigen Wissenschaft nicht in Einklang zu bringen“, erklärt dazu Gohlke. Die Bundesregierung stehe dem Interesseneinfluss jedoch „geradezu unkritisch“ gegenüber.

Die Exzellenzinitiative verstärkt die Prekarisierung

Auch irritiert es die Linke, dass die Großforschungseinrichtung Helmholtz-Gemeinschaft an zehn von elf „Zukunftskonzepten“ („Eliteunis“) beteiligt ist, also bei den Außeruniversitären als Partnerin dominiert.

Im Jahr 2013 waren 18 698 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an den Graduiertenschulen und Clustern beteiligt, davon sind 5840 aus Mitteln der Exzellenzinitiative finanziert. In Exzellenzhochschulen und -projekten weist die Statistik seit dem Beginn der Initiative im Jahr 2006 jedes Jahr einen höheren Anteil von befristet beschäftigten Wissenschaftlern aus als bei allen Hochschulen im Schnitt (im Jahr 2013 gut 78 Prozent gegenüber knapp 70 Prozent).

Die Initiative verstärke also die Prekarisierung der Beschäftigungsverhältnisse, meint die Linke. Schlecht stehe es auch um Wissenschaftlerinnen: Sie haben nach Auskunft der Bundesregierung nur einen Anteil von zehn Prozent unter den Sprechern von Exzellenzclustern, Graduiertenschulen und Zukunftskonzepten: „Die Bundesregierung verfolgt ihre Gleichstellungspolitik offensichtlich nur theoretisch“, stellt dazu Nicole Gohlke fest.

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