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Geschraubt. Der Antrieb des Magdeburger Prototyps. Die Testanlage ist nördlich des Wissenschaftshafens in der Elbe verankert.

© Dirk Mahler/Fraunhofer IFF

Energietechnik: Strom aus dem Fluss

Rückkehr der Schiffmühlen: Wissenschaftler arbeiten an schwimmenden Kraftwerken. Sie arbeiten unabhängig vom Wasserstand und benötigen keine Staumauer.

Im Mittelalter dümpelten sie zu Hunderten auf den Flüssen, dienten als Getreidemahlwerk, Sägemühle oder Schleiferei. Ihr Bauprinzip war immer ähnlich: Eine schwimmende Plattform, festgemacht in starker Strömung, und darauf eine Mühle, die per Wasserrad angetrieben wurde. Schiffmühlen haben sich vom Frühmittelalter bis ins 19. Jahrhundert bewährt. Doch irgendwann behinderten sie die Flussschifffahrt und konnten zudem nicht mehr mit kohle- und ölbetriebenen Maschinen konkurrieren, so dass sie von den Gewässern verschwanden.

Nun kehren sie zurück. Das Netzwerk „Fluss-Strom-Forschung 2012“, bestehend aus Unternehmen und Forschungsinstituten, entwickelt Schiffmühlen, die über einen Generator Strom produzieren. „Der Vorteil ist, dass sie keine Staumauern benötigen“, sagt Gerhard Müller vom Magdeburger Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung, das an den Arbeiten beteiligt ist. Die Schiffmühle kann an einem beliebigen Platz festgemacht werden, schwimmt auf dem Wasser und lässt Fische ungehindert passieren. Ihre drehenden Teile – Propeller oder Schaufelrad – bewegen sich laut Müller so langsam, dass sie für Flusstiere ungefährlich sind.

Seit kurzem betreiben die Forscher einen Prototypen auf der Elbe, den „Vector-Versuchsträger“. Der blau lackierte Katamaran trägt ein Stahlgerüst, an dem eine Testturbine hängt. Der Propeller ist besonders leicht, er besteht aus geschäumtem Aluminium, das von glasfaserverstärktem Kunststoff ummantelt ist. Die Forscher untersuchen, welche elektrische Leistung die Anlage im Dauerbetrieb bringt, aber auch, wie robust sie ist – etwa wenn Treibgut gegen die Schraube schlägt. „Die bisherigen Erfahrungen sind vielversprechend“, sagt Müller. „Das Kraftwerk liegt stabil im Fluss und läuft zuverlässig; zudem gibt es kaum Probleme mit angeschwemmtem Material.“ Der Wirkungsgrad der Anlage solle allerdings noch verbessert werden.

Auch ein Schaufelrad soll der Katamaran testweise erhalten. Die Ergebnisse wollen die Ingenieure dann mit denen der Turbine vergleichen. „Vermutlich sind Schaufelräder eher für flaches Wasser geeignet und Propeller eher für tiefes“, schätzt Müller. Einen weiteren Prototypen, den „River Rider“, betreiben die am Netzwerk beteiligten Forscher schon seit längerer Zeit am Auslauf der Harz-Talsperre Wendefurth; er besitzt ebenfalls ein Schaufelrad.

Im Energiemix werden die schwimmenden Flusskraftwerke allerdings eher eine kleine Rolle spielen. Sie haben eine elektrische Leistung von einigen Dutzend Kilowatt, das ist relativ wenig. Dafür wird beinahe das ganze Jahr über Strom produziert. Weil die Schiffmühle mit dem Flusspegel steigt und sinkt, steht ihr immer die gleiche Wasserenergie zur Verfügung – anders als bei fest installierten Kraftwerken mit Staumauer. Stadtwerke und Stromlieferanten hätten bereits Interesse an der Technik bekundet, erzählt Müller.

Wegen der niedrigen Leistung dürfen die Anlagen nicht viel kosten, um sie wirtschaftlich zu betreiben. Vor einigen Jahren noch waren die Forscher sogar skeptisch, ob sich die Kosten überhaupt weit genug drücken lassen, um die Mühlen konkurrenzfähig zu machen. Doch jetzt halten sie das für machbar. „Wir wollen Komponenten einsetzen, die auch in anderen Energiesystemen verwendet werden, und dadurch Synergien nutzen“, sagt Müller. Ein Beispiel: Kleine Windräder sind mit getriebelosen Generatoren für niedrige Drehzahlen ausgestattet. Um diese Technik auch in schwimmenden Flusskraftwerken zu nutzen, arbeiten die Forscher mit Herstellern von Windenergieanlagen zusammen.

Am Ende der Entwicklung sollen Schiffmühlen stehen, die in Serie preiswert aus standardisierten Bauteilen hergestellt werden können. Durch unterschiedliche Kombinationen der Bauteile sollen die Anlagen an verschiedene Fließgeschwindigkeiten und Wassertiefen angepasst werden. „Prinzipiell lassen sich alle Gewässer mit einer Fließgeschwindigkeit von mehr als 1,5 Metern pro Sekunde nutzen“, sagt Müller. „Wobei der Ertrag exponentiell ansteigt, je schneller das Wasser unterwegs ist.“

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