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Gesetzesinitiativen sollen es Ermittlern ermöglichen, aus Blutspuren vom Tatort Hinweise auf äußere Merkmale und Herkunft von Tätern gewinnen zu dürfen.

© AFP/Boris Horvat

Erbgutforensik: Umstrittene DNS-Spur zum Täter

Ein neues Gesetzesvorhaben will die Analyse von Erbgutspuren auf äußerliche Merkmale eines Täters erlauben. Die Opposition hat dazu dringende Fragen.

Mit Hilfe moderner Genanalysen können Ermittler aus Erbgutspuren an einem Tatort Hinweise auf die Farbe der Haare, der Haut oder der Augen eines mutmaßlichen Täters gewinnen und womöglich sogar Aussagen über dessen Herkunft treffen. Noch ist diese „erweiterte DNS-Analyse“ allerdings verboten, weil dazu Geninformationen erhoben werden, die beim bisher gesetzlich zugelassenen Erbgutabgleich nicht analysiert werden dürfen.

Zentrale Probleme der Technologien nicht geklärt

Eine Gesetzesinitiative der Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg will das ändern, unterstützt vom Bundesjustiz- und Bundesinnenministerium. Das Vorhaben ist umstritten (siehe Causa-Debatte: "Vom Erbgut zum Phantombild"). Kritik äußert jetzt auch der Bundestagsabgeordnete Jan Korte (Linke) in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung. Er befürchtet, den Ermittlern solle „weitgehend freie Hand bei der Erhebung und Handhabung von DNS-Proben und -Daten gewährt“ werden, obwohl „zentrale wissenschaftliche, rechtliche und ethische Probleme der Technologien sowie ihrer Anwendung in polizeilichen Ermittlungen nicht geklärt“ seien.

Laut Gesetzesvorhaben soll der Blick in die Gene nur „in Einzelfällen“ eingesetzt werden und nur wenn es keine herkömmlichen Ermittlungsansätze gibt. Welche Fälle das aber sein sollen – ob nur bei schwersten Delikten wie Mord oder auch bei Diebstählen –, das „prüfe“ die Bundesregierung noch. Auch die Frage nach den Kosten einer erweiterten DNS-Analyse bleibt unbeantwortet. Immerhin ist sich die Bundesregierung der „wissenschaftlichen Komplexität der erweiterten DNS-Analyse bewusst“.

Heikle Herkunftsanalyse

Besonders umstritten ist die Vorhersage der „biogeographischen Herkunft“ eines potenziellen Täters anhand einer DNS-Spur. Gefragt nach der Definition dieses Begriffs, der fälschlich gern mit ethnischer Herkunft oder gar Rasse gleichgesetzt wird, zitiert die Bundesregierung den Forscher Manfred Kayser von der Abteilung für genetische Identifikation der Uniklinik in Rotterdam, auf dessen Veröffentlichungen sich auch der Gesetzesantrag stützt: Demnach ist darunter „die Differenzierung der Ursprungspopulationen der verschiedenen Kontinentalregionen zu verstehen“. Die Erbgutspur kann den Ermittlern also mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit sagen, ob die Vorfahren eines Täters ursprünglich eher aus Europa, Afrika, Ostasien, Ozeanien oder Amerika stammen. Inwieweit das in Metropolen wie Berlin oder London wirklich hilfreich für die Ermittlungen wäre, ist offen. Studien gibt es dazu nicht. Dazu ist die Technik auch noch zu jung. Für genauere Aussagen, etwa über die Herkunft aus einzelnen Regionen auf diesen Kontinenten, müssten tausende von Genvarianten untersucht werden, was aufgrund der geringen Mengen und meist qualitativ schlechten Erbgutspuren von Tatorten technisch unmöglich ist. Darüber hinaus wird von Juristen bezweifelt, ob eine solche Analyse nach dem Gleichstellungsgrundsatz überhaupt zulässig ist. Denn eine Herkunftsanalyse ist im Grunde nur dann für den Ermittler hilfreich, wenn sie auf Personen einer hierzulande seltenen Herkunft hinweist.

Noch nicht positioniert

Sachverständigen-Gutachten, die solche Fragen klären könnten, sind bislang nicht in Auftrag gegeben worden, gibt die Bundesregierung zu. Ob ein multidisziplinäres Expertengremium wie etwa in den Niederlanden oder England nötig wäre, um zu beurteilen, wann sich ein Fall für den Einsatz der erweiterten DNS-Analyse eignet? Dazu hat sich die Bundesregierung „noch nicht positioniert“.

Korte sieht in dem Gesetzesvorhaben den Versuch, die „Eingriffsbefugnisse und Ermittlungsmethoden für die Sicherheitsbehörden“ auszuweiten. Es sei „unverantwortlich, den Zugriff des Staates auf die menschliche Erbsubstanz zu forcieren, obwohl weder die Technik sicher und fehlerfrei funktioniert, noch die nötige Kontrolle auch nur ansatzweise existiert“. Vor der Einführung der erweiterten DNS-Analyse müsse eine „breite kritische Debatte“ geführt werden.

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