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Havarie am Atlantik. Der Hurrican „Sandy“ verwüstete vor einem Jahr auch die an der Ostküste der USA gelegene Gemeinde Mantoloking in New Jersey. Ob solche Extremereignisse zunehmen, ist eine der Fragen, mit denen sich der UN-Klimabericht beschäftigt.

© REUTERS

Erderwärmung: Alles über die Zukunft des Klimas

Welt im Wandel: Diese Woche erscheint der mit Spannung erwartete erste Band des neuen UN-Klimaberichts.

In wenigen Tagen ist es soweit: Am 27. September wird in Stockholm der erste Band des neuen UN-Klimaberichts vorgestellt. Darin geht es um die naturwissenschaftlichen Fakten zum Klimawandel. Seit Wochen kursieren widersprüchliche Meldungen über vermeintliche Inhalte. Zum Beispiel heißt es, die Forscher seien sich nun so gut wie sicher, dass der größte Teil der Erwärmung seit Mitte des 20. Jahrhunderts auf den Menschen zurückgehe. Das wäre eine Verschärfung bisheriger Aussagen. Andere Medien betonen, im neuen Bericht würden die Temperaturprognosen nach unten korrigiert, das Klima reagiere weniger empfindlich auf Treibhausgase als gedacht. Das wäre eine Abschwächung.

Die eifrige Suche nach einer spektakulären Tendenz im neuen Klimabericht dürfte weitergehen. Doch revolutionäre Neuigkeiten sind nicht unbedingt zu erwarten. Schließlich fasst der Bericht nur Kenntnisse zusammen, die Klimaforscher in den letzten Jahren gewonnen und publiziert haben. Und die lassen nicht pauschal auf eine Verschärfung oder Abschwächung der Lage beim Klimawandel schließen.

Genau genommen ist das Werk noch nicht in trockenen Tüchern: Vom 23. bis zum 26. September wird nämlich an der Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger gefeilt. „Die Kurzzusammenfassung wird von den Auftraggebern kritisch gelesen und gemeinsam mit der Wissenschaft diskutiert“, erläutert Martin Claußen vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, der als wissenschaftliches Mitglied der deutschen Delegation in Stockholm dabei sein wird.

In der Diskussion werde die Wissenschaft selbst nicht infrage gestellt. „Das Plenum hinterfragt lediglich, ob die Zusammenfassung für die Politik die Erkenntnisse angemessen und für die Politik nützlich darstellt, so dass sämtliche Regierungen damit einverstanden sind“, sagt Claußen. Der politische Konsens über die Zusammenfassung stärke den Klimarat und dessen Kernaussagen.

Wissenschaftlich relevant ist aber, was im ausführlichen Bericht stehen wird. Einige neue Inhalte kann man bereits erahnen. Im letzten Bericht von 2007 wurden für die Vorhersagen des steigenden Meeresspiegels nicht alle Veränderungen der großen polaren Eisschilde berücksichtigt. Den Forschern war zwar klar, dass das Eis im Sommer an der Oberfläche schmolz. Doch sie wussten zu wenig über die Bewegungen der Riesengletscher. Inzwischen rechnen sie wegen des beschleunigten Rutschens der Eisschilde auf Grönland und in der Antarktis mit einem etwas stärkeren Anstieg des Meeresspiegels als früher. Die Vorhersage wird wohl einige Zentimeter höher ausfallen.

Der Meeresspiegel erhält auch erstmals ein eigenes Kapitel, ebenso wie Wolken und Aerosole (Staubpartikel), zwei wichtige, aber unsichere Faktoren. Selbstverständlich wurden sie schon früher dokumentiert – aber nicht so ausführlich.

Außerdem werden die Klimaprognosen erstmals in zwei getrennten Kapiteln behandelt. Damit unterscheidet man die langfristigen „Projektionen“ für die kommenden Jahrhunderte von neuen Versuchen, kurzfristige Vorhersagen für die nächsten Jahre zu produzieren. Diese Aufspaltung hat unter anderem damit zu tun, dass die Mitteltemperatur an der Erdoberfläche seit 2001 stagniert. Kritiker monieren, Klimamodelle hätten die Stagnation nicht vorgesehen. Das stimme nicht, entgegnen viele Forscher: Auch in einer langfristigen Aufwärtsbewegung seien Stagnationsphasen von ein bis zwei Jahrzehnten möglich.

Dennoch sorgt die jüngste Entwicklung für Stirnrunzeln. Erwartet wird, dass die Autoren des Berichts erläutern, wie man kurzfristige Temperaturschwankungen und den langfristigen Erwärmungstrend unterscheidet – und auch, was sie noch nicht verstehen.

In den letzten Jahren hat der UN-Klimarat eine Achterbahnfahrt erlebt. 2007 wurde das Gremium neben dem amerikanischen Umweltaktivisten Al Gore mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Es folgte eine kalte Dusche: Im damals aktuellen Klimabericht wurden einzelne, peinliche Fehler entdeckt. Nach viel Tamtam fand eine Begutachtung durch den Interacademy Council statt, einen Verband von Wissenschaftsakademien. Die darauf folgenden Reformen wurden 2012 abgeschlossen. Zum Beispiel haben die Autoren beim Schreiben des neuen Klimaberichts jetzt noch stärker darauf geachtet, dass sie Kritik berücksichtigten und dass jede Aussage eine solide Grundlage in der Fachliteratur hatte.

Einer, der den UN-Klimarat von Anfang an mit kritischem Wohlwollen beobachtet hat, ist der Schweizer Klimaforscher Heinz Wanner. Er arbeitet heute als emeritierter Professor am Oeschger-Zentrum in Bern. Wanner trägt als „Review Editor“ zum neuen Klimabericht bei. Das heißt, dass er die Berücksichtigung kritischer Kommentare zum Kapitel über Daten zur Klimavergangenheit überwacht. „Man ist im Sandwich“, beschreibt Wanner den Zwiespalt, in dem sich die Autoren befinden. Einerseits müsse man klare Aussagen machen, die Politiker verstünden, andererseits sollten alle offenen Fragen aufgelistet werden. Insgesamt seien die Autoren des Klimaberichts viel vorsichtiger geworden. Man versuche, Kritiker einzubeziehen, wenn dies möglich sei und wenn diese überhaupt mitwirken wollten.

Eine langfristig wichtige Frage ist die nach der Zukunft des UN-Klimarats. Die großen Klimaberichte sind immer dicker geworden. Die Erstellung raubt den Autoren Zeit und Nerven. Außerdem sind die Berichte fast schon veraltet, wenn sie erscheinen. Fachleute empfehlen darum, dass sich der Klimarat künftig darauf beschränken sollte, kürzere Berichte zu einzelnen Themen zu publizieren. Der Klimarat selbst hat die Regierungen der Mitgliedsstaaten schon aufgefordert, sich dazu zu äußern, wie das Gremium in Zukunft arbeiten soll. Möglicherweise kommen auf den UN-Klimarat größere Veränderungen zu.

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