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Ernährung und Krebs: „Wir untersuchen das, was in der Bevölkerung von selbst passiert“

Der Potsdamer Epidemiologe Heiner Boeing über den Zweck von Kohortenstudien

Herr Boeing, sie arbeiten als Epidemiologe am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam. Wofür braucht die Gesundheitswissenschaft Kohortenstudien?

Kohortenstudien haben den großen Vorteil, dass mit wissenschaftlichen Methoden das Leben von Menschen über einen gewissen Zeitraum begleitet wird. Wir untersuchen das, was in der Bevölkerung von selbst passiert. Und wir tun es, weil wir wissen wollen, inwieweit unser Tun zum Ausbruch von Krankheiten oder zum Schutz davor beiträgt. Neben Lebensstilfaktoren sind dabei biologische Konstellationen interessant. Das Ziel ist natürlich, dass wir individuell, aber auch als Gesellschaft, möglichst gesund altern und unsere biologischen Möglichkeiten ausreizen wollen.

Hat uns die EPIC-Studie, deren Potsdamer Arm Sie beim deutschen Institut für Ernährungsforschung seit Jahren leiten, in dieser Hinsicht schlauer gemacht?

Wir konnten an einigen Stellen einen Zusammenhang zu Krebserkrankungen belegen, etwa zwischen dem Konsum von rotem Fleisch, der das Risiko für Darmkrebs erhöht, während Ballaststoffe und Fisch es senken. Wir haben festgestellt, dass einige Ernährungsaspekte viele Krankheitsbilder beeinflussen – und deshalb gesundheitswissenschaftlich gesehen eine hohe Relevanz haben. EPIC ist auch eine der ersten vorausblickenden Kohortenstudien, für die Teilnehmern Blut abgenommen wurde. Mit den Blutuntersuchungen konnten wir belegen, dass der Glukose-Stoffwechsel vielfältige Auswirkungen hat: Störungen gehen nicht nur mit einem erhöhten Risiko für Diabetes vom Typ II einher, sondern auch für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einige Krebserkrankungen. Und sie haben Einfluss auf den Hormonhaushalt, was wiederum das Risiko für Krebsformen in den Geschlechtsorganen und Brust erhöht. In dieser Hinsicht hat EPIC erhebliche Beiträge geleistet. Wir hoffen, dass wir das fortführen können.

Welche zusätzlichen Erkenntnisse kann die Nationale Kohorte bringen?

Sie hat zwei Vorzüge: Erstens ist das Spektrum der Krankheiten, um die es gehen soll, wesentlich erweitert. So wird es auch um verschiedene Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehen, um Infektionskrankheiten, aber auch um Einschränkungen bei der Beweglichkeit und beim Gedächtnis. Zweitens sind die Instrumente geschärft worden, mit denen der Lebensstil analysiert werden soll. Statt Fragebögen wird es möglichst echte Messungen geben, etwa den Akzelerometer für die Bewegung.

Sie machen also bei der Nationalen Kohorte mit, falls Sie angeschrieben werden?

Selbstverständlich. Um meine Zukunft besser einschätzen zu können und Hinweise für die Vorbeugung zu bekommen.

Adelheid Müller-Lissner

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