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Chinesen

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Ernährungsforschung: Milch macht Chinesen Bauchweh

Die Nachfrage nach Milchprodukten steigt im Land der Mitte rasant an. Dabei vertragen 93 Prozent der Chinesen gar keine Milch.

Die Milchpreise steigen – und Mitschuld haben angeblich die Chinesen, die sich mit zunehmendem Wohlstand auch eine westlichere Ernährungsweise angewöhnt haben. Sie sind inzwischen nicht nur die besten Kunden der Möbelkette Ikea, sondern essen auch lieber Hamburger statt gebackene Wan Tan. Und weil sie seit neustem auch mehr Milchprodukte verbrauchen, soll das die Weltmarktpreise in die Höhe treiben.

Dass die Chinesen jetzt regelmäßig Müsli mit Milch zum Frühstück schlürfen und dazu Latte Macchiato aus dem Coffee Shop trinken, kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen: Denn 93 Prozent der Chinesen vertragen gar keine Milch. Sie haben – wie der überwiegende Teil der Weltbevölkerung – eine Laktose-Unverträglichkeit. Warum steigt dann der Bedarf an Milchprodukten in Asien, obwohl Chinesen von Milchzucker Blähungen, Bauchschmerzen und schlimmstenfalls Darmentzündungen bekommen?

„Gesäuerte Milchprodukte, wie Joghurt, Buttermilch und viele Käsesorten enthalten kaum Laktose, weil Mikroorganismen den Milchzucker schon aufgespalten haben“, sagt Ingolf Krause vom Zentralinstitut für Ernährungs- und Lebensmittelforschung der TU München. „Diese Stoffe können problemlos verdaut werden“, erklärt der Lebensmittelchemiker. Außerdem sind die Asiaten führend bei der „Hydrolysierung“ von Milchprodukten. „Bei diesem Verfahren wird die Laktose aufgespalten, bevor sie in Lebensmitteln verarbeitet wird,“ sagt Krause.

Dass die meisten Menschen nach dem Verzehr von ungesäuerten Milchprodukten Verdauungsprobleme bekommen, liegt daran, dass ihnen ein Enzym im Dünndarm fehlt. Es spaltet die Laktose in Glukose und Galaktose – Stoffe, die erst dann im Dickdarm vom Körper aufgenommen werden können. Ursprünglich hatten nur Säuglinge diese Fähigkeit. Ab dem dritten Lebensjahr stellt der Körper die Produktion des Enzyms ein. Doch vor etwa 10 000 Jahren haben erste Völker Tiermilch als Nahrung entdeckt. Bei ihnen hat sich die Fähigkeit, auch im Erwachsenenalter Laktose-Enzyme zu produzieren, im Laufe der Evolution durchgesetzt. Davon profitieren auch wir: In Deutschland leiden nur 15 Prozent der Menschen an Laktose-Unverträglichkeit.

In China steigt vor allem die Nachfrage an Milchpulver. „Das ist besonders in Fastfood enthalten“, sagt Krause. Da die Verfahren zur Laktose-Spaltung in Chinas Lebensmittelindustrie längst Standard sind, lässt man sich den Appetit auf Fast-Food dort nicht verderben.

Dagny Lüdemann

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