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Nicht alleinlassen. Ein Ziel von Mentoringprogrammen ist es, die Studienabbrecherquoten zu senken.

© ddp

Erstsemester an der FU: An die Hand genommen

An der Freien Universität betreuen mehr als 200 Mentoren die Erstsemester: Es gebe immer mehr Studienanfänger, die an die Hand genommen werden müssten. Widerspricht das dem Gedanken, dass ein Studium auch Organisationsfähigkeit vermitteln soll?

Vor sechs Psychologiestudentinnen hält Antonia Neumann ihre Vorlesungsmitschriften in die Luft. Sie zeigt auf umkringelte Zahlen am Anfang der Sätze. Diese Nummern geben an, auf welcher Folie der Vorlesungspräsentation die Studenten Aussagen ihrer Professoren wiederfinden können. Denn nach den Vorlesungen stellen die meisten Lehrenden ihre Präsentationen ins Internet. Das Notieren der Foliennummern spare Zeit und erleichtere das Lernen auf die Uniprüfungen, sagt Antonia Neumann.

Neumann, 22, Psychologiestudentin im dritten Semester, ist eine von mehr als 200 Mentoren, die seit diesem Wintersemester an der Freien Universität Berlin (FU) Erstsemester betreuen – nach einer mehrtägigen Mentorenschulung. Die Studienanfänger an der FU haben nun einen persönlichen Ansprechpartner. Sie ergänzen das bisherige Netz aus allgemeiner Studienberatung, Fachstudienberatern und der Hilfe von Kommilitonen aus der Fachschaft.

Die Nachfrage nach den Mentoren ist gewaltig. Die Uni hatte damit gerechnet, dass etwa die Hälfte der Studenten das Mentoringangebot annimmt. Doch in einigen Fachbereichen haben sich mehr als 90 Prozent angemeldet. Am Fachbereich Jura übernahmen manche Mentoren deshalb eine zweite Gruppe.

Mit dem Programm möchte die Uni den Studienanfängern die Orientierung weiter erleichtern. Ein Ziel ist es, die Abbrecherquoten zu senken. Für die Mentoren ist es ein attraktiver erster Job an der Uni. Sie erhalten 750 Euro Aufwandsentschädigung für fünf Treffen. Finanziert wird das Programm durch den Qualitätspakt Lehre des Bundesbildungsministeriums. Die Mentoren betreuen jeweils bis zu zehn Erstsemester, die dasselbe Fach studieren wie sie selbst. Bei den Treffen geht es um Themen, die in der üblichen Studienberatung nicht vorkommen: Wie man während Vorlesungen mitschreibt. Welche Bücher man kauft und welche man besser in der Bibliothek kopiert. Oder um den schnellsten Weg zum Hörsaal. Doch auch zwischen den Treffen sind die Erstsemester nicht mehr wie bisher auf starre Sprechstunden mit Terminlisten angewiesen. Sie können ihre Mentoren auch spontan auf dem Handy kontaktieren oder ihnen eine Mail schreiben.

Die Humboldt-Universität zu Berlin setzt seit dem Frühjahr 2012 auf ein anderes Konzept. Die Erstsemestertutorien dort haben keine festen Teilnehmer. Mentoren bieten Veranstaltungen zu bestimmten Themen wie Studienfinanzierung, Lernmethoden und Zeitmanagement an. Eingeladen sind Studierende aller Fächer. Studentenbefragungen hätten ergeben, „dass die Studenten eher ein Buffet wollen“, sagt Jochen Ley, der an der Humboldt-Uni das „Compass-Tutor“-Programm für Erstsemester leitet. Aus diesem Angebot können die Studenten die Themen heraussuchen, die sie am meisten interessieren.

Widerspricht die Rundumbetreuung womöglich dem Gedanken, dass das Studium nicht nur Fachwissen, sondern auch Organisationsfähigkeiten vermitteln soll? Nein, sagt Ley, es gebe immer mehr Studierende unter 18, und die müsse man mehr an die Hand nehmen als Ältere.

Die Programme der Berliner Fachhochschulen richten sich vor allem an Studenten aus höheren Semestern. An der Hochschule für Technik und Wirtschaft etwa helfen berufserfahrene Informatikerinnen den Informatikstudentinnen beim Einstieg in die Computerbranche. Die Hochschule für Wirtschaft und Recht hat ein interkulturelles Tandemprogramm, das Mentoren aus Wirtschaft, Politik oder Wissenschaft mit Migrationshintergrund mit Studierenden ohne ausländische Wurzeln zusammenbringt – oder in der umgekehrten Konstellation.

FU-Mentorin Antonia hofft, dass ihre Erstsemester später sagen werden, dass sie den Einstieg gut geschafft haben und eine „Ansprechpartnerin auf gleicher Augenhöhe“ hatten. Am Schluss des Treffens schärft sie ihren Schützlingen ein: „Fangt früh an mit den Zusammenfassungen der Vorlesungen. Dann kommt ihr super durchs erste Semester.“ Andreas Maisch

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