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Eileen Alex ist erstaunt, wie viel Lernpensum man in einem Semester bewältigen kann.

© Thilo Rückeis

Erstsemester-Serie, Teil 3: „Das ist ein neues Leben“

Begeisternde Philosophen, verpatzte Tests, ein Praktikum auf dem Bauernhof: Wie drei Erstsemester aus Berlin die Universität erleben. Im dritten Teil ziehen sie Bilanz ihres ersten Studienhalbjahres.

Das erste Semester ist um für die drei Studienanfänger, die an dieser Stelle von Zeit zu Zeit über ihre Erfahrungen an der Uni berichten. Jetzt ziehen sie Bilanz: über Selbstzweifel, Stress – und die Freiheit an der Uni, die im Bachelor größer als gedacht ist.

Eileen Alex, 20, studiert Veterinärmedizin an der Freien Universität

Meine Bilanz des ersten Semesters

Ich habe wahnsinnig viel gelernt, das Studium ist sehr interessant, und viele neue Freunde habe ich ebenfalls gefunden. Das ist doch eine gute Bilanz, und ich hoffe, dass das Studium so weitergeht wie bisher. Überrascht hat mich, wie viel man innerhalb so kurzer Zeit lernen kann. Das hätte ich nicht für möglich gehalten. Natürlich zweifelt man bei dem großen Pensum öfters an sich: Schafft man das, und wofür macht man das überhaupt? Geholfen hat, dass unsere Dozenten immer wieder einen Bezug zur Klinik und zur aktuellen Forschung herstellen. Da weiß man, wofür das sture Auswendiglernen gut ist. Trotz der vielen Vorgaben im Stundenplan haben wir auch mehr Freiheiten als in der Schule – wobei, eigentlich weiß ich schon gar nicht mehr, wie das in der Schule eigentlich war. Das scheint schon so ewig her zu sein.

Den Umzug von Recklinghausen nach Berlin bereue ich nicht. Gesehen habe ich von Berlin aber immer noch nicht viel. Dafür sitze ich zu viel am Schreibtisch.

So schwer waren die Prüfungen

Über das Semester verteilt musste ich sieben Testate absolvieren. Die in Anatomie habe ich alle direkt bestanden. Wir stehen dabei immer am Seziertisch und bekommen für 15 Minuten ein Thema gestellt, das wir am Präparat erklären. Die anderen Testate waren schriftlich. Prinzipiell sind die Prüfungen alle zu schaffen. Man muss allerdings verdammt viel Stoff lernen, und abgefragt wird dann immer nur wenig. Durchgefallen bin ich nur in Chemie. Da war die Zeit zu knapp zum Lernen, und dann bin ich auch noch krank geworden. Ich lag mehr im Bett, als vor den Büchern zu sitzen. Jetzt werde ich mich gut auf die Nachprüfung am Ende der Semesterferien vorbereiten.

Das steht in den Semesterferien an

Erst mal lerne ich viel Chemie. Dann fahre ich nach Hause, um meine Familie und meine Freunde zu besuchen. Am Ende muss ich für knapp zwei Wochen ein landwirtschaftliches Praktikum auf einem Bauernhof bei München machen. Wir sind fast zwanzig Studenten, die dann gleichzeitig auf dem Hof wohnen. Wir werden dort Unterricht bekommen und im Stall helfen.

Seite 2: Julius Wolf, 24, studiert Anglistik und Geschichte an der Universität Potsdam. Er fühlte sich von den Prüfungen "nicht überanstrengt".

Julius Wolf ist vor allem von der Beschäftigung mit dem Sprachwissenschaftler Noam Chomsky begeistert.
Julius Wolf ist vor allem von der Beschäftigung mit dem Sprachwissenschaftler Noam Chomsky begeistert.

© Kitty Kleist-Heinrich

Sophie F. hat sich über einige Professoren geärgert, die in der Vorlesung nur das Skript vorgelesen haben.
Sophie F. hat sich über einige Professoren geärgert, die in der Vorlesung nur das Skript vorgelesen haben.

© Doris Spiekermann-Klaas

Julius Wolf, 24, studiert Anglistik und Geschichte an der Universität Potsdam

Meine Bilanz des ersten Semesters

Anglistik ist wirklich super. Im Vergleich zur Schule hat man doch eine größere Freiheit bei den Themen, man bekommt nicht so vorgeschrieben, was man genau machen muss. Mein Interesse an dem Fach wird immer größer, je mehr ich kennenlerne. Begeistert hat mich zum Beispiel die Beschäftigung mit dem berühmten Sprachwissenschaftler Noam Chomsky. Wenn man in seine Texte immer tiefer einsteigt, die unterschiedlichen Interpretationsansätze studiert – da merke ich einfach, das ich das Richtige mache.

Mein Zweitfach Geschichte liegt mir dagegen weiterhin nicht. Ein Wechsel hat leider nicht geklappt, weil viele Erstsemesterkurse im Sommer nicht angeboten werden. Zum Winter wechsele ich das Zweitfach auf jeden Fall, deswegen hänge ich mich da nicht mehr so rein. Mein Wunsch ist Philosophie, da ist der NC allerdings hoch. Wenn das nicht klappt, nehme ich Spanisch. Da gibt es keinen NC. Zwei Sprachen, das wäre doch nicht schlecht.

So schwer waren die Prüfungen

Das Schwierigste war, wieder ins Lernen reinzukommen. Ich habe 2008 Abitur gemacht, das war ein ganz schöner Kampf mit mir selbst, mich an den Schreibtisch zu setzen. Ich musste vier Klausuren schreiben und drei Essays, die aber nur drei Seiten lang waren. Die Übersetzungsklausur war am einfachsten. Nach 30 Minuten war ich fertig, obwohl wir 90 Minuten Zeit hatten. Bei der Kulturwissenschaftsklausur war mehr zu bewältigen: 15 ausführliche Fragen, elf Multiple-Choice-Fragen und eine Bildbeschreibung. Leistungskursklausuren in der Schule waren im Vergleich dazu aber trotzdem länger und anspruchsvoller. Nur in Linguistik habe ich ein schlechtes Gefühl. Insgesamt hätte es schlimmer kommen können. Mein Mitbewohner, der Bioinformatik studiert, hat nonstop durchgelernt, seitdem wir unsere Wohnung nach der Silvesterparty aufgeräumt hatten. Im Vergleich zu ihm wurde ich wirklich nicht überanstrengt.

Das steht in den Semesterferien an

Einen Essay muss ich noch schreiben. Das will ich schnell hinter mich bringen, weil ich dann anderthalb Monate frei habe. Ich bekomme Besuch von einem Freund, den ich aus Australien kenne. Dann will ich eine Bekannte in Hamburg besuchen, vielleicht fahre ich zu meiner Familie nach Köln. In den Sommersemesterferien will ich wieder richtig reisen: nach Südamerika oder nach Südostasien.

Seite 3: Sophie F., 19, studiert Physik an der Technischen Universität. Sie fängt im nächsten Semester ganz von vorn an.

Sophie F., 19, studiert Physik an der Technischen Universität

Meine Bilanz des ersten Semesters

Am meisten überrascht hat mich, dass man in den Naturwissenschaften auch kreativ sein muss. In meinem Projektkurs zur Experimentalphysik mussten wir viel improvisieren, Versuche immer wieder neu zusammenbasteln. Das ist halt so, haben die Dozenten gesagt: Wenn was nicht so klappt, wie man sich das vorstellt, muss man es anders machen. Am wenigsten gefallen haben mir einige Professoren, die in den Vorlesungen nur das Skript vorgelesen haben. Das hätte ich mir auch zu Hause durchlesen können, da wäre ich sogar schneller gewesen.

Ich wollte von Anfang an das Fach wechseln, und dabei ist es geblieben. Mein Ziel ist ein Master in Luft- und Raumfahrttechnik, und dafür brauche ich einen Bachelor in einem praktischer ausgerichteten Fach. Ursprünglich wollte ich Physikalische Ingenieurwissenschaften als neues Fach. Jetzt habe ich mich aber für Verkehrswesen entschieden, weil der NC dort niedriger ist. Ich bin dort schon angenommen, deshalb bin ich total entspannt. Leider kann ich mir keine Kurse aus der Physik anerkennen lassen. Ich fange im Frühjahr also ganz von vorne an. Verloren ist das vergangene halbe Jahr dennoch nicht – schon wegen der vielen Leute, die ich kennengelernt habe. Mit meinen Freunden aus der Uni mache ich auch privat viel zusammen. Das ist teilweise ein neues Leben, auch wenn ich meine alten Freunde nicht vergesse.

So schwer waren die Prüfungen

Da ich nichts für das neue Fach einbringen kann, hatte ich keine Prüfungen am Ende des Semesters. Im nächsten Semester muss ich dann wirklich ernsthaft lernen.

Das steht in den Semesterferien an

Ich habe viel freie Zeit, also will ich arbeiten. Für mehrere Jobs habe ich mich beworben, darunter Kellnerjobs. Vielleicht gebe ich auch einige Schwimmkurse in meinem Sportverein. Schwimmen will ich sowieso mehr, trainieren konnte ich wegen der Uni nicht so viel. Verreisen steht nicht an. Und aufs nächste Semester freue ich mich schon riesig.

Anmerkung der Redaktion: Da sich das Studium von Sophie inzwischen in eine andere Richtung entwickelt hat, verzichten wir anders als in der ursprünglichen Version des Textes hier auf ihren vollen Nachnamen.

Protokolliert von Tilmann Warnecke.

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