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Liegen lernen. Länger studieren, ins Ausland gehen oder mehr Zeit in Asta-Gremien als im Vorlesungssaal verbringen, ist trotz Bachelor nach wie vor möglich.

© dpa

Erstsemester: Trödeln für Fortgeschrittene

Der Bachelor kam, die Lockerheit ging. Trotzdem bietet das Studium weiterhin große Freiheiten - die Studierenden müssen sie sich aber auch nehmen.

Verschult, stressig, schwierig: Schmähtexte gegen den Bachelor könnten mittlerweile ganze Uni-Bibliotheken füllen. Haben Erstsemester gar keinen Grund, sich auf ihr Studium zu freuen? Doch, haben sie. Wir zeigen, welche sieben großen Freiheiten Studierende trotz Bologna und Bildungsdruck immer noch haben – und welche sogar hinzugekommen sind.

FREIHEIT Nr. 1: TRÖDELN

Auch wenn es für viele den Anschein hat: Ein Bachelor-Studium muss nicht in sechs Semestern abgeschlossen werden. Wer länger braucht, wird weder mit roter Farbe markiert und auf dem Campus mit original Berliner Schneematsch beworfen noch geht es sofort ins Portemonnaie: Langzeitstudiengebühren werden nicht erhoben. Erst nach dem achten Semester stehen an HU, FU und TU verpflichtende Beratungen an, in denen das weitere Studium geplant wird. „Da kommt es darauf an, ob man gute Gründe für die Verzögerung hat“, sagt Christine Elgert vom Asta der TU. In Zukunft müssen Studierende, die bis dato kaum anwesend waren, möglicherweise schon nach dem dritten Semester zum Gespräch, für eine Standpauke, und damit sie wenigstens sehen, in welchen grauen Gebäuden sie eigentlich jeden Tag zu sein hätten.

Das Zentrum für Hochschul- und Weiterbildung der Uni Hamburg hat übrigens in einer Studie festgestellt, dass der durchschnittliche Student nur 2,5 bis 3,8 Stunden täglich für seinen angestrebten Abschluss aufwendet. Selbst nach Abzug der Zeit für jobben und schlafen blieben noch mehr als elf Stunden pro Tag übrig. Trödeln ist vielleicht schwieriger geworden als früher, unmöglich ist es nicht.

FREIHEIT Nr. 2: AGITIEREN

Wer schon in der Schule gerne die Verlogenheit der westlichen Nahost-Politik diskutieren wollte, stattdessen aber mit Bruchrechnen ruhiggestellt wurde, findet an der Universität ein wahres Paradies vor. Für den Beginn empfiehlt Ronny Matthes, Hochschulberater beim Asta der FU, die Fachschaftsinitiativen. Dort können Studierende die Bedingungen ihres Uni-Alltags verändern und etwa Anpassungen der Studienordnung erwirken. Am Otto-Suhr-Institut (OSI), das eine lange Protesttradition hat, organisieren die Studierenden auch politische Veranstaltungen und erproben konfrontative Maßnahmen wie Institutsbesetzungen. Wer hochschulpolitisch versiert ist, kann sich in den Akademischen Senat (AS) wählen lassen und gemeinsam mit Professoren und anderen Uni-Mitarbeitern die Zukunft der gesamten Uni mitgestalten. Dafür bekommen die Teilnehmer sogar vorlesungsfrei.

Auch die unterschiedlichen Asta-Referate stehen den Erstsemestern zur Mitarbeit offen, etwa das „Internationalismus- und Antirepressionsreferat“, das „LesBiTrans*InterA-Referat“ oder das „Referat für Ökologie und Umweltschutz“. „Studierende, die sich in der akademischen Selbstverwaltung engagieren, können sich beurlauben lassen oder in Teilzeit studieren“, sagt Rosemarie Schwartz-Jaros von der Universitätsverwaltung der HU. Auch könnten Studienleistungen im Rahmen dieser Tätigkeiten in einigen Fächern im Bereich der Berufsfeldbezogenen Zusatzqualifikationen angerechnet werden.

FREIHEIT Nr. 3: DISKUTIEREN

Kann man am besten bei der „Berlin Debating Union“. Dieser Debattierclub aller Berliner Hochschulen streitet jeden Dienstag um 20 Uhr an der HU. Eine Kostprobe gibt es am 25. Oktober, dann treten die besten Redner in einer Showdebatte gegeneinander an. Für Erstsemester bietet die Union ein Sonderprogramm, also rauf auf die Podeste! Aber immer dran denken: „Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst!“ (Voltaire).

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FREIHEIT Nr. 4: SPAREN

Günstig in die Mensa oder ins Museum: Die klassischen studentischen Sparvorteile gibt es immer noch, in letzter Zeit kamen auch neue dazu. Seit August 2011 können Studierende auch Steuern sparen. Bislang durften 4000 Euro Ausbildungskosten pro Jahr abgesetzt werden, aber nur im gleichen Jahr, in dem sie anfallen. Das hat sich geändert, nun können Ausgaben fürs Studium in voller Höhe abgerechnet werden – und zwar nach der Aufnahme einer Arbeitstätigkeit. Der Richterspruch füllt also nicht unmittelbar den leeren Kühlschrank, kann aber in Zukunft für viele tausend Euro gut sein.

Sparen kann der moderne Studierende nicht nur Geld, sondern auch Zeit. Dank Smartphone und mobilem Internet lässt sich mit neuen Apps das Studium besser organisieren. „Todo“ hilft beispielsweise bei der Organisation der Termine, zahlreiche Übersetzungsapps ermöglichen Konversationen mit Austauschstudenten. Sogar das kreative „Mindmapping“ und das einst kartonintensive Lernen mit Karteikarten sind dem smarten Fortschritt ausgeliefert. Eine Budgetrechner-App kann zwar als mobiler Aufpasser nerven, bei schwieriger Finanzlage aber trotzdem sinnvoll sein. Schließlich muss auch der verbilligte Handytarif für Studenten erstmal bezahlt werden.

Zeit und eventuell auch Geld kann sparen, wer in einem der begehrten Studentenwohnheime einzieht, 500 Erstis haben das zu diesem Wintersemester schon getan. Wer sich allerdings erst zu Vorlesungsbeginn um einen Platz bemüht muss „mit einer Wartezeit von mindestens acht bis zehn Wochen rechnen“, sagt Jürgen Morgenstern vom Berliner Studentenwerk.

FREIHEIT Nr. 5: VERDIENEN

Glück gehabt: Seit Oktober 2010 gibt es mehr Bafög. 670 Euro sind monatlich maximal drin, wer bei den Eltern wohnen bleibt kann mit bis zu 495 Euro rechnen. Neuankömmlinge in Berlin können, falls sie ihren Erstwohnsitz hier anmelden, 100 Euro Begrüßungsgeld erhalten.

Bis zu 400 Euro kann ein Student mit einem Nebenjob verdienen, ohne Kürzungen bei seinem Bafög befürchten zu müssen. Das Studentenwerk hilft bei der Arbeitssuche, circa 2 300 Studierende bekommen jährlich eine Stelle vermittelt.

Auch über Stipendien lässt sich ein Studium finanzieren. Zu den zahlreichen etablierten Programmen kommt nun an vielen Unis (FU, TU, Beuth-Hochschule) das Deutschlandstipendium hinzu, an der HU gab es das schon im letzten Semester. Auch wenn es sich so anhört, werden nicht besonders vaterlandstreue, sondern besonders leistungsstarke Studierende gefördert. Einkommensunabhängig gibt es 300 Euro monatlich.

Rumkommen und Schwitzen - lesen Sie mehr auf Seite 3.

FREIHEIT Nr. 6: RUMKOMMEN

Natürlich kann man als Student ins Ausland – aber auch innerhalb der eigenen Universität und sogar des eigenen Studiengangs kann man unterwegs sein. Stellt sich die Realität eines spannend angekündigten Kurses als bieder heraus, kann sich der geneigte Wechselwähler „bis zum 4. November für andere Kurse anmelden. Man muss aber damit rechnen, nicht mehr so häufig fehlen zu dürfen, weil man am Anfang ja quasi nicht da war“, erklärt Ronny Matthes. Auch an der HU ist die anfängliche Kursentscheidung nicht in Stein gemeißelt, „ein Wechsel hängt oft von der Kulanz der Dozierenden ab“, sagt Imke Brümmer vom „Refrat“, dem Asta der HU. Wer alle Kurse durch hat und immer noch nicht geistig erbaut wurde, kann auch etwas ganz anderes studieren. Ein Wechsel zum nächsten Semester ist möglich, wenn man wiederum die Voraussetzungen erfüllt.

Alle, die stoisch bei ihrer Hochschule, ihrem Studiengang und den gewählten Kursen bleiben und dennoch an der weiten Welt schnuppern wollen, sollten eine der zahlreichen Mensen aufsuchen. Dort gibt es vom 24. Oktober an die Spezialitätenwoche „Kulinarische Grüße aus den Alpen“. Und im Gegensatz zu den Heimatländern der Alpenküche sind deutsche Studierende in den Berliner Mensen sogar ohne Quote willkommen.

FREIHEIT Nr. 7: SCHWITZEN

Neben klassischen Leibesübungen wartet die HU in diesem Semester gleich mit vier exotischen neuen Sportarten auf: Bouldern (Klettern ohne Seil), Drums Alive (Trommeln), Zumba (Aerobic) und Parcour. Die FU hat natürlich auch nicht nur Handball und Seilhüpfen im Angebot, als letzte erklärungsbedürftige Sportart kam „Krav-Maga-Defcon“ dazu, eine israelische Kampftechnik, die auf instinktive Reaktionen setzt. Informationen gibt es beispielsweise unter www.zeh.hu-berlin.de (HU) oder www.hs-sport.fu-berlin.de (FU), die meisten Kurse kosten zwischen 20 und 50 Euro pro Semester. Außerdem gilt: schnell sein. Viele beliebte Angebote sind bereits ausgebucht.

Gleich weiterschwitzen ist nach dem Sport auf den stets gut besuchten Ersti-Partys angesagt. An der HU läuft die größte Anfängersause am 29. Oktober, die FU ist noch zwei Tage früher dran, an der Technischen Universität wird dezentral gefeiert.

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