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Elefant

© pa/dpa

Evolution: Die Verwandten der Elefanten

Das Erbgut aus dem fossilen Zahn eines Mastodons verrät den Stammbaum der Dickhäuter. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben damit die Verwandtschaftverhältnisse der Elefanten geklärt.

Am Anfang war ein Zahn. Vielleicht 130 000 Jahre alt, eingefroren im Dauerfrostboden hoch im Norden Alaskas. Zuvor steckte er im Kiefer eines Mastodons, dessen Familie schon vor zehntausend Jahren ausgestorben ist. Mastodons (Mammut americanum) sahen nicht nur aus wie heutige Elefanten Afrikas, sondern gehören tatsächlich in deren Verwandtschaft, wie ein fossiler Zahn jetzt beweist.

Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut (MPI) für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben das Erbgut, das in dem Zahn des Dickhäuters aus der Urzeit eingeschlossen war, entziffert – und damit die Verwandtschaftverhältnisse der Elefanten geklärt (PLOS Biology, Band 5, Ausgabe 8). Bisher schätzten Experten, dass sich die Wege des afrikanischen Steppenelefanten Loxodonta africana und seines Cousins in Asien Elephas maximus vor rund fünf Millionen Jahren trennten. Doch nach der DNS-Analyse des Mastodon-Zahns muss das Familienbuch der Elefanten neu geschrieben werden.

Anhand von Gentests an lebenden Verwandten konnten Forscher die Stammesgeschichte der Elefanten bisher nicht überprüfen – denn Mastodons, die sich schon vor etwa 26 Millionen Jahren unabhängig von den Vorfahren der heutigen Elefanten entwickelten, sind vor rund 10 000 Jahren ausgestorben. Und auch der Genvergleich mit den nächsten noch lebenden Verwandten bringt wenig, denn das sind robbenartige Seekühe (Dugongs) und mumeltierähnliche Säugetiere namens Schliefer. Ihnen sieht man auf den ersten Blick an, dass sie sich schon früher aus einem gemeinsamen Vorfahren mit den Elefanten entwickelt haben müssen als das Mastodon, das immerhin aussieht wie ein Mammut. Fossilienfunde zeigen dann auch, dass sich beide Ordnungen schon vor gut 65 Millionen Jahren von den Dickhäutern getrennt haben, als noch die letzten Dinosaurier lebten.

Beim Vergleich mit so weit entfernten Arten können sich einige Fehler im Stammbaum einschleichen. Erst durch den jetzt untersuchten Mastodonzahn sind genaue Angaben möglich. Paul Matheus von der Universität Alaska in Fairbanks hatte den fossilen Zahn schon vor acht Jahren auf einer Alaska-Expedition entdeckt. Doch erst durch moderne Verfahren konnte das Erbgut daraus jetzt am MPI in Leipzig isoliert werden. Die Forscher um Michael Hofreiter entnahmen die Desoxyribonukleinsäure (DNS) aber nicht den Zellkernen, sondern den Mitochondrien. Diese winzigen Organe kommen in jeder Zelle vor und sind für die Energieversorgung zuständig. Sie enthalten ebenfalls Erbgut, das sich zur Untersuchung der Abstammungsgeschichte bestimmter Tierarten sogar besser eignet als die DNS in den Zellkernen, weil es stabiler ist und deshalb in Fossilien länger überdauert. „In dem in Alaska entdeckten Mastodonzahn stecken erstaunlich gut erhaltene DNS-Reste“, sagt Michael Hofreiter. Allerdings findet man von solcher fossilen DNS meist nur so geringe Mengen, dass sie mit speziellen Methoden untersucht werden muss, die nur eine Handvoll Forscher auf der Welt beherrscht. Hofreiter gehört zu diesen Spezialisten, genau wie seine Mitarbeiterin Nadin Rohland. Sie hat 16 469 DNS-Bausteine im Mitochondrien-Erbgut des Zahns bestimmt, und das mit fantastischer Genauigkeit: „Schlimmstenfalls zehn Fehler stecken in diesen Bausteinen“, sagt Hofreiter.

Anna-Sapfo Malaspinas von der Universität in Genf verglich die gefundene DNS mit dem Erbgut lebender Elefanten – heraus kam eine Sensation: Asiatischer und afrikanischer Elefant haben sich nicht wie bisher angenommen vor fünf Millionen, sondern bereits vor 7,6 Millionen Jahren getrennt. Dieses Ergebnis mag nicht sensationell klingen, aber es elektrisiert Frühmenschenforscher: Genau zur gleichen Zeit begannen nämlich auch die Menschenaffen sich in verschiedene Arten aufzuspalten, aus denen am Ende der Mensch hervorging. Und in beiden Fällen begann diese plötzliche Artbildung in Afrika.

„Ein Klimawandel könnte der Auslöser gewesen sein“, vermutet Hofreiter: Elefanten und Menschenaffen streiften damals beide durch die Regenwälder Afrikas. Im Osten des Kontinents wurde es trockener, und den Bäumen fehlte die Feuchtigkeit. Zwischen den Regenwäldern tauchten bald mit Gras und einzelnen Bäumen bewachsene Lichtungen auf, die Ökologen als „Savanne“ bezeichnen. Beide, Menschenaffen und Elefanten, begannen diese Lichtungen zu nutzen. Bald entstanden aus den Savannentieren eigene Arten. Vor 6,7 Millionen Jahren spaltete sich dann der asiatische Elefant erneut, und es entstand eine ganz neue Elefantenfamilie, die Mammuts.

Die Parallelen in der Entwicklung zwischen Menschen und Elefanten aber gehen noch weiter: Vor vier Millionen Jahren änderte das Klima sich weiter, aus dieser Zeit kennen Forscher eine ganze Reihe Frühmenschenarten. Und genau zur gleichen Zeit spaltete sich nach den Daten der Leipziger und Genfer Forscher der afrikanische Elefant in zwei neue Arten, den Steppenelefanten Loxodonta africana und den Waldelefanten Loxodonta cyclotis. Auch da hatten Forscher bisher eine Trennung vor nur 2,6 Millionen Jahren vermutet.

Als Hofreiter und seine Kollegen dann die Veränderungen im Erbgut der Menschenaffen auf dem Weg zum Menschen mit denen bei den Elefanten verglichen, entdecken sie bald den Fehler, der in den früheren Bestimmungen steckt: „Bei den Elefanten häufen sich diese Veränderungen im Erbgut nur halb so schnell wie bei den Menschenaffen an“, erklärt der Forscher. Auch dieses Ergebnis passt hervorragend zu einem anderen Befund der Erbgutforscher: „Je größer das Gewicht der einzelnen Exemplare einer Tiergruppe ist, umso langsamer verläuft nicht nur ihr Stoffwechsel, sondern auch die Anhäufung von Veränderungen im Erbgut“, erläutert Hofreiter. Für die Evolutionsforscher haben diese Erkenntnisse über die Vorfahren der Elefanten enormes Gewicht. Und all das weiß man nur aus einem einzigen Mastodonzahn.

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