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Exzellenz-Maschine. Der Wissenschaftsrat spielt eine entscheidende Rolle im Elitewettbewerb. Im Bild eine Anlage auf dem Campus Garching der TU München.

© TUM Pressestelle

Ex-DFG-Chef: Wissenschaftsrat abschaffen: Winnackers Revanche

Der Wissenschaftsrat sei zu langsam und zu politisiert: Deshalb fordert der ehemalige DFG-Präsident Ernst-Ludwig Winnacker die Abschaffung des Wissenschaftsrats. Besonders gestört habe ihn das Gremium im Elitewettbewerb.

Der Wissenschaftsrat soll abgeschafft werden: Das fordert Ernst-Ludwig Winnacker der frühere Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). In einem Interview mit der „Deutschen Universitätszeitung“ sagte Winnacker über das wichtigste wissenschaftspolitische Beratungsgremium in Deutschland: „Ich halte wenig von diesem Gremium. Es ist viel zu sehr politisiert.“ Der Wissenschaftsrat sei „in seiner jetzigen Form nicht mehr zeitgemäß“. Seine Entscheidungen dauerten „viel zu lange“. Auch sei der Wissenschaftsrat „befangen“. Er beurteile im Auftrag der Politik die Zukunft von wissenschaftlichen Einrichtungen, über die die Politiker dann selber entscheiden würden. „Ich halte das für einen Interessenskonflikt.“

Winnacker bezieht sich ausdrücklich auch auf die Rolle, die der Wissenschaftsrat im Elitewettbewerb der Universitäten spielt: „Mein großes Problem bei der Exzellenzinitiative war immer der Wissenschaftsrat.“ Das Gremium führt die Exzellenzinitiative gemeinsam mit der DFG durch. Er ist für die dritte Säule des Wettbewerbs zuständig, für die Königsdisziplin, in der ganze Universitäten den Elite-Status gewinnen können.

Der Wissenschaftsrat gibt Bund und Länder seit 55 Jahren Empfehlungen, wie sich die Wissenschaft in Deutschland weiterentwickeln soll (siehe Kasten). Winnacker schlägt vor, das Gremium durch Ad-hoc-Kommissionen zu ersetzen, die ähnlich wie in der Schweiz, Österreich, Frankreich und den Niederlanden für aktuelle Fragen jeweils neu gebildet werden. Eine wichtige Rolle hat Winnacker dabei der Person zugedacht, die sein ehemaliges Amt inne hat: „Der DFG-Präsident könnte darauf hinwirken und helfen, solche Kommissionen zusammenzustellen.“

Ernst-Ludwig Winnacker, Ex-DFG-Chef.
Ernst-Ludwig Winnacker, Ex-DFG-Chef.

© promo

In Politik und Wissenschaft riefen Winnackers Äußerungen am Mittwoch heftige Gegenreaktionen hervor: „Das ist ein starkes Stück“, sagte Wedig von Heyden, einst Generalsekretär des Wissenschaftsrats. Das Gremium sei das einzige Instrument, mit dem Deutschland über sein „kompliziertes föderales Wissenschaftssystem den Überblick“ behalten könne. Von Heyden kann auch nicht erkennen, warum der Wissenschaftsrat politisch besonders „befangen“ sein soll: „Im Hauptausschuss der DFG sitzt die Politik genauso drin.“ Die Konstruktion bewirke zwar, das Kompromisse gemacht werden müssten. Sie steigere aber die Chancen dafür, dass Empfehlungen des Wissenschaftsrats auch wirklich umgesetzt werden. Im übrigen säßen auch Nicht-Wissenschaftler im Gremium, was zu einer „großen Realitätsnähe“ der Beschlüsse führe: „Ich kann Herrn Winnackers Vorschlag nicht nachvollziehen“, sagt von Heyden.

Der Wissenschaftsrat „bietet Gewähr dafür, dass politische Entscheidungen zumindest nicht ohne Kenntnis der wissenschaftlichen Positionen getroffen werden“, sagt auch Dieter Lenzen, Präsident der Uni Hamburg und Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz.

Der Berliner Politikwissenschaftler Friedhelm Neidhardt nennt Winnackers Vorstoß sogar einen „Schlag ins Wasser“. Neidhardt war in den 80er Jahren Mitglied des Wissenschaftsrats und schreibt gerade an einem Aufsatz über das Gremium. Im Wissenschaftsrat würden Vorabstimmungen zwischen Wissenschaft und Politik getroffen, die in der politischen Arena trotz allen opportunistischen Taktierens eine relativ hohe Verbindlichkeit hätten. Zudem sollen die Länder in ihren Haushaltsplänen die Empfehlungen des Gremiums berücksichtigen, wie im Verwaltungsabkommen über den Wissenschaftsrat festgelegt ist.

Auch Hans-Gerhard Husung, der Generalsekretär der Gemeinsamen Wissenschaftskommission von Bund und Ländern (GWK), lobt, der Wissenschaftsrat stehe für Qualität: „Durch seine Kontinuität und durch die Tiefe seiner Bohrung.“ Der Wissenschaftsrat hat eine Geschäftsstelle, die Informationen über die Entwicklung der Wissenschaft sammelt und damit erst die Basis für die Arbeit der Kommissionen schafft.

Kopfschütteln auch im Bundesforschungsministerium: Das hohe Ansehen des Wissenschaftsrates beruhe gerade auf der Souveränität der Wissenschaft und ihrem kontinuierlichen Dialog mit der Politik, sagt ein Sprecher. So sieht es auch Knut Nevermann, Berlins Staatssekretär für Wissenschaft. Winnackers Darstellung, der Wissenschaftsrat sei zu „politisiert“ sei „einfach falsch“. Vielmehr würden die Politiker von den Wissenschaftlern „eingebunden“. Das liege an der Struktur des Gremiums und seiner Arbeitsweise: Die Wissenschaftler in der Wissenschaftlichen Kommission machen Vorschläge, mit denen sich die Politiker in der Verwaltungskommission befassen und die sie dann mit ihren Anmerkungen versehen zurück an die Wissenschaftliche Kommission geben. Am Ende stünden Kompromisse, sagt Nevermann. „So ist es im Föderalismus nun mal.“ Davon habe Deutschland auch oft profitiert. Im zentralistischen Frankreich etwa blühe die Forschung in Paris, während sie im übrigen Land austrockne: „Herrn Winnackers Forderung ist für mich ein Beleg dafür, dass die Altersradikalität in der Wissenschaft zunimmt“, sagt Nevermann.

Michael Zürn, Direktor am Wissenschaftszentrum Berlin und 2005/06 Mitglied in der gemeinsamen Kommission für die Exzellenzinitiative, stimmt Winnacker hingegen teilweise zu. „Der Wissenschaftsrat ist zu langsam, befasst sich mit zu vielen Einzelfragen und schreibt allen Institutionen dieselben Verfahren vor, was dem wissenschaftlichen Wettbewerb widerspricht.“ Das Gremium müsse nicht abgeschafft, sondern reformiert werden, sagt Zürn.

Warum will Winnacker den Wissenschaftsrat aber nicht reformieren, sondern ganz abschaffen? Möglicherweise liegen die Ursachen in der Vergangenheit und in Winnackers hochschulpolitischer Meinung. Als die Politik die Exzellenzinitiative ins Leben rief, kämpfte er als DFG-Präsident darum, mehr Macht für die DFG zu erwirken. Sie sollte nicht nur die Auswahl der Graduiertenschulen und Cluster vorbereiten, sondern auch die der Eliteunis. Aus Sicht der Politik wäre die DFG davon aber überfordert gewesen.

Immerhin durfte die DFG sich an der Schlussentscheidung maßgeblich beteiligen. Winnacker löste dabei jedoch gemeinsam mit dem damaligen Vorsitzenden des Wissenschaftsrats, Peter Strohschneider, einen Skandal aus: Er nannte den Politikern im Bewilligungsausschuss nur die beiden Münchener Unis und Karlsruhe als „förderungswürdig“, so dass die Politiker vor vollendete Tatsachen gestellt wurden und Winnackers politisches Ziel, „viel Geld für wenig Universitäten“ mittragen mussten. Winnacker wurde auch vorgeworfen, die Vorentscheidung der Wissenschaftler in der Gemeinsamen Kommission zugunsten der Münchener Unis manipuliert zu haben.

Wenn Winnacker nun über eine Politisierung des Wissenschaftsrats in der Exzellenzinitiative klagt, dürfte er auf die Runde im Jahr nach dem Eklat anspielen. Damals sorgten Bundesbildungsministerin Annette Schavan und Berlins Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner dafür, dass durch Umschichtung von Mitteln der von den Wissenschaftlern vorgeschlagene Kreis der Exzellenzunis erweitert wurde – allerdings nur um solche Unis, die von den Wissenschaftlern als „förderungswürdig“ eingestuft worden waren.

Mehr Exzellenzunis – das ist jedoch so gar nicht nach Winnackers Geschmack. Vielleicht versucht er deswegen auch, mit seiner Kritik am Wissenschaftsrat die im Juni anstehende nächste Entscheidung des Gremiums im Elitewettbewerb zu diskreditieren.

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