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Laser-Optik-Forschung in Berlin

© dpa

Experimantalphysiker Eberhard Umbach: ''Wir wollen uns einmischen''

Nobelpreise, Spitzenforschung, gesellschaftliche Debatte - Eberhard Umbach ist Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Im Tagesspiegel-Interview spricht er über Quantencomputer, Berufsaussichten für Physiker und die Fußball-Bundesliga.

Herr Umbach, heute beginnt hier in Berlin die Physikertagung. Sie ist die größte in Europa und die Themen sind sehr aktuell: Klimawandel, Rüstungskontrolle und Raketenabwehr, Energieversorgung und Chancengleichheit. Wollen die Physiker die Welt retten?

Als Physiker wollen wir uns in die gesellschaftlichen Prozesse einmischen und mit Sachverstand kommentieren, was die Menschen bewegt. Die Physik legt die Basis für die anderen Naturwissenschaften und die Technik. So können grundlegende Erkenntnisse und Dinge entwickelt werden, die für die Gesellschaft nützlich sind.

Außenstehende denken oft, dass Physiker den ganzen Tag Experimente im Labor machen oder sich komplizierte theoretische Modelle für das Weltall ausdenken.

Das Bild ist unvollständig. Die Physiker sind längst an die Öffentlichkeit gegangen. Natürlich geht es oft um sehr detaillierte fachliche Dinge, die sich nicht leicht vermitteln lassen. Wir haben aber begriffen, dass man manchmal vereinfachend argumentieren muss.

Auf dem Kongress geht es auch um Börsenkurse und die Fußball-Bundesliga.

Theorien und Modelle, die wir für physikalische Fragen entwickelt haben, lassen sich auch auf gesellschaftliche Probleme anwenden. Mit Formeln, die man etwa für die massenhafte Bewegung von Teilchen entwickelt hat, kann man auch den Verkehr, das Verhalten von Börsen oder Aspekte der Migration beschreiben.

Viele Vorträge beschäftigen sich mit erneuerbaren Energien. Ist die Kernkraft kein Thema?

Die erneuerbaren Energien, etwa die Photovoltaik, sind auch Themen der Festkörperphysik – ein Schwerpunkt der Tagung. Wir haben aber auch einen Arbeitskreis, in dem der gesamte Energiemix, auch die Kernenergie, behandelt wird. Zur Energie- und Klimaproblematik hat die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) vor zwei Jahren eine Studie veröffentlicht, die viel Aufsehen erregt hat.

Warum?

Die DPG ist unabhängig von wirtschaftlichen und ideologischen Interessen und pflegt eine neutrale wissenschaftliche Sicht der Dinge. Ein wichtiges Ergebnis der Studie lautet: es ist vor allem unter Klimaschutzaspekten unsinnig, jetzt die Kernkraftwerke abzuschalten, denn das erhöht den Ausstoß an Kohlendioxid. Erneuerbare Energien stehen nicht schnell genug und nicht im nötigen Umfang zur Verfügung, um die Kernkraftwerke zu ersetzen. Das Abschalten macht 120 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr mehr als bisher aus. Damit verfehlen wir unsere Klimaschutzziele.

Unter dem Thema Energie oder Kernkraft können sich auch Nichtphysiker etwas vorstellen. Was verbirgt sich hinter Begriffen wie Spintronic oder Quantencomputer?

Spintronic ist relativ einfach zu erklären. Elektronen sind elementare Bausteine der Materie. Sie tragen eine Ladung, und ihre Bewegung in einem Schaltkreis ergibt den Strom. In den Computerchips bewirken sie die Rechenschritte und die Speicherung. Neben der Ladung besitzen die Elektronen auch einen Spin. Anschaulich gesprochen rotiert das Elektron um sich selber. Würde man neben der Ladung auch den Spin berücksichtigen, könnte man mehr speichern und geschickter rechnen. Wenn es gelingt, den Spin technisch zu verarbeiten, kann man neue Supercomputer bauen.

Steht am Ende der Quantencomputer?

Quantencomputer ist ein Oberbegriff über verschiedene neuartige Entwicklungen, dazu zählt auch der Spin. Wenn die Dimensionen immer kleiner werden, werden die Quanteneigenschaften dominierend. Dazu gehört der Spin, aber auch die Ladung.

Was sind Quanteneigenschaften?

Wenn die Dinge sehr, sehr klein werden, kommt man in den Quantenbereich. Das bedeutet, dass die Eigenschaften sich nicht mehr kontinuierlich ändern, sondern nur in bestimmten Portionen, den Quanten. Das kann man ausnützen, um zu schalten oder zu speichern.

Wo stehen die deutschen Physiker weltweit?

In einigen Bereichen sind sie absolute Spitze, in anderen sind sie vorne mit dabei. Alles in allem ist die Physik in Deutschland an der Weltspitze.

Es gab letztes Jahr ja auch den Nobelpreis.

Sogar zwei. Einmal für Peter Grünberg, der den Riesenmagnetowiderstand entdeckt hat. Auf dem Gebiet der Festkörperphysik, zu dem auch dieser Effekt und die Spintronic gehören, arbeiten in Deutschland viele Gruppen sehr erfolgreich. Ebenfalls Physiker ist Gerhard Ertl, auch wenn er den Chemienobelpreis erhielt. Er hat auf dem Gebiet der Oberflächenforschung Bahnbrechendes geleistet.

Damit haben wir zwei Gebiete, die Spitze sind.

Die Halbleiter-, die Nanoforschung, den Magnetismus und andere Gebiete kann man auch dazu rechnen, die alle auch auf unserer Tagung behandelt werden.

Weltweit gibt es Wettstreit um die besten Köpfe. Können unsere Universitäten und außeruniversitären Institute mithalten.

Ja. Auch wenn die Universitäten momentan sehr schlecht ausgestattet sind, liefern sie doch zum Teil herausragende Qualität. Die Max-Planck-Gesellschaft, die Helmholtz- und die Leibniz-Gemeinschaft sind teilweise phantastisch ausgestattet und haben international einen hervorragenden Ruf. Sie können ohne weiteres auch Spitzenforscher anziehen. Die Koppelung von beiden, Universitäten und außeruniversitären Einrichtungen, bringt dann einen großen Wettbewerbsvorteil, der es uns hoffentlich ermöglicht, in der Spitzenliga mitzuspielen.

Das Modell ist das KIT (Karlsruhe Institute of Technology), der Zusammenschluss von Universität und Forschungszentrum Karlsruhe?

Ja, aber auch andere Helmholtz Zentren verfolgen ähnliches. Beim Jara (Jülich-Aachen Research Alliance) kooperiert das Forschungszentrum Jülich mit der RWTH Aachen. Auch einige Max-PlanckInstitute arbeiten intensiv mit Universitäten zusammen. Doch das KIT ist das weitest gehende Modell.

Wie sind die Berufsaussichten für Physiker?

Sehr gut. Physiker mit Diplom oder Promotion haben kurze Zeit nach Abschluss und Bewerbung mehrere Angebote auf dem Tisch.

Da müssen Ihnen ja die Studenten die Bude einrennen.

So könnte man denken. Die Physik hat aber nach wie vor den Ruf, ein sehr schweres Fach zu sein. Problematisch ist es auch, dass in den Schulen immer weniger Physikunterricht gemacht wird. Dann müssen wir dringend die Lehrerausbildung verbessern und attraktiver machen. Im Rahmen des achtjährigen Gymnasiums planen manche Politiker, ausgerechnet in den Naturwissenschaften zu kürzen. Ich denke, diese Fächer gehören in einer modernen Gesellschaft zur Allgemeinbildung. Jeder, auch wenn er später Jurist oder Literaturwissenschaftler wird, sollte die grundlegenden Fakten in den Naturwissenschaften kennen, genauso wie ein Physiker Ahnung haben muss von guter deutscher Sprache, von Fremdsprachen oder Geschichte.

Haben Sie das dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger schon mitgeteilt, der ja Stundenkürzungen in den naturwissenschaftlichen Fächern vorgeschlagen hat?

Die DPG hat zusammen mit den Chemikern und Biologen dazu eine Presseerklärung verfasst. Wir halten es für sehr wichtig, dass Politiker solche Äußerungen vermeiden.

Das Gespräch führte Paul Janositz.

Eberhard Umbach (59). Der Experimentalphysiker leitet das Forschungszentrum Karlsruhe. Seit April 2006 ist er Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.

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