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Nicht nur im Hintergrund. Rekrutierungsvideos der Dschihadisten zeigen Frauen ebenfalls als Kämpferinnen.

© dpa

Extremismus im Netz: Die IS-Propagandistinnen

Wer Extremisten bekämpfen will, sollte die Frauen nicht außer Acht lassen. Das ergab eine systematische Analyse der Social-Media-Aktivitäten von IS-Unterstützern.

Terroristen sind meist Männer. Je aggressiver und gefährlicher ein Umfeld werde, desto marginaler sei die Rolle der Frauen, so will es das Stereotyp. Von den Dschihadisten des „Islamischen Staates“ (IS) würden sie bestenfalls „angelockt“, die Männer dagegen „rekrutiert“.

Dass diese Annahmen in die Irre führen, zeigen nun zwei Studien, die in den Fachblättern „Science“ und „Science Advances“ erschienen sind. In den 196 IS-Unterstützergruppen, die Forscher um Neil Johnson von der Universität von Miami auf dem russischen Facebook- Klon „VKontakte“ identifiziert und sechs Monate beobachtet haben, waren rund 40 Prozent der 100 000 Mitglieder Frauen. Sie heizten die Propagandamaschinerie nachdrücklich an und teilten unter anderem Rekrutierungsvideos, Überlebenstipps und Gebete doppelt so häufig wie die Männer.

Zudem waren sie besonders oft Knotenpunkte innerhalb eng geknüpfter Beziehungsnetzwerke. Mit ihrer Hilfe konnte sich der Einfluss der Extremisten bis in entfernte Gebiete ausdehnen. Sie hielten die Gruppen langfristig zusammen und kanalisierten die Finanzen. Das gemeinsame Feindbild formten die Frauen nicht nur, indem sie Bilder und Videos von Kindern verbreiteten, an deren Leid angeblich der Westen schuld sei. Sie teilten genauso blutrünstige Filme von Enthauptungen und zerstückelten Leichen.

Auch bei der IRA sorgten die Frauen für ein robustes Netzwerk

Dieses Muster sei nicht neu, schreiben die Forscher. Ab Ende der 1970er Jahre bestand das (Offline-)Terrornetz der IRA aus sich selbst organisierenden, weitgehend autonomen Einheiten. Die Zahl der Akteure nahm ab, die der Anschläge dagegen zu. Vor allem Frauen sorgten in dieser Zeit für ein robustes Netzwerk, ergab die Analyse. Auch wenn sie nach außen nicht als zentrale Figuren auftraten, um „unter dem Radar“ zu bleiben.

Das Katz-und-Maus-Spiel mit Geheimdiensten und Strafverfolgung beherrschen die Online-Netzwerke der IS-Unterstützer ebenso gut. Im Vergleich zu anderen Gruppen hätten sie sich erstaunlich an den Druck angepasst. Sie änderten ihre Namen, blieben für einige Zeit unsichtbar, um sich dann neu zu formieren.

Basierend auf ihren Beobachtungen gelang es den Forschern dennoch, das Extremisten-Verhalten in ein mathematisches Modell zu pressen. Dessen Vorhersagen könnten bei der Entscheidung helfen, welche Gruppen in dem chaotischen Online-Universum man infiltrieren oder verfolgen sollte, hoffen sie. Ein Vorschlag: Statt sich nur auf große Netzwerke zu konzentrieren, solle man auch die kleinen anvisieren, aus denen sie sich speisen. Eventuell könne das Modell auch die Wahrscheinlichkeit von Anschlägen errechnen.

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