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Lochte

© dpa

Exzellenzförderung: Elitefrust zum Jubiläum

Der Wissenschaftsrat hadert mit dem Wettbewerb. Geisteswissenschaften würden nicht genug berücksichtigt. Außerdem sei zu befürchten, dass einige Universitäten in die Viertklassigkeit abrutschen.

Dem Wissenschaftsrat ist die Freude am Elitewettbewerb gründlich vergangen. Ausgerechnet bei der Feier zum 50. Gründungsjubiläum wurde die große neue Aufgabe des Beratungsgremiums vehement in Frage gestellt – auch von Mitgliedern des Rats. Die Podiumsdiskussion, mit der die Feierlichkeiten am Mittwoch in Berlin im Deutschen Historischen Museum begann, geriet zum Abgesang auf die Exzellenzförderung, wie sie im Wettbewerb durch die Finanzierung von Graduiertenschulen, Forschungsclustern und Zukunftskonzepten der Universitäten geschieht.

„Unser System ist nicht geeignet, Exzellenz zu identifizieren“, sagte die Kieler Meeresforscherin Karin Lochte, Vorsitzende der Wissenschaftlichen Kommission des Wissenschaftsrats über das Gutachterverfahren im Wettbewerb. Ihr Eindruck über die Gutachter von Clustern im Elitewettbewerb: „Zu viele folgen Moden, es gibt zu viel Mainstream, Nano- und Neurowissenschaft.“ Der Wissenschaftsrat müsse überprüfen, „wie begutachtet wird“. Den Geisteswissenschaften werde der Wettbewerb keinesfalls gerecht.

Desillusioniert erschien auch Ulrich Herbert, der bis Januar 2007 Mitglied des Wissenschaftsrats war und im Entscheidungsgremium für die dritte Säule der Exzellenzinitiative saß. Er fürchtet, dass „die Differenzierung, wie sie der Wissenschaftsrat betreibt, der Haupteffekt der Exzellenzinitiative sein könnte“. „Wir kippen die Probleme der deutschen Universität beim schäbigen Rest ab“, sagte Herbert. Die Absicht, an den deutschen Universitäten „Exzellenz sichtbar zu machen“, führe zudem zu einer „Produktionsprostitution“. Wenn die Gutachter kommen, um sich ein Vorhaben erläutern zu lassen, „sind wir alle gehalten zu prahlen, anstatt Bescheidenheit zu pflegen“, die wahren Wissenschaftlern doch eigentlich entspreche.

Nicht nur auf die Spitzenföderung konzentrieren

Lochte warnte davor, neben der Spitzen- die Breitenförderung zu vernachlässigen. „Wir müssen ein viertes Drittel verhindern“, sagte Lochte. Damit meinte sie Universitäten, die im Elitewettbewerb leer ausgehen, daraufhin möglicherweise von Ländern und Drittmittelgebern fallen gelassen und dann in die Viertklassigkeit abrutschen. Julia Fischer, Professorin an der Uni Göttingen und am Deutschen Primatenzentrum sowie Mitglied der Jungen Akademie, beklagte Fördervorgaben im Elitewettbewerb, die die ohnehin überlasteten Spitzenforscher zur Interdisziplinarität zwingen würden – und zu möglichst imposanten Publikationslisten. „Honoriert wird nicht Substanz und gehaltvolles Arbeiten. Wer das macht, hat nicht die längste Publikationsliste“, sagte Fischer – und forderte eine „Entschleunigung des Systems“. Exzellente Leute bräuchten nicht zusätzlich gefördert zu werden. Kümmern müsse man sich vielmehr um die, „die in der Mitte sind“.

Die Verteidigung übernahm der ehemalige Vorsitzende der Hochschulrektorenkonferenz Peter Gaehtgens – aus dem Publikum. Sichtlich erschüttert appellierte er, „das Ganze nicht zu früh zu verdammen“, sondern dem Elite-Experiment eine Chance zu geben. Der Wettbewerb beziehe sich doch nur auf die Spitzenforschung; auch an Unis, die nicht erfolgreich seien, gebe es selbstverständlich Qualität. Doch selbst von höchster Stelle wurde der Elitewettbewerb nicht durchweg positiv gesehen. Bundespräsident Horst Köhler mahnte den Wissenschaftsrat in seinem Grußwort, darüber nachzudenken, „wie wir für alle Hochschulen den Anreiz erhalten, die eigenen Stärken auszubauen“. In künftigen Wettbewerben sollten die Exzellenzkriterien passgenauer für die Geisteswissenschaften sein, auch die Lehre sollte eine Rolle spielen.

Auch Wolfgang Frühwald, Germanist und Wissenschaftsmanager, warnte vor den Folgen des Wettbewerbsförderalismus, der durch den Elitewettbewerb und die Föderalismusreform in Gang gesetzt werde. Die Universitäten dürften „nicht nur als Trainingslager für Spitzenforschung“ betrachtet werden, „sondern auch als Ausbildungsstätten für anspruchsvolle, auf wissenschaftliche Methoden und Kenntnisse gründende Berufe“. Auch das „mittlere Leistungsfeld“ müsse weiter Zukunftschancen haben. Wenn der Wissenschaftsrat weiterhin als „Schule der Demokratie“ gelten wolle und damit auch als Modell eines europäischen Wissenschaftsrats, müsse es ihm gelingen, den föderalen Wettbewerb in der Wissenschaft gerecht mitzugestalten. 

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