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Die Bambara-Erdnuss, auch Erderbse genannt, ist eine Hülsenfrucht und stammt aus Westafrika.

© Kkibumba/Wikipedia

"Falling-Walls"-Konferenz in Berlin: Vergessene Pflanzen für die Ernährung der Welt

Gewächse wie die Erderbse sind nahrhaft, lecker und trotzen dem Klimawandel. Das Problem: Fast niemand kennt sie.

Topinambur-Cremesuppe statt Pommes. Falafel auf Gelbe-Bete-Mus statt Schnitzel. Das Mittagessen auf der „Falling Walls“-Konferenz war etwas Besonderes. Nicht nur, dass die Zutaten allesamt von Höfen in und um Berlin kamen. Die staunenden Blicke auch deutscher Teilnehmer zeigten, dass die meisten nicht wussten, was da auf ihren Tellern dampfte.

Haferwurzel, Steckrübe, Spitzkohl oder Schwarzer Winterrettich sind größtenteils in Vergessenheit geraten. Dabei hat zum Beispiel die Steckrübe im Ersten Weltkrieg Zehntausende vor dem Hungertod bewahrt. Als letzte Nahrungsreserve war sie im Winter 1916 Frühstück, Mittag und Abendbrot. Weltweit hungern auch heute noch geschätzte 815 Millionen Menschen, 98 Prozent davon leben in Entwicklungsländern. Die Auswahl der Speisen bei der „Falling Walls“-Konferenz war insofern kein Selbstzweck, sondern knüpfte unmittelbar an den letzten Vortrag vor der Mittagspause an.

"Wir dürfen uns nicht nur auf vier Pflanzen verlassen"

Sayed Azam-Ali will mit vergessenen Pflanzen den Hunger in der Welt bekämpfen. Der Professor von der Universität Nottingham sieht darin die größte Chance, die wachsende Weltbevölkerung mit Nahrung zu versorgen. Experten nehmen an, dass im Jahr 2050 etwa 9,7 Milliarden Menschen auf der Erde leben werden. Im Moment ruht die Last, sie zu ernähren, hauptsächlich auf vier Pflanzen. Mehr als 60 Prozent der Nahrungsmittel weltweit bestehen aus Mais, Reis, Weizen oder Soja. „Wir dürfen uns nicht darauf verlassen, dass diese Pflanzen uns auch in Zukunft ernähren werden“, sagte Azam-Ali.

Der Klimawandel stelle für die vier Hauptpflanzen eine große Gefahr da. Wenn auch nur eine von ihnen in Zukunft schlechter wachse, habe die Bevölkerung ein Problem. Die Antwort der Nahrungsmittelindustrie sei es, effizienter zu werden, mehr von dem zu ernten, was sowieso schon angebaut wird. Azam-Ali hält dagegen: „Wir Menschen haben 7000 Pflanzen landwirtschaftlich kultiviert. Wir müssen uns das Wissen darüber zurückholen.“

Seine Kollegen lachten Azam-Ali aus

Azam-Ali hat den Großteil seines Lebens diesem Kampf gewidmet. Als junger Wissenschaftler betrieb er Feldstudien in Indien und Afrika. Dort wurden Pflanzen angebaut, die in anderen Teilen der Welt nicht bekannt waren, manchmal nicht einmal im nächsten Dorf. „Das waren verwaiste, vernachlässigte Pflanzen, deren Namen in Europa niemand jemals gehört hatte“, sagte Azam-Ali. Seine Kollegen lachten ihn aus, als er die Gewächse näher untersuchen wollte. Wenn sie Potenzial hätten, hätte man das sicher schon herausgefunden, sagten sie ihm. Azam-Ali hörte nicht auf sie.

Besonders interessierte sich der Forscher für die Bambara-Erdnuss, auch Erderbse genannt. Die Hülsenfrucht wird hauptsächlich in Afrika südlich der Sahara angebaut, fast ausschließlich von Frauen. Das Sprichwort „Wenn ein afrikanischer Bauer stirbt, stirbt eine Bibliothek mit ihm“ bringt das Problem auf den Punkt. Das Wissen über die Pflanze war über Jahrhunderte ausschließlich mündlich weitergegeben worden. „Es gab zu der Zeit praktisch keine Studien über die Bambara-Erdnuss. Dabei ist sie nahrhaft, lecker und wächst auch in sehr trockenen Gebieten“, sagte Azam-Ali.

Sind die vergessenen Gewächse die Nahrungsquelle der Zukunft?

Er brachte sie mit nach England und fand in jahrelanger Forschungsarbeit Wege, sie auch in anderen Gegenden der Welt anzubauen, etwa im Mittelmeerraum.
Vernachlässigte Pflanzen wie die Bambara-Erdnuss haben großes Potenzial, die Nahrungsquellen der Zukunft zu werden. Und es gibt Tausende von ihnen. Mit der internationalen Forschungsorganisation „Crops for the Future“ (Pflanzen für die Zukunft) setzt sich Azam-Ali dafür ein, das Wissen über diese vergessenen Gewächse zu vermehren. Diese könnten eines Tages auch als Futtermittel, Baumaterial oder zur Gewinnung von Bioenergie dienen. Erst einmal aber werden sie Millionen leere Bäuche füllen müssen.

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