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Lange Arbeitstage. Die Forscher gingen extrem vorsichtig zu Werke, um jegliche Verunreinigung der Proben zu vermeiden. Deshalb dauerten die Arbeiten im Outback oft bis in die Nacht.

© Christian Hallmann

Falsche Schlüsse gezogen: Schmutz in Gesteinsproben narrt Geowissenschaftler

Streit um erste Mikroben mit Zellkern: Diese Organismen tauchten eine Milliarde Jahre später auf als manche Forscher bislang glaubten. Die vermeintlich sensationellen Proben waren verunreinigt.

Die Entwicklung des Lebens auf der Erde ist eine der faszinierendsten Forschungsgeschichten – und eine mit den meisten Fragezeichen. Je weiter die Ereignisse zurückliegen, umso weniger Zeugen sind über Jahrmillionen erhalten geblieben. Zu den umstrittenen Themen gehört das erste Auftreten von Einzellern mit Zellkern. Sie sind die Vorfahren aller höheren Tiere und damit auch des Menschen.

Vor 2,5 bis 2,8 Milliarden Jahren muss es diese Eukaryoten erstmals gegeben haben. Das ist das Ergebnis einer Studie im Fachmagazin „Science“ aus dem Jahr 1999. Doch einige Experten bezweifelten, dass die uralten Sedimentgesteine aus Westaustralien tatsächlich Biomarker enthalten, die auf solche Einzeller verweisen. Möglicherweise waren die Proben verunreinigt und verleiteten zu einer falschen Interpretation. „Die Kontaminationsfrage spaltete die Forscher allmählich in zwei widerstreitende Lager“, sagt Christian Hallmann vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. In einer aktuellen Studie zeigen er und weitere Kollegen, dass die sensationellen Proben sehr wahrscheinlich verschmutzt waren und das erste belegte Auftreten der Eukaryoten erst vor 1,5 Milliarden Jahren war.

Die Suche nach Biomarkern blieb ergebnislos

Das Team um Hallmann bohrte ebenfalls in die urzeitlichen Reste des Pilbara-Kontinents im heutigen Westaustralien, um bis zu 2,7 Milliarden Jahre alte Proben zu gewinnen. Sie arbeiteten extrem vorsichtig, verzichteten etwa auf synthetische Schmiermittel, um Verunreinigungen mit organischen Molekülen zu vermeiden. Die Bohrkerne wurden aufgeteilt und in mehreren unabhängigen Laboren analysiert. Mit einheitlichen Ergebnissen, wie die Forscher im Fachblatt „PNAS“ berichten.

Die Suche nach Resten bestimmter Fettmoleküle, die in Zellwänden von Eukaryoten enthalten sind (Steroide), blieb ergebnislos. Solche Substanzen hatten die Forscher der Studie von 1999 entdeckt – es waren offenbar Verunreinigungen, wie die neue Untersuchung zeigt. Mehr noch: Hallmanns Team fand in großen Mengen Diamondoide und polyaromatische Kohlenwasserstoffe. Diese Moleküle deuten darauf hin, dass organisches Material bei hohen Temperaturen chemisch verändert wurde, heißt es in einer Mitteilung des Instituts. „Biomarker-Moleküle hätten das nicht überlebt“, sagt Hallmann.

Die neue, alte Datierung passt gut zum ersten massenhaften Auftreten von Sauerstoff

Damit wird das erste Auftreten von Einzellern mit Zellkern auf 1,5 Milliarden Jahre zurückgeworfen. Aus dieser Zeit existieren unumstrittene Reste von Algen, die ebenfalls in Australien gefunden wurden. Diese Datierung passt im Übrigen auch gut zur massenhaften Sauerstoffproduktion per Photosynthese vor zweieinhalb Milliarden Jahren. Denn das Element ist zwingend nötig für Eukaryoten. Daher bestand stets die Frage, wie die vermeintlich extrem alten Einzeller schon Jahrmillionen vor dem „Great Oxidation Event“ hätten leben sollen. Das Problem wäre hiermit gelöst.

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