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Fledermäuse: Nachtflug über Europa

Auch Fledermäuse fliehen vor dem Winter – manche mehr als 1000 Kilometer weit.

Wenn der Winter kommt, fliegen viele Vögel in wärmere Gegenden – doch nicht nur sie. „Auch einige Fledermausarten ziehen weit mehr als 1000 Kilometer aus Lettland oder Litauen bis in ihr Winterquartier in Südfrankreich“, sagt Christian Voigt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin. „Bekannt ist über diese Wanderungen allerdings wenig, denn weil die Tiere fast ausschließlich in der Nacht unterwegs sind, lassen sie sich nur schwer beobachten.“ Während Menschen eine ziehende Schar Gänse oder Kraniche in der Abenddämmerung oft schon aus großer Entfernung aufgrund lauter Rufe erkennen, fliegen die Säugetiere lautlos vorüber.

Um etwas Licht in das Dunkel des Fledermauszuges zu bringen, haben die IZW-Forscher Christian Voigt und Ana Popa-Lisseanu nun die erste internationale Tagung zu diesem Thema organisiert. Sie beginnt an diesem Freitag in Berlin. Von dem Interesse ihrer Kollegen waren die Wissenschaftler selbst überrascht: „Wir hatten mit vielleicht 80 Teilnehmern gerechnet, doch mehr als 300 haben sich angemeldet!“

Einmal quer über den Kontinent

Die ersten Hinweise auf den Fledermauszug waren eher zufällig. Wie Vögel werden auch die fliegenden Säuger beringt. Wird eine markierte Fledermaus erneut gefangen oder tot aufgefunden, können die Forscher anhand der Ziffern- und Buchstabenfolge den Beringungsort identifizieren. Die Ringdaten zeigten, dass manche Fledermäuse aus Deutschland in Südfrankreich ihr Winterquartier hatten und Tiere aus dem Baltikum nach Süddeutschland oder Frankreich geflogen waren. Besonders der Kleine und der Große Abendsegler, die Rauhaut- und die Zweifarbfledermaus fallen als eifrige Wanderer auf. Andere Arten wie die Wasserfledermaus dagegen bleiben offenbar immer in der gleichen Region.

Doch die Funde zeigen nur wenige Punkte der Wanderung, während die Wissenschaftler gern die genauen Flugrouten wüssten: „Untersuchungen zeigen, dass viele Fledermäuse an Windkraftanlagen getötet werden“, berichtet Voigt. Die Flügel der Windräder erzeugen an bestimmten Stellen einen starken Unterdruck. Diese Bereiche können die Tiere mit ihrer Echoortung nicht erkennen und fliegen zufällig hinein. Der Unterdruck lässt die Blutgefäße platzen, und das Tier stirbt. Würden die Forscher die Flugrouten kennen, könnten sie Hinweise geben, wo Windkraftanlagen problemlos errichtet – und wo sie sich als Fledermaus-Killer entpuppen könnten.

Minisender auf dem Rücken

Erste genaue Einblicke in den Zug der Tiere gewann Heidi Richter von der Universität von Florida in Gainesville. Im Kasanka-Nationalpark in Sambia kletterte ein Naturführer für die Biologin immer wieder in die Bäume und fing einige Flughunde mit bloßen Händen. Kein leichtes Unterfangen, schließlich haben die Tiere eine Spannweite von bis zu 85 Zentimetern und beißen bei Gefahr. Die Flughunde wurden dann mit einem kleinen Satellitenortungsgerät ausgerüstet und ihre Reise so verfolgt. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Tiere anscheinend mit den Regenwolken aus dem Kongo-Becken bis nach Sambia ziehen; eine Strecke von mehr als 1000 Kilometern.

„Leider funktioniert diese Telemetrie bei mitteleuropäischen Fledermäusen nicht“, sagt Christian Voigt. Diese Tiere wiegen nämlich oft weniger als 20 Gramm und selbst der kleinste Minisender würde sie auf Dauer zu sehr belasten. Martin Wikelski vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell entwickelt daher noch kleinere Sender. Bis diese zur Verfügung stehen, dürften aber noch einige Jahre vergehen.

Haare sollen Hinweise über die Flugroute geben

Deshalb will Voigt den Weg der Tiere mit einer anderen Methode verfolgen. In Europa steigt die natürliche Konzentration des schweren Wasserstoffisotops „Deuterium“ im Niederschlag von Nordosten nach Südwesten deutlich an. Wenn Fledermäuse im Sommer ihr Fell wechseln, bauen sie das Wasser aus diesen Niederschlägen in das Keratin ihrer Haare ein. Überall in Europa fangen nun Naturschützer und Wissenschaftler Fledermäuse vor dem Eingang ihrer Winterquartiere und nehmen ihnen eine winzige Haarprobe ab.

Mit einem Massenspektrometer messen die IZW-Forscher dann den Deuteriumgehalt der Haare. Diese Konzentration zeigt ihnen, aus welcher Region die Fledermaus ungefähr stammt. Noch hat Voigt zu wenig Proben analysiert, um den Zug der Fledermäuse in Europa besser aufzuklären. Diese Ergebnisse dürften der zweiten Tagung zu diesem Thema vorbehalten bleiben, die mit Sicherheit bald der Auftaktveranstaltung folgen wird.

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