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Ein Mitarbeiter von CureVac forscht nach einem Impfstoff.

© Andreas Gebert/REUTERS

Update

Forscher arbeiten an Mittel gegen das Coronavirus: So läuft der Kampf um den Covid-19-Impfstoff

Das Mittel einer Tübinger Firma ist lange vor seiner Fertigstellung weltweit begehrt – und soll überall helfen. Doch US-Präsident Trump hätte es gerne exklusiv.

Es ist kaum mehr als eine Woche her, da konnte die Tübinger Biotech-Firma CureVac einen kleinen Triumph feiern. Ihr Vorstandsvorsitzender wurde zum US-Präsidenten Donald Trump ins Weiße Haus eingeladen, gemeinsam mit dem Chef des Bostoner Konkurrenten Moderna.

Beide Firmen entwickeln einen Impfstoff, der vor dem neuen Coronavirus Sars-CoV-2 schützen soll, beide mit einer neuartigen Technologie, die zwar noch nicht zugelassenen ist, die aber eine schnelle – die schnellstmögliche – Produktion von Millionen und Milliarden von Impfstoffdosen überhaupt möglich machen könnte.

Doch am Sonntag verbreiteten Medien das Gerücht, die US-Regierung wolle den deutschen Impfstoff gewissermaßen kapern. Die Tübinger sollten „mit hohen finanziellen Zuwendungen“ gedungen werden, die Vakzine zuerst und nur für den US-Markt zu produzieren – sobald es sie denn gibt.

Das sei „aus Regierungskreisen“ zu hören. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte am Sonntagabend, der Corona-Krisenstab der Regierung werde darüber am Montag sprechen. Bärbel Bas, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, ließ am Sonntag verlauten: „Wenn es einen Impfstoff gibt, muss er allen zur Verfügung stehen, alles andere wäre ein Skandal.“ Doch offenbar gibt es den gar nicht.

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„Wir wissen nicht, woher dieses Gerücht kommt“, sagte Franz-Werner Haas, Unternehmensvorstand von CureVac, dem Tagesspiegel. „Uns liegt kein Angebot vor. Und wir werden uns auch nicht an den Gerüchten darum beteiligen.“ Richtig sei, dass CureVac im Weißen Haus neben anderen Biotech-Firmen mit dem US-Präsidenten gesprochen habe, der signalisiert habe, „dass wir uns beeilen sollen - denn es gibt ein gesundheitspolitisches Problem“.

Das sei ein gewisser Ansporn, aber CureVac gehe es in erster Linie darum, überhaupt einen Impfstoff gegen Covid-19 zu entwickeln, „und erst im zweiten Schritt redet man darüber, an wen er verteilt wird.“ Das Fell des Bären zu verteilen, bevor man ihn erlegt habe, sei gerade in dieser Situation nicht hilfreich, sagte Haas dem Tagesspiegel. Christof Hettich, Geschäftsführer und Mitbegründer der dievini Hopp BioTech Holding des SAP-Gründers Dietmar Hopp, die 80 Prozent an dem Unternehmen hält, sagte dem „Mannheimer Morgen“: „Wir wollen einen Impfstoff für die ganze Welt entwickeln und nicht für einzelne Staaten.“ Investor und Mäzen Hopp sagte der Agentur Reuters: „Wenn es uns hoffentlich bald gelingt, einen wirksamen Impfstoff gegen das Coronavirus zu entwickeln, soll dieser Menschen nicht nur regional, sondern solidarisch auf der ganzen Welt erreichen, schützen und helfen können.“ Ihm gehe es auch um Arbeitsplätze in Deutschland.

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CureVac selbst teilte mit, man entwickele einen Impfstoff mit dem Ziel, Patienten weltweit zu helfen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) lobte, dass die Firma für US-Avancen „nicht zur Verfügung steht“ und diese „großartige Position“ klargestellt habe. Deutschland stehe „nicht zum Verkauf“, sagte Altmaier. Das Bundesforschungsministerium wies darauf hin, dass die Forschung mit staatlichen Geldern gefördert werde. Ein Beamter der US-Regierung bezeichnete den Zeitungsbericht als „vollkommen übertrieben“.

Warum gibt es schon jetzt Streit um den Impfstoffkandidaten aus Tübingen?

Anders als herkömmliche Impfstoffe, deren Herstellung ein monatelanger, anfangs sogar jahrelanger Prozess ist, könnte die Vakzine von CureVac innerhalb von sechs bis sieben Wochen produziert werden werden. „Schon seit Januar arbeiten wir daran, unter verschiedenen Impfstoff-Varianten die besten auszusuchen“, sagt Haas.

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In einer gerade erst im Dezember eröffneten Produktionsanlage könne seine Firma „mit einem Produktionsgang zehn Millionen Impfdosen produzieren“. Voraussetzung dafür ist, dass die Dosis des Covid-19-Impfstoff etwa so gering ist wie die Dosis des Tollwutimpfstoffs, den die Firma bereits an Menschen erfolgreich getestet hat: Schon die sehr kleine Menge von einem Mikrogramm – ein Millionstel Gramm – Tollwutimpfstoff löste bei den Probanden bereits nach zwei Injektionen eine erfahrungsgemäß ausreichend schützende Reaktion des Immunsystems aus, so Haas.

Gegen andere Coronaviren haben sich RNA-basierte Impfstoffe in der Vergangenheit zumindest im Tierversuch schon bewährt – gegen Mers-Coronaviren, die im Nahen Osten immer wieder von Dromedaren auf Menschen übergesprungen und teilweise auch von Mensch zu Mensch übertragbar sind.

Hintergrund über das Coronavirus:

Auch andere Firmen setzen auf RNA-Impfstoffe. So unterstützt nicht nur die Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI) CureVac mit 8,3 Millionen Euro. Auch die Bill-und-Melinde-Gates-Stiftung ist an der Firma beteiligt. Vor zwanzig Jahren, als die Firma gegründet wurde, habe kaum jemand auf die Technologie setzen wollen, sagt Haas. „Und wenn Investoren wie der SAP-Gründer Dietmar Hopp nicht frühzeitig an uns geglaubt hätten, dann würde es uns heute gar nicht mehr geben.“ Und damit keine realistische Hoffnung auf einen schnell verfügbaren Impfstoff gegen Covid-19.

Wie wirkt der Impfstoff?

Um einen Impfstoff herzustellen, muss dem Immunsystem ein Stück vom Virus präsentiert werden, etwa ein Protein aus der Hülle des Erregers. Wird dieses Protein in den Körper eines Menschen gespritzt, reagieren bestimmte Immunzellen im Blut, produzieren Antikörper und beseitigen den Eindringling. Außerdem „merken“ sich die Zellen das Virusprotein. Greifen nun Viren den Körper an, in deren Hülle dieses Protein vorkommt, erkennen die Immunzellen es wieder und reagieren sehr viel schneller und können den Körper so gut schützen, dass er nicht mehr erkrankt.

Die Produktion eines Impfstoffes dauert meist lange, diesmal soll es schneller gehen.
Die Produktion eines Impfstoffes dauert meist lange, diesmal soll es schneller gehen.

© Andreas Gebert/REUTERS

Der Haken solcher Impfstoffe ist, dass die Produktion der Proteine viel Zeit kostet. Doch die ist knapp. CureVacs Technik spart diese Phase ein, indem nur die Bauanleitung für das Virus-Protein in den Körper gepritzt wird – die sogenannte Boten-RNA. Die Zellen übersetzen diese Boten-RNA selbst in das Protein, das dann von Immunzellen als fremd erkannt wird und das Immungedächtnis aufbaut.

Der Vorteil ist, dass „diese Technik für verschiedene Erreger immer die gleiche ist“, sagt Mariola Fotin-Mleczek, ebenfalls Vorstandsmitglied von Curevac. Und selbst wenn sich das Virus im Laufe der Pandemie noch wesentlich verändern sollte, ließe sich der Impfstoff, der RNA-Bauplan, kurzfristig anpassen, ergänzt Haas.

Lässt sich die Prüfung und Zulassung des Impfstoffs beschleunigen?

Die Bostoner Firma Moderna, die lange nach CureVac gegründet wurde, arbeitet an einem auf dem gleichen Prinzip, RNA, basierenden Impfstoff und hat bereits in Seattle begonnen, Probanden für erste Tests zu rekrutieren – und zwar schon bevor es überhaupt Tests an Tiermodellen gegeben hat, wie es sonst vorgeschrieben ist. Es wird argumentiert, dass RNA-Impfstoffe in verschiedenen Studien bereits ihre Unverträglichkeit unter Beweis gestellt haben.

Und da es sich – anders als bei herkömmlichen Impfstoffen mit immer unterschiedlichen Wirkstoffen als Basis – immer um das gleiche Molekül handelt, sei es vertretbar, die Tierexperimente und andere präklinische Tests parallel durchzuführen. „Wir bevorzugen die klassische Methode“, entgegnet CureVac-Vorstandsmitglied Haas.

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„Am Ende des Tages spielt ja nicht der Start eine Rolle, sondern wann man schlussendlich einen wirksamen Impfstoff für die breite Anwendung in der Hand hat.“ CureVac suche derzeit in den präklinischen Tests mit verschiedenen Impfstoff-Varianten die zwei besten heraus, die dann für Tests an Probanden verwendet werden sollen.

Man stehe mit dem für Impfstoffzulassung zuständigen Paul-Ehrlich-Institut in Frankfurt in engem Kontakt und bereite eine klinische Studie in Deutschland und anderen europäischen Ländern vor. „Aber es hängt von den präklinischen Daten ab, ob wie geplant im Sommer die ersten Tests an Menschen stattfinden können.“

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Ein genaueres Datum kann Haas nicht nennen. „Es geht um die Sicherheit und Verträglichkeit und erst im zweiten Schritt um die Wirksamkeit, die Schutzfunktion der Vakzine.“ Es gäbe eben auch noch viele Unwägbarkeiten und Unwissen im Zusammenhang mit der Covid-19-Erkrankung.

So wisse man etwa noch nicht, wie stark das Immunsystem stimuliert werden muss, damit ein lang anhaltender Schutz vor den Erregern gewährleistet ist. „Bei Tollwut weiß man das, aber Sars-CoV-2 ist völlig neu.“ Auch der Leiter des Paul-Ehrlich-Instituts will und kann weder für den Start erster Tests an Menschen, noch gar für die Zulassung eines Covid-19-Impfstoffs ein konkretes Datum nennen: „Auf keinen Fall schnell genug für den jetzigen Ausbruch“, sagte Klaus Cichutek, Leiter des Paul-Ehrlich-Instituts, dem Tagesspiegel jüngst.

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Nur falls die Pandemie länger andauern sollte, mehr als ein paar Monate, „wäre ein begrenzter Impfstoffeinsatz im Rahmen klinischer Studien noch möglich”.

Welche vielversprechenden Impfstoffe sind sonst noch in der Entwicklung?

Außer RNA-basierten Impfstoffen gibt es noch andere, aussichtsreiche Vakzinentwicklungen aus Deutschland.

So baut ein gemeinnütziges Forschungskonsortium, an dem auch der Charité-Virologe Christian Drosten beteiligt ist, das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung, einen Impfstoff gegen Mers-Coronaviren so um, dass er vor Sars-CoV-2-Viren schützt. Gegen Mers scheint das Konstrukt – Tests aus 2019 an 24 Freiwilligen zufolge – erste Wirkung zu zeigen . Es basiert auf dem gleichen Prinzip wie Pockenimpfstoffe.

Weltweit gibt es mindestens acht weitere Impfstoffentwicklungen.

Eines haben alle gemein: Sie werden selbst bei erfolgreichen Tests an Menschen noch während dieser Epidemie nicht in ausreichender Menge produziert werden können, um irgendeinen Effekt auf die jetzige, akute und für Millionen, vor allem ältere und vorerkrankte Menschen lebensbedrohliche Ausbreitung nehmen zu können. Jetzt hilft nur eine Maßnahme: soziale Distanzierung.

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