zum Hauptinhalt
Vision. Vor ungefähr 4000 Jahren sind Mammuts ausgestorben. Jetzt versuchen Wissenschaftler, die Tiere mithilfe von Biotechnologie wieder zum Leben zu erwecken.

© Wikipedia/Royal BC Museum in Victoria (Canada)

Forscher wollen Tiere zum Leben erwecken: Mammutprobleme

Forscher auf der ganzen Welt arbeiten daran, ausgestorbene Arten wie das Mammut wiederauferstehen zu lassen. Bereits in diesem Sommer könnte das erste Tier zurückkehren.

Im Januar 2000 zerschmetterte ein umstürzender Baum den Schädel des letzten noch lebenden Pyrenäensteinbocks, eines Weibchens namens Celia. Es schien nur ein weiterer Name auf der langen Liste ausgestorbener Arten. Doch drei Jahre später geschah etwas Außergewöhnliches: In einem Labor in Saragossa in Spanien kam per Kaiserschnitt ein junger Pyrenäensteinbock zur Welt. Die Wissenschaftler hatten Zellen von Celia geklont und von einer verwandten Ziegenart austragen lassen. Es war die erste Wiederauferstehung eines ausgestorbenen Tieres. Sie währte nicht lang.

Das Jungtier lebte gerade sieben Minuten

„Wir konnten sofort sehen, dass etwas nicht stimmt“, sagt der Tierarzt Alberto Fernandez-Arias. Das Neugeborene rang um jeden Atemzug. Eine Obduktion zeigte später, dass die Lunge missgebildet war. Ein dritter Lungenflügel aus dichtem Gewebe behinderte die Atmung. Nach nur sieben Minuten war das Tier tot. „Alle blickten auf diesen kleinen, toten Körper, ganz angespannt und still. Jemand weinte“, erinnert sich José Folch. Der Pyrenäensteinbock war ein zweites Mal ausgestorben.

Die enttäuschten Forscher wendeten sich anderen Projekten zu und die Gruppe löste sich auf. Doch zehn Jahre später arbeiten die Wissenschaftler daran, das Wunder der Wiederauferstehung zu wiederholen. Und sie sind nicht mehr allein. „Der Pyrenäensteinbock ist nur der erste Schritt“, sagt der australische Forscher Michael Archer. Fortschritte in der Biotechnologie und im Umgang mit uralter DNS lassen es inzwischen möglich erscheinen, selbst Tiere, die vor tausenden Jahren ausgestorben sind, zurückzuholen.

Sie wollen Dodos zurückbringen, Wandertauben und Höhlenlöwen

Die neuen Techniken seien mächtige Werkzeuge, um das vom Menschen verursachte Massensterben aufzuhalten, sagt Archer. Er versucht, den Magenbrüterfrosch zurückzubringen. Die Weibchen dieser außergewöhnlichen Amphibienart schluckten ihre befruchteten Eier herunter, so dass der Nachwuchs sich im Magen entwickeln und nach zwei Monaten aus dem Maul der Mutter schlüpfen konnte. Das Tier ist seit den 80er Jahren ausgestorben. Andere Forscher gehen weiter zurück: Sie wollen Dodos zurückbringen, Wandertauben, Höhlenlöwen, Mammuts.

Aus der Vergangenheit. Pyrenäensteinböcke wurden wegen ihrer Hörner gejagt - und ausgerottet. Sie könnten bald wiederkehren.
Aus der Vergangenheit. Pyrenäensteinböcke wurden wegen ihrer Hörner gejagt - und ausgerottet. Sie könnten bald wiederkehren.

© Wikipedia

Dinosaurierzoos à la „Jurassic Park“ wird es auf absehbare Zeit aber kaum geben. Die Riesenechsen sind vor 65 Millionen Jahren ausgestorben und nach dem heutigen Stand der Wissenschaft lassen sich nicht einmal winzige Bruchstücke ihres Erbguts rekonstruieren.

Doch sollte die Menschheit ausgestorbene Arten überhaupt wiederbeleben? Nein, sagt der US-Forscher Paul Ehrlich. Die wissenschaftliche Wiederauferstehung könnte den Tod weniger endgültig erscheinen lassen und so die Hemmschwelle senken, andere Tierarten aussterben zu lassen, warnt er. „Ich halte das Ganze für massive Geldverschwendung“, sagt auch Tom Gilbert, der am Dänischen Naturkundemuseum in Kopenhagen das Erbgut ausgestorbener Tiere untersucht. „Warum versuchen wir nicht erst einmal die Tiere zu retten, die noch leben, aber vom Aussterben bedroht sind?“

Das Klonschaf "Dolly" machte Hoffnung

Genau das hatte Fernandez-Arias zunächst versucht. 1989 übernahm der junge Tierarzt sein erstes großes Projekt: den Pyrenäensteinbock vor der Ausrottung zu retten. Das imposante Tier war im Mittelalter weit verbreitet gewesen. Doch seine großen, elegant geschwungenen Hörner waren eine begehrte Trophäe für Jäger aus aller Welt. Schon 1913 galt er als ausgerottet. Dann wurde eine Gruppe Tiere entdeckt, die im Ordesa-Tal überlebt hatte. Das Tal wurde zum Nationalpark erklärt, der Pyrenäensteinbock unter Schutz gestellt. Doch sein Schicksal war längst besiegelt.

Als Fernandez-Arias seine Arbeit begann, gab es noch rund ein Dutzend Tiere. Er lernte, wie der Pyrenäensteinbock am besten zu fangen war und untersuchte die Fortpflanzung des nahe verwandten Iberiensteinbocks. Das Ziel: die letzten Exemplare des Pyrenäensteinbocks bei der Fortpflanzung zu unterstützen. Doch die Tiere wurden immer weniger. 1996 starben zwei der letzten drei Tiere. „Das war das härteste Jahr“, sagt Fernandez-Arias. Es schien an der Zeit, aufzugeben. Doch im selben Jahr kam das Schaf Dolly zur Welt, das erste geklonte Säugetier. Und Fernandez-Arias schöpfte wieder Hoffnung. Die Forscher fingen Celia ein, betäubten sie und nahmen Gewebeproben aus Ohr und Flanke des Tieres. Die Zellen wurden eingefroren und in zwei Labors gebracht.

Forscher glauben, dass auch Mammuts zurückkehren könnten

Diese Zellen könnten nun der Ursprung einer neuen Generation von Pyrenäensteinböcken werden, hofft Fernandez-Arias. Anfang des Jahres haben Folch und er erneut einige Zellen aufgetaut. Auch nach 14 Jahren in der Tiefkühltruhe teilten und vermehrten sie sich. Die Wissenschaftler wiederholten, was sie bereits 2003 gemacht hatten: Sie entfernten den Kern aus der Eizelle einer Ziege und schleusten stattdessen eine Zelle von Celia ein. Dann ließen sie die beiden Zellen miteinander verschmelzen und regten sie durch einen kurzen Stromstoß an, sich zu teilen. Das Ergebnis waren lebende Embryos eines ausgestorbenen Tieres.

So könnte ein Mammut wieder zum Leben erweckt werden.
So könnte ein Mammut wieder zum Leben erweckt werden.

© TSP/Bartel

Einige Forscher glauben, dass dasselbe auch mit dem Mammut gelingen könnte. 2007 entdeckte ein sibirischer Rentierhirte im Eis ein Mammutbaby. Der mehr als 40 000 Jahre alte Kadaver war so gut erhalten, dass Biologen noch Reste der Muttermilch im Magen des Tieres nachweisen konnten. In so einer Leiche könnten Zellen die Jahrtausende unbeschadet überstanden haben, hoffen Forscher. Aus ihnen will etwa ein Team um den umstrittenen südkoreanischen Stammzellforscher Hwang Woo-Suk ein Mammut klonen.

Tatsächlich sind die Chancen aber gering. Wenn ein Tier stirbt, bricht die Versorgung seiner Zellen zusammen. Sie bekommen keinen Sauerstoff mehr, Kohlendioxid sammelt sich an. Die feine Balance, die in jeder lebenden Zelle herrscht, gerät aus dem Gleichgewicht, die Eiweißmoleküle verrichten ihre Arbeit nicht mehr, das Erbgut beginnt zu zerfallen. Zugleich bröckeln die Barrieren des Körpers. Bakterien aus dem Darm dringen ein und beginnen ebenfalls, Zellen zu zersetzen und das Erbgut zu zerstückeln. Der Verfall in den Zellen setze viel schneller ein, als ein totes Tier in der Natur eingefroren werde, sagt der Genetiker Gilbert. „Darum ist es äußerst unwahrscheinlich, jemals eine intakte Mammutzelle zu finden, selbst in einem perfekt erhaltenen Tier.“

Genetiker wollen das Erbgut von Elefanten umschreiben

Die meisten Forscher verfolgen eine andere Strategie. Statt konservierte Zellen zu klonen, wollen sie das Erbgut lebender Tiere umschreiben. Im Fall des Mammuts heißt das: Sie wollen in den Zellkern eines Elefantenembryos eingreifen und seinen genetischen Code Buchstabe für Buchstabe in den eines Mammuts verwandeln. Das hat Vorteile. Die Forscher benötigen lediglich die Erbgutsequenz des Tieres und die liegt inzwischen für zahlreiche ausgestorbene Tiere vor. Denn auch wenn das Erbgut in zahlreiche kleine Stücke zersplittert ist und die Zelle es nicht mehr ablesen kann, lässt es sich am Computer wieder zusammensetzen. Eine erste Fassung des Mammutgenoms wurde bereits 2008 veröffentlicht.

„Das Erbgut eines Mammuts unterscheidet sich nur zu einem halben Prozent von dem eines asiatischen Elefanten“, sagt Michael Hofreiter, Paläogenetiker an der Universität Potsdam. Bei vier Milliarden Buchstaben, macht das zwar immer noch 20 Millionen Unterschiede. „Aber die meisten davon werden irrelevant sein. Am Ende sind vielleicht nur 200 000 wichtig“, sagt er.

Das Ergebnis wäre ein Mischwesen, ein Mammufant

George Church, Genetiker an der Harvard-Universität in den USA, hat schon einmal mit dreien begonnen. Er habe die Hautzellen eines Elefanten im Labor so verändert, dass sie die Mammutgene für Haare, Unterhautfettgewebe und eine kälteangepasste Hämoglobinvariante tragen, sagt er. Church will diese Zellen nun in Stammzellen verwandeln und dann aus ihnen Gewebe züchten: Haare, Fett und Blut. „Das wird einige Monate dauern, aber wenn alles funktioniert, könnten wir dann einen Embryo wachsen lassen“, sagt er.

Das Ergebnis wäre kein Mammut, sondern ein haariger Elefant, ein Mischwesen, ein Mammufant. Aber mit genug genetischen Veränderungen könnte aus dem Mischwesen ein Mammut werden, glaubt Hofreiter. „Da wird es sehr philosophisch. Wenn wir haarige Elefanten haben, die aussehen wie ein Mammut und sich verhalten wie ein Mammut und in der Kälte leben können, dann sind das für mich Mammuts.“

Es ist schwer, eine geeignete Leihmutter zu finden

Kein Mensch weiß allerdings, ob ein Elefantenweibchen ein Mammutbaby zur Welt bringen kann. Die Leihmutter ist eine der größten Hürden, die es zu überwinden gilt. Ausgestorbene Tiere, wie der Beutelwolf, die keine lebenden Verwandten haben, sind umso schwerer zurückzuholen. Und auch die Riesenseekuh dürfte nur schwer wiederzubeleben sein. Zwar gibt es heute noch lebende Seekuharten. Die werden aber nur zweieinhalb bis vier Meter lang. Die Riesenseekuh, die im 18. Jahrhundert ausgerottet wurde, erreichte acht Meter. „Das ist so, als würde man einen Deutschen Schäferhund von einem Chihuahua austragen lassen“, sagt Gilbert.

Das Team um Fernandez-Arias experimentierte zunächst damit, die Embryos des Pyrenäensteinbocks in Hausziegen einzupflanzen. Die Föten entwickelten sich, doch nach etwa 100 Tagen lief etwas schief. Die Muttertiere stießen den fremden Nachwuchs ab, sie gebaren tote, regelrecht mumifizierte Babys. Erst durch einen Trick akzeptierten die Muttertiere die fremden Föten: Die Wissenschaftler implantierten ihnen gleichzeitig einen Steinbockembryo und einen Ziegenembryo, eine Methode, die sie „Parasitenembryo“ nannten. Nun nutzen die Forscher allerdings eine andere noch erfolgreichere Methode. Sie kreuzen weibliche Ziegen mit Männchen des Iberiensteinbocks. Ihre Nachfahren tragen die Klone von Celia aus. Im März haben die Forscher um Folch und Fernandez-Arias einigen dieser Tiere Embryos eingepflanzt. Wenn alles gut läuft, könnten im August Pyrenäensteinbockbabys geboren werden.

Genetische Vielfalt ist nötig, damit die Nachkommen nicht wieder aussterben

Selbst dann blieben noch genug Herausforderungen. Da nur Zellen von Celia erhalten sind, können Forscher zunächst nur Weibchen klonen. Um männliche Pyrenäensteinböcke zu erzeugen, könnten sie zum Beispiel das Y-Chromosom einer Ziege übertragen, schlägt Church vor. Und um nicht nur genetisch identische Tiere zu haben, könnten Genetiker das Erbgut ausgestopfter Tiere in Museen entziffern und die Änderungen einbauen. Viele Forscher glauben, dass diese genetische Vielfalt nötig sein wird, wenn die Tiere nicht sofort wieder aussterben sollen. „Das Ziel ist es, wieder eine gesunde Population dieser Tiere in den Pyrenäen zu haben“, sagt Fernandez-Arias.

Die Mammuts sollen dagegen im Norden Sibiriens leben. Church und andere glauben, sie könnten dort sogar helfen, die Erderwärmung zu bremsen. Die Hoffnung: Die riesigen Pflanzenfresser würden die Tundra wieder in Grasland verwandeln und so mehr Kohlendioxid binden.

Im Fachjournal „Science“ haben der Jurist Andy Sherkow und der Bioethiker Henry Greely dieses sowie weitere Argumente der Forscher gegeneinander abgewogen. Der „größte Vorteil“ sei aber ein anderer, schreiben sie: „Es wäre sicher ziemlich cool, ein lebendes Mammut zu sehen.“

Zur Startseite