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Die Bayer-Bibliothek. Der Pharmakonzern verfügt über eine umfangreiche Sammlung von Wirkstoffen, die gegen Krebs getestet werden.

© Bayer Healthcare

Forschung: Gemeinsam den Krebs bekämpfen

Heidelberger Tumorforscher und Bayer kooperieren. Es ist ein Beispiel einer gelungenen Partnerschaft zwischen öffentlich geförderter Wissenschaft und Industrie.

Noch vor 20 Jahren wäre eine enge Zusammenarbeit von staatlichen Forschungszentren und privaten Unternehmen sehr ungewöhnlich gewesen. Heute ist sie schon fast die Regel. So wie zwischen dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg und dem Arzneimittelhersteller Bayer Healthcare. Vor zwei Jahren gaben sich beide das Jawort, um eine „strategische Allianz“ einzugehen. Jetzt wurde diese um weitere drei Jahre verlängert. Insgesamt investieren beide Seiten je fünf Millionen Euro über fünf Jahre.

„Die erste Zwischenbilanz nach zwei Jahren ist erstaunlich positiv ausgefallen“, sagte DKFZ-Vorstandsvorsitzender Otmar Wiestler am gestrigen Montag vor der Presse. Die Zusammenarbeit mit Bayer Healthcare sei eine der erfolgreichsten und wertvollsten Kooperationen des DKFZ, Beispiel einer gelungenen Partnerschaft zwischen öffentlich geförderter Wissenschaft und Industrie, einer „public private partnership“.

Für Andreas Busch, bei Bayer Healthcare für Arzneientwicklung zuständig, ist die Kooperation auch Ausdruck einer gewandelten Kultur in der Pharmaindustrie, in der früher ein „Silodenken“ beherrschend war. „Man schottete sich nach außen ab, weil man Angst hatte, Geheimnisse preiszugeben“, sagte Busch.

Im Zentrum der Zusammenarbeit steht das Fahnden nach Targets. In der Krebsmedizin versteht man darunter Eiweißmoleküle, die beim Entstehen und Wachsen von Tumoren entscheidend sind. Hat man eine solche Schwachstelle der Krebszelle gefunden, sucht man nach Wirkstoffen, mit denen man sie beeinflussen kann. Während die Wissenschaftler des DKFZ vor allem Spezialisten beim Erforschen der Krebsentstehung sind, kann Bayer auf eine große Sammlung von Substanzen zurückgreifen, die als Wirkstoffe infrage kommen. Von der Kooperation erhofft man sich, dass neue Therapien rascher entwickelt werden.

Insgesamt neun Vorhaben betreiben Bayer und das DKFZ. Wie sehr die Forschung dabei ins Detail geht, zeigt ein Projekt, in dem es um die Polkörperchen von Krebszellen geht. In einer intakten Zelle sind Polkörperchen dafür zuständig, bei der Zellteilung die Chromosomen als Träger des genetischen Materials gleichmäßig auf beide Tochterzellen zu verteilen.

Krebszellen haben jedoch häufig mehr als zwei Polkörperchen. Das kann zu Chaos beim Verteilen der Chromosomen auf die Tochterzellen führen – und damit zum Tod der Krebszelle. Die Tumorzelle entgeht der Selbstzerstörung, indem sie ihre Polkörperchen zu insgesamt zwei Bündeln zusammenfasst. Damit funktioniert die Chromosomenverteilung wieder, die Krebszelle ist gerettet.

„Wenn man einen Weg findet, um diese Bündelung überzähliger Polkörperchen zu verhindern, könnte man die Tumorzellen zum Absterben bringen“, sagte DKFZ-Forscher Alwin Krämer. Die Wissenschaftler haben 82 Eiweißmoleküle (Proteine) ausfindig gemacht, die an diesem Prozess beteiligt sind. Gemeinsam mit Forschern von Bayer sucht man nun nach Wirkstoffen, mit denen einige dieser Proteine blockiert werden und so die Selbstreparatur der Krebszelle verhindert wird.

Für Bayer zählt, am Ende ein neues Medikament in der Hand zu haben, für Wissenschaftler ist dagegen das Veröffentlichen von Forschungsergebnissen in hochrangigen Fachzeitschriften entscheidend. Für Wiestler ist das kein Widerspruch. Die Allianz werde das Publizieren nicht behindern, weil das Absichern der Ergebnisse über eine Patentierung mittlerweile sehr rasch erfolge und die Publikation kaum verzögere.Hartmut Wewetzer

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