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Umstritten. Wie weit dürfen Kinderwunschbehandlungen gehen?

© dpa

Fortpflanzungsmedizin: Angeblich wurde in Mexiko ein "Drei-Eltern-Baby" geboren

Wer bei einer Kinderwunschbehandlung schadhaftes Erbgut von Zellkraftwerken austauschen will, braucht das Erbgut zweier Mütter und eines Vaters. In vielen Ländern ist die Methode noch nicht erlaubt. In Mexiko wurden derweil Fakten geschaffen.

Etwa 20 Jahre hatten die 36-Jährige aus Jordanien und ihr Mann versucht, Kinder zu bekommen. Sie hatte vier Fehlgeburten, ein Baby verlor sie mit acht Monaten, eine Tochter wurde sechs Jahre alt. Beide litten am Leigh-Syndrom, einer seltenen Erbkrankheit der Zellkraftwerke (Mitochondrien). Nun hat die Frau einen gesunden Jungen zur Welt gebracht und erregt damit weltweit Aufmerksamkeit. Denn möglich wurde das mit einer umstrittenen Keimbahntherapie. Der Junge, über dessen Zeugung Forscher in drei Wochen auf der Konferenz der Amerikanischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin in Salt Lake City berichten werden, ist wohl das erste „Drei-Eltern-Baby“.

Mitochondrien sind in jeder Zelle für die Energieversorgung zuständig und haben ihr eigenes Erbgut: 37 Gene, die nur die Mutter weitergibt. Unter anderem für Herz, Hirn und Muskeln ist es ungünstig, wenn sie durch einen Erbgutdefekt zu schwach sind oder ganz ausfallen. Es gibt keine Heilung. Eltern sind mitunter verdammt, ihrem Kind beim Sterben zuzusehen.

Das Team wollte nicht warten, sondern wich auf Mexiko aus

Das britische Unterhaus hat daher 2015 entschieden, in solchen Fällen eine Keimbahntherapie zuzulassen. Schließlich sind von der Korrektur keine Informationen betroffen, die die Identität eines Menschen ausmachen. Noch laufen die Beratungen, unter welchen Bedingungen Krankenhäuser die Behandlung dort anbieten dürfen. In den USA befanden Berater der Aufsichtsbehörde FDA, dass die Technik bei männlichen Embryonen ethisch akzeptabel wäre. Klinische Versuche am Menschen konnten aber noch nicht beginnen.

Das Kind, von dem der „New Scientist“ erfahren hat, ist dementsprechend weder in Großbritannien noch in den USA geboren. Vielmehr ist das internationale Team um John Zhang vom New Hope Fertility Center in New York auf Mexiko ausgewichen. Sie verwendeten die Spindel-Transfer-Methode, heißt es in der Ankündigung des Konferenzvortrags. Bei der Technik werden aus einer Spender-Eizelle alle Chromosomen entfernt. In diese Hülle mit gesunden Mitochondrien werden dann die Chromosomen mit dem Erbgut der Mutter eingefügt. Anschließend wird die neu zusammengesetzte Eizelle künstlich befruchtet.

Ein problematisches Beispiel für Fruchtbarkeitskliniken

Nach fünf Versuchen entstand ein gesunder Embryo, ihn setzten die Forscher der Frau ein. Der kleine Junge ist nun drei Monate alt und augenscheinlich gesund, heißt es in der Vortragsankündigung. In weniger als zwei Prozent seiner Zellen haben die Genetiker kranke Zellkraftwerke gefunden.

Nach Mexiko auszuweichen, sei problematisch, sagt Bert Smeets von der Universität Maastricht. Strenge Regeln sorgten nicht nur für die sichere Umsetzung der Methode. Die Gesundheit dieser Kinder müsse zentral, standardisiert und über Jahre verfolgt werden. Der Stammzellforscher Dusko Ilic vom King’s College London mahnt, dass Forscher möglichst bald die Details der Studie erfahren sollten. Ein Risiko sei, dass andere Fruchtbarkeitskliniken nun ebenfalls verfrüht vorpreschen. „Das könnte gefährlich sein, weil verständlicherweise ungeduldige Patienten dann dort Hilfe suchen, wo es die wenigsten Regeln gibt“, sagt er.

Dünne Datenlage für eine Gentherapie

„Als Wissenschaftler bin ich etwas erschrocken, dass angesichts der dünnen und zweifelhaften Datenlage solch ein Experiment ausgeführt wurde“, kommentiert der Zoologe Klaus Reinhardt von der Technischen Universität Dresden die Nachricht. „Als Privatperson hoffe ich, dass Vorhersagen über eventuelle mögliche Gesundheitsschäden falsch sind, dass das Kind gesund aufwachsen wird und somit nicht bei Betroffenen falsche Hoffnungen geweckt worden sind.“ Für das jetzt benutzte Verfahren gebe es keine Risikoabschätzung. Bisherige Ergebnisse aus Tiersuchen und menschlichen Zellen seien zumindest zweideutig. „Für eine Gentherapie ist das ein sehr unbefriedigender Zustand.“

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