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Seite an Seite. Frauen protestieren in Kairo gegen Übergriffe von Militärs.

© REUTERS

Frauenrechte in arabischen Ländern: Sie sind die Verliererinnen der Revolution

Was die Einführung der Scharia in das Familienrecht bedeuten könnte, erläuterten jetzt arabische Politologinnen und ein Jurist in Berlin. Die zunehmende Islamisierung machen die Frauen in Ägypten und Tunesien schon jetzt zu den Verliererinnen der Revolution.

Es gibt eine ägyptische Filmkomödie, die die Gleichstellung von Frauen und Männern im arabischen Raum auf den Punkt bringt. In „Meine Frau, der Generaldirektor“ erteilt eine Ehefrau ihrem Gatten als Chefin einer Firma Befehle. Sobald die beiden zu Hause sind, wird er jedoch zum Pascha und schickt sie an den Herd.

Die „postrevolutionären“ Länder Ägypten, Tunesien und Libyen, die derzeit an neuen Verfassungen schreiben, stehen beim Thema Gleichberechtigung vor einem Dilemma: Einerseits sollen die bürgerlichen Rechte der Frau nach internationalen Standards garantiert werden. Gleichzeitig wollen die überwiegend religiösen Volksvertreter die konservativen Werte der Gesellschaften berücksichtigen. Vor allem die Familienpolitik soll auf Grundlage der Scharia, des religiösen Gesetzes des Islam, entworfen werden.

Nach Ansicht arabischer Wissenschaftler, die jetzt in der Humboldt-Viadrina School of Governance über den Einfluss von Religion bei der Verfassungsgebung diskutierten, könnten die Rechte von Frauen dabei massiv eingeschränkt werden. Nach Lage der Gesetzentwürfe erklären die beiden Politikwissenschaftlerinnen Hoda Salah und Sonja Zayed und der Jurist Naseef Naeem die Frauen zu Verliererinnen der Revolution. Obwohl viele Demonstrierende auf dem Tahrir-Platz und auch in Tunesien weiblich waren, drohen Frauen bald wieder hinter dem „Schleier der Konvention“ (Moderator Udo Steinbach) zu verschwinden.

Es wäre nicht das erste Mal. Bereits während der ersten arabischen Revolte nach dem ersten Weltkrieg kämpften Frauen gemeinsam mit Männern gegen die Aufteilung arabischer Staaten unter den kolonialen Siegern. Gleichzeitig galten islamische Familiengesetze unter den Besatzern weiter: Frauen konnten verstoßen werden, Männer hatten oft mehrere Frauen. Die zweite Revolte folgte mit Ende des Kolonialismus in den 50ern. In Tunesien wurden Frauenrechte von oben durchgesetzt: Frauen durften allein reisen, Unternehmen gründen. Die Vielweiberei wurde abgeschafft, Abtreibung straffrei.

Nicht für alle Frauen bedeutete das Freiheit. Der 2011 geflohene Diktator Ben Ali verfolgte einen streng anti-islamischen Kurs und stellte auch das Kopftuch unter Strafe. Dennoch haben arabische Länder wie Ägypten und Tunesien gerade durch die Förderung von Frauen in der Öffentlichkeit eine starke feministische Tradition. Ägypten hat 1981 als einer der ersten Staaten die internationalen Frauenrechte ratifiziert, an Hochschulen gibt es 30 Prozent Professorinnen. In Tunesien arbeiten Frauen seit 1936 als Ärztinnen, seit 1960 als Kapitäninnen und sind heute häufig im Polizei- und Militärdienst.

Diese Errungenschaften werden momentan infrage gestellt. Als Bürgerrecht ist die Gleichstellung der Frau in den derzeitigen Verfassungsentwürfen noch denkbar, beim Familienrecht wird ihre Freiheit aber eingeschränkt. Wo immer gewählt wurde, haben religiöse Vertreter viel Macht erhalten. So viel, dass selbst liberal denkende Mitglieder des ägyptischen Parlaments meinen, sich religiös legitimieren zu müssen und sich als „gläubige Muslime“ bezeichnen, „die überzeugt sind von einer säkularen Verfassung“, sagt Hoda Salah.

Ihre große Sorge ist, dass es für Frauen angesichts der zunehmenden Islamisierung eine Verschlechterung im privaten Bereich geben wird. Alleinerziehende Mütter werden als „Schande“ bezeichnet und der Menschenrechtsminister möchte die Polygynie in der Verfassung verankern. Dabei seien Frauen ohnehin oft zerrissen zwischen ihrer öffentlichen Rolle und ihrem Verständnis als gläubige Musliminnen, sagt Sonja Zayed, die selbst Kopftuch trägt.

Einig sind sich die drei Wissenschaftler darin, dass Religion nicht in eine demokratische Verfassung gehört. Denn wenn ein Staat verpflichtet sei, zwischen der Gleichberechtigung der Frau in der Öffentlichkeit und der Einhaltung ihrer religiösen Pflichten zu Hause einen Ausgleich zu finden, würde er sich bei der Rechtssprechung „ständig im Kreis drehen“, sagt Naseef Naeem.

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