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FREIE Sicht: Bildung in die Freiheit entlassen

Dieter Lenzen, Präsident der Freien Universität, über drei Dinge, die sich Bundeskanzlerin Merkel auf dem Bildungsgipfel von Ministerpräsidenten, Kultus- und Wissenschaftsministern wünschen sollte.

Als das Wünschen noch geholfen hat, so lesen wir in Märchen, war es die gute Fee, die es den Menschen erlaubte, drei Wünsche zu haben. Die Bundeskanzlerin eröffnet in Kürze einen Bildungsgipfel, von dem wir alle mit Spannung Taten erwarten. Anders als im Märchen kann aber nicht sie unsere Wünsche erfüllen, denn sie ist nur Bundeskanzlerin und nach der Föderalismusreform juristisch unzuständig. Sie wird es sein, die sich etwas wünschen muss – von Ministerpräsidenten, Kultus- und Wissenschaftsministern.

Hier die drei Wünsche, die die Bundeskanzlerin nach unserem Wunsch haben sollte. Wunsch Nr. 1: Ein deutsches Bildungssystem aus einem Guss. Dazu gehört eine Beschleunigung der vielen angefangenen Teilreformen. Bildung muss früher beginnen, um die richtigen Wege zu legen, und bis ins Alter verstetigt werden, um die Prozesse nicht abreißen zu lassen und Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten. Die Qualität von Bildungsmaßnahmen muss auf allen Ebenen verbessert werden, von der Ausbildung bis zur einzelnen Unterrichtsstunde.

Wunsch Nr. 2: Die Kanzlerin muss gegenüber den Ländern darauf bestehen, dass sie mehr Geld in Bildung investieren. Dem Bildungssystem fehlen jährlich rund 10 Milliarden Euro, allein um die Durchschnittsfinanzierung der OECD-Länder zu erreichen. Wenn man die Versäumnisse der zurückliegenden 50 Jahre kompensieren möchte, müsste man zwischen zwei und 500 Milliarden drauflegen. Dann wären sogar die Toiletten der Schulen ohne Infektionsgefahr benutzbar.

Wunsch Nr. 3: Freiheit. Ein Blick in unser Grundgesetz, Art. 7 Abs. 1, erleichtert es, den rechten Weg in die Zukunft zu finden: „Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.“ Es steht dort nicht: „Das gesamte Schulwesen ist Sache des Staates.“ Die Erfinder des Grundgesetzes hatten ein anderes Bildungssystem vor Augen: Eines in privater Trägerschaft, unter Aufsicht des Staates und von ihm finanziert. Ihm fehlen häufig die Expertise und auch das Geld. Ein international wettbewerbsfähiges Bildungssystem kann aus öffentlichen Mitteln allein nicht bezahlt werden.

Merkel muss von den Ländern also verlangen: Macht abgeben, Bürger beteiligen an den Entscheidungen und an der Finanzierung. Wenn Eltern der Kanzlerin beim Wünschen helfen, hilft es vielleicht, die Länder zu bewegen. Als Zauberstab mag der Kernsatz der berühmten Bildungsrede Roman Herzogs wirken: „Entlassen wir unser Bildungssystem in die Freiheit!“

Der Autor ist Erziehungswissenschaftler und schreibt jeden dritten Montag über aktuelle Themen und Debatten.

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