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Schüler zeigt sein Einsatzland auf einer Weltkarte.

© imago/epd/Jörn Neumann

Freiwilligendienste: Nach dem Abi in die Welt

Nicht alle wissen sofort, was sie nach dem Schulabschluss machen wollen. Eine Option sind Freiwilligendienste im Ausland.

Nach dem Abschluss stehen viele Abiturientinnen und Abiturienten vor der Frage – was jetzt? Nicht alle wissen auf Anhieb, wie es weitergehen soll. Für viele heißt es erstmal: nichts wie weg hier. Nach zwölf Jahren reglementiertem Schulalltag scheint das Ausland grenzenlose Freiheit zu versprechen. Die Auswahl an Angeboten ist riesig: Work and Travel in Australien, Volunteering in Südafrika oder der Freiwilligendienst in Mexiko. Alle Angebote versprechen Jugendlichen, dass man bei ihnen den Drang die Welt kennenzulernen und gleichzeitig etwas Sinnvolles zu tun kombinieren könne.

Doch insbesondere bei kommerziellen Angeboten ist aus Sicht einiger Kritiker Vorsicht geboten: Neben den hohen Kosten würden diese häufig nicht dieselbe Lernerfahrung wie gemeinnützige Projekte bieten. Zudem ist fraglich, wie sehr man eine andere Kultur innerhalb der oft kurzen Aufenthaltszeiten wirklich kennenlernen kann.

Freiwillige sind keine Junior-Entwicklungshelfer

Alternativen könnten öffentlich geförderte Freiwilligendienste sein. Ein Beispiel dafür ist „Weltwärts“, der entwicklungspolitische Freiwilligendienst des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Mit der Organisation gehen seit 2008 junge Erwachsene aus Deutschland für durchschnittlich ein Jahr in ein Partnerland, um dort vorwiegend mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Ein Großteil der Freiwilligen unterstützt zum Beispiel den Unterricht an Schulen, hilft bei der Hausaufgabenbetreuung oder bietet Freizeitaktivitäten wie Theater- oder Sportgruppen an.

Das Programm ist sich durchaus bewusst, dass die Freiwilligen keine „Junior-Entwicklungshelfer“ sind. Ziel sei es vielmehr, „den Freiwilligen eine Lernerfahrung zu ermöglichen, bei der sie ihren Horizont erweitern und sich persönlich entwickeln“, sagt Jens Kreuter, der Geschäftsführer von Engagement Global, der Geschäftsstelle von Weltwärts.

Auch Spätentschlossene haben noch eine Chance

Finanziert wird die Einrichtung zu 75 Prozent vom BMZ, während NGOs die Einsatzstellen organisieren und die restlichen 25 Prozent beisteuern. Interessenten suchen sich auf der Weltwärts-Website gezielt eine Einsatzstelle oder eine Entsendeorganisation aus und bewerben sich dort. Auch wenn es für viele Stellen lange Vorlauf und Vorbereitungszeiten gibt, ist die Zeit auch für Spätentschlossene noch nicht ganz abgelaufen. So bewirbt zum Beispiel der Verein Niedersächsischer Bildungsinitiativen immer noch Einsatzstellen an Schulen in Malawi und Ghana.

Oft lohnt es sich auch direkt bei den Entsendeorganisationen anzurufen, selbst wenn die offiziellen Bewerbungstermine bereits verstrichen sind. Erfahrungsgemäß sind die Ausreisedaten nicht in Stein gemeißelt und die Entsendeorganisationen integrieren lieber noch einen Spätankömmling, als eine Einsatzstelle unbesetzt zu lassen. Idealerweise informiert man sich dennoch schon gut ein Jahr vor der geplanten Ausreise – so bleibt genug Zeit für eine sorgfältige Auswahl und Vorbereitung.

Neben Weltwärts gibt es auch noch eine Reihe weiterer öffentlich geförderter Freiwilligendienste. Dazu gehören zum Beispiel der Internationale Jugendfreiwilligendienst (IFJD) des Familienministeriums und der internationale kulturelle Freiwilligendienst „Kulturweit“ des Auswärtigen Amts.

Eigene Stereotypen und Rassismus erkennen

Während der IFJD in vielerlei Hinsicht Weltwärts ähnelt, unterscheidet sich Kulturweit dadurch, dass der Fokus nicht auf der Entwicklungszusammenarbeit, sondern auf Kultur und Bildung liegt. So arbeiten Freiwillige dort beispielsweise an einer deutschen Schule in Tadschikistan, für ein Radio in Bolivien oder an einem Gymnasium in Albanien. Hier können die Einsätze auch kürzer sein, Freiwillige gehen manchmal nur für sechs Monate ins Ausland.

Ein Vorteil aller öffentlichen Angebote sind die vorgeschriebenen 25-Seminartage (bei 12-monatigem Aufenthalt). Oft werden erst hier Erfahrungen verarbeitet, Stereotype hinterfragt und größere Zusammenhänge, wie zum Beispiel koloniale Geschichte, besprochen.

Pao Engelbrecht, ein ehemaliger Weltwärts-Freiwilliger und späterer Teamer, sagt: „Die Vor- und Nachbereitungsseminare sind wichtig, um die eigene Rolle als Freiwilliger zu reflektieren. Darüber nachzudenken, dass die eigenen Berichte und Erzählungen oft von Stereotypen und Rassismus durchdrungen sein können, hat mich für Probleme sensibilisiert, die ich sonst weniger ernst genommen hätte.“

Im Ausland helfen und Gutes tun? Oft eine Illusion

Auch wenn das Werbematerial vieler Freiwilligendienste und Volunteering-Programmen suggeriert, dass die Jugendlichen mit ihrem Auslandseinsatz helfen und „Gutes tun“ können, handelt es sich hierbei oft um eine Illusion. „Wenn als Bilanz am Ende eines Weltwärts-Jahres eine schwarze Null steht, die Jugendlichen in ihrer Organisation also mehr geleistet haben, als ihre Betreuung an Anstrengung gekostet hat, sind wir zufrieden“, sagt Jens Kreuter.

Es sei auch eine gewisse Bescheidenheit nötig, immerhin seien die Freiwilligen meistens frischgebackene Schulabsolventen und keine voll ausgebildeten Lehrerinnen und Krankenpfleger. Wer den Freiwilligendienst im Ausland aber als eine Einladung zu interkulturellem Austausch, zum Wechseln der Perspektive und zu persönlichem Wachstum versehe, für den könne es eine wertvolle, prägende Erfahrung werden.

Weltwärts im Überblick

Was erwartet mich? Ein herausforderndes Jahr, mit der Möglichkeit den eigenen Horizont zu erweitern und die Welt aus einem anderen Blickwinkel kennenzulernen.

Wie viel kostet es? Formal nichts – aber viele Entsendeorganisationen bitten die Freiwilligen, durch den Aufbau eines Spenderkreises zu den Kosten beizutragen. Finanzielle Bedenken sollten einen nicht von der Bewerbung abhalten.

Was wird vorausgesetzt? Eine abgeschlossene Schulausbildung. Bei einem Haupt- oder Realschulabschluss wird zusätzlich eine Berufsausbildung oder eine äquivalente Erfahrung wie ein Freiwilligendienst oder Praktikum erwartet.

Wie lange dauert ein Weltwärtsjahr? Durchschnittlich 12 Monate.

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