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Kirschblüte in Tokio - der Geigerzähler ist trotzdem präsent.

© dpa

Fukushima: Die tägliche Dosis (7)

Alexander S. Kekulé wundert sich über Wetterprognosen, die am Sonntag eine radioaktive Wolke für Tokio vorhersagten, die dann aber ausblieb. Wie konnte das sein, obwohl doch der Wind Richtung japanischer Hauptstadt wehte?

Haben Sie sich auch schon mal geärgert, wenn der Wetterbericht eine total falsche Vorhersage gemacht hat? Ich wundere mich immer über die Selbstverständlichkeit, mit der am folgenden Tag wieder die nächste Prognose präsentiert wird, ohne ein Wort über den Patzer von gestern zu verlieren. Über Tokio sollte am Sonntag, so sagten es gewöhnlich gut informierte Medien voraus, eine "radioaktive Wolke" die Stimmung verderben. Einen Tag später liest man kein Sterbenswörtchen mehr von der horrenden Vorhersage. Dabei drehte der Wind, wie vorhergesagt, auf Nord bis Nordost. Mit einer mäßigen Brise von 4 Beaufort wehte es von Fukushima in Richtung Tokio, das nur 240 Kilometer entfernt ist – trotzdem blieb die Radioaktive Wolke aus. Wie konnte das sein?

Der Grund ist simpel und zugleich wichtig für das Verständnis der Situation in Japan. Im havarierten AKW Fukushima-Daiichi  treten zwar weiterhin große Mengen radioaktives Kühlwasser aus. Doch in die Luft wird seit den Explosionen in den Blöcken 1, 3 und 4 (12. bis 15. März) nur noch wenig Radioaktivität abgegeben, und zwar in erster Linie durch kontaminierten Wasserdampf. Zusätzlich kommt es zu einer Verwehung von radioaktiv belastetem Staub aus dem näheren Umkreis des AKW (der größtenteils von den Explosionen stammt).

Beide Verschleppungswege sind nicht sehr effektiv, die strahlenden Partikel breiten sich nur langsam aus. Dabei kommt es (theoretisch) zu einer exponentiellen Verdünnung der Aktivität. Zusätzlich reduziert sich das für die Strahlungsdosis hauptverantwortliche Jod-131 alle acht Tage um die Hälfte: Von der bei den Explosionen vom 12. bis 15. März freigesetzten Menge ist heute, nach drei Halbwertszeiten, nur noch ein Achtel übrig.

Dementsprechend nehmen die Radioaktivitätswerte seit gut zwei Wochen kontinuierlich ab, und zwar sowohl innerhalb als auch außerhalb des 20-Kilometerradius. Auch auf dem AKW-Gelände selbst nehmen die Strahlendosen kontinuierlich ab, am Haupttor sind es z. B. noch um die 120 Mikrosievert pro Stunde (vor drei Wochen wurden dort 17.000 Mikrosievert pro Stunde gemessen). Deshalb ist, solange es nicht erneut zu einer massiven Freisetzung von Radioaktivität in die Luft kommt, in 240 Kilometer Entfernung vom AKW keine relevante Strahlenbelastung zu erwarten – Tokio ist also (vorerst) sicher.

Der aufmerksame Leser wird sich nun fragen, wieso dann erst am Sonntag erhöhte Strahlungswerte in der "Todeszone" (gemeint ist der 20-Kilometer-Sperrbezirk um das AKW) für Aufsehen sorgten?

Da die Radioaktivität um das AKW Fukushima langsam abklingt, haben die Behörden im 20-Kilometerradius mit Aufräumarbeiten begonnen und Messwerte veröffentlicht. Die laut Presseberichten in dieser "Todeszone" gemessene Dosis von 50 Mikrosievert pro Stunde ist leider nichts Besonderes: Auch an einigen Messposten am äußeren Rand der Sperrzone liegen die Werte seit Tagen in dieser Größenordnung. Beispielsweise lieferten heute zwei Messpunkte nordwestlich von Fukushima 51,5 und 57 Mikrosievert pro Stunde. Die Internationale Atombehörde IAEO fordert deshalb zu Recht, die Menschen außerhalb des 20-Kilometerradius besser zu schützen.

Im Gegensatz zu den höheren Strahlenwerten in bewohntem Gebiet schafften es 50 Mikrosievert pro Stunde noch einmal in die Schlagzeilen, weil sie in der "Todeszone" gemessen wurden. Offenbar gibt es auch bei Radioaktivität so etwas wie eine "gefühlte Dosis" – auch das ist so ähnlich wie beim Wetter.

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