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Unerwartete Nachbarschaften. Daniel Ibrahim erforscht die Topographie des Erbguts.

© Thilo Rückeis

Future Medicine: Das DNS-Knäuel

Wer das Erbgut verstehen will, muss seine 3-D-Struktur beachten, sagt der Genetiker Daniel Ibrahim.

Rund zwei Meter lang ist der Erbgutfaden, der in jeder Zelle des menschlichen Körpers steckt. Sequenzieren ihn Forscher, so protokollieren sie die Anordnung der Gene wie Perlen auf einer Kette. Die Wirklichkeit sei komplexer, sagte Daniel Ibrahim vom Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin auf dem „Future Medicine“-Kongress. Schließlich muss der Faden in den winzigen Zellkern passen.

Das Knäuel ist sorgfältig gefaltet, hat eine eigene Geografie. „In dem dreidimensionalen Gebilde hat jedes Gen seine Umgebung von Schaltern und Regulatoren“, sagte er. Zwei Elemente, die auf dem geraden Faden etliche Millionen Basenpaare voneinander entfernt sind, könnten unmittelbare Nachbarn sein. Die Nachbarschaften bezeichne man als TADs, als topologically associated domains.

Zwei X-Chromosomen - und trotzdem ein Mann

„Wir interessieren uns für seltene Erkrankungen und schauen uns an, welche strukturellen Veränderungen es im Erbgut der Patienten gibt“, sagte Ibrahim. Wenn Erbgutabschnitte verdoppelt sind, wenn sie fehlen oder es Einschübe gibt, habe das unterschiedliche Folgen – je nachdem, ob diese innerhalb einer TAD vorkommen oder deren Grenzen überschreiten.

Ein Beispiel sei der Bereich um das Gen Sox9. „Bei manchen Menschen ist ein Teil der nicht kodierenden DNS in der TAD verdoppelt. Das führt dazu, dass sie trotz zweier X-Chromosomen wie ein Mann aussehen“, sagte er. Ist das doppelte Stück etwas länger und reicht über die TAD- Grenze hinaus, habe es keine Auswirkungen auf Geschlecht oder Gesundheit. Ist es ganz lang und beeinflusst die Domäne des Gens für den Kaliumkanal KCNJ2, ändere sich zwar nicht das Geschlecht, aber den Patienten fehle jeweils der obere Teil ihrer Finger. „Solche Verdopplungen beeinflussen die 3-D-Architektur des Genoms“, sagte Ibrahim. „Damit wird die Regulation der Gene gestört.“ Neben Genmutationen seien solche Veränderungen ein wichtiger Mechanismus, wie Krankheiten entstehen.

- Vor Kurzem fand in Berlin der „Future Medicine“-Kongress des Tagesspiegels und des Berlin Institute of Health statt. Hier stellen wir herausragende Beiträge vor.

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