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In der Kantine einer Grundschule bedienen sich Kinder mit Nudeln und Tomatensoße.

© picture alliance / Roland Weihra

Ganztagsbetreuung in Grundschulen: Das Geld für den Rechtsanspruch liegt vorerst "im Tresor"

Als Anschubfinanzierung für den Ganztagsausbau im Primarbereich stellt der Bund zwei Milliarden Euro bereit. Doch es bleibt noch vieles zu klären.

Ganztags in der Grundschule – das ist bundesweit noch lange keine Selbstverständlichkeit. Zwar hat sich der Anteil der Erst- bis Viertklässler (beziehungsweise Sechstklässler in Berlin und Brandenburg), die ganztags unterrichtet und betreut werden, seit 2002 mehr als verzehnfacht – auf heute rund 50 Prozent. Nach Umfragen unter Eltern aber liegt der Bedarf bei 75 Prozent.

Um die Lücke von 25 Prozent zu schließen, will der Bund zwei Milliarden Euro in den Ausbau der Ganztagsgrundschulen investieren.

Das sei ein erster Schritt, um „ein prioritäres Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag“ umzusetzen, sagte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey am Mittwoch in Berlin. Sie stellte das Programm gemeinsam mit Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) vor. Zuvor hatte das Bundeskabinett ein entsprechendes Gesetz vereinbart. Bereitgestellt wird das Geld durch ein Sondervermögen, das über die Etats des Bundesfamilienministeriums und des Bundesbildungsministeriums ausgegeben werden soll. Der Koalitionsvertrag von Union und SPD sieht einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule ab 2025 vor.

Bevor die ersten Grundschulen Mittel für den An- und Ausbau von Mensen oder Lernwerkstätten erhalten, müssen aber noch zwei weitere Gesetze durchs Parlament und durch den Bundesrat: eines, das die Finanzhilfen des Bundes an die Länder und Kommunen regelt, und eines, das den Rechtsanspruch garantiert. Deshalb kämen die zwei Milliarden Euro erst einmal „in den Tresor“, sagte Giffey. Auszahlbar sei das Geld dann bis 2028.

Ganztags in der Kita, aber mittags aus der Schule

Das Programm sei eine Antwort auf die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, erklärte die Bundesfamilienministerin. Tatsächlich ist der Übergang von der Kita zur Grundschule für Eltern und Kinder ein Einschnitt – auch wegen der unterschiedlichen Betreuungszeiten. Konnten sich Berufstätige auf einen Achtstundentag im Kindergarten verlassen, stehen die Sechsjährigen vielerorts wieder um 12 Uhr vor der Tür. Das zwinge insbesondere Mütter dazu, ihr Erwerbsleben für mehrere Jahre zu unterbrechen, sagte Giffey. Insofern gehöre die Ganztagsgarantie dazu, um bundesweit gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen.

Denn zwischen den Ländern bestehen enorme Unterschiede. Während in Hamburg 92 Prozent der Schülerinnen und Schüler ganztags lernen und in Berlin gut 65 Prozent, sind es in Baden-Württemberg nur 24 Prozent. Hinzu kommt ein Gefälle zwischen Ostdeutschland mit 70 bis 80 Prozent Ganztagsschulbesuch und Westdeutschland mit einem Schnitt von 42 Prozent. Nach welchem Schlüssel die zwei Milliarden Euro verteilt werden, stehe noch nicht fest, sagte Giffey. Auf keinen Fall aber sollten Länder, die beim Ganztagsausbau der Grundschulen schon weiter sind als andere, bestraft werden.

Länder rechnen mit sehr viel höheren Kosten

Insgesamt gibt es noch viele Unbekannte in dem Programm. So kritisierte KMK-Präsident Alexander Lorz (CDU), Kultusminister in Hessen, am Mittwoch, „wann, wofür und wie die Mittel abfließen, ist bis heute völlig unklar“. Eine bloße Zusage des Bundes für eine einmalige Beteiligung an den Investitionskosten schaffe noch lange keine Planungssicherheit für den notwendigen Kapazitätsausbau. Im Juni hatten die Bildungsminister einen weitaus höheren Finanzbedarf von zusätzlich 7,7 Milliarden Euro im Jahr angemeldet – vor allem für das Personal in der Ganztagsbetreuung. Dabei gehen die Länderminister allerdings von einer 90-prozentigen Nachfrage nach Ganztagsplätzen aus, wenn der Rechtsanspruch erst einmal da ist. Lorz mahnte am Mittwoch, „die Länder und Kommunen dürfen am Ende nicht auf den laufenden Betriebskosten für die Ganztagsbetreuung sitzenbleiben“.

Bundesbildungsministerin Karliczek betonte, es müssten „qualitativ hochwertige Bildungs- und Betreuungsangebote“ geschaffen werden. Deutschland könne nicht länger damit zufrieden sein, bei internationalen Bildungsstudien im Mittelfeld zu landen. „Wir müssen in der Bildung wieder erstklassig werden“, sagte Karliczek. Dabei spielt das Raumangebot, das mit dem Bundesgeld ausgebaut werden kann, sicher eine Rolle. Für eine gute Ganztagsbetreuung werden vor allem aber mehr Lehrkräfte, Sozialarbeiter und Erzieherinnen gebraucht. Hier sehen Karliczek und Giffey allein die Länder in der Pflicht.

Grüne fordern vom Bund, die Mittel zu verdoppeln

Allerdings rechnet auch die Bundesfamilienministerin bei einem echten Grundschulganztag mit durchgehend acht Stunden von Montag bis Freitag und einer ausreichenden Ferienbetreuung mit Gesamtkosten von zusätzlich 5,3 bis 7,5 Milliarden im Jahr. Das zu stemmen sei eine „nationale Bildungsaufgabe“ auch für die nächste Legislaturperiode – aber eben durch Bund und Länder gemeinsam.

Birke Bull-Bischoff, bildungspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, interpretierte die „Gemeinschaftsaufgabe Bildung“ anders. Die Anfang des Jahres beschlossene Grundgesetzänderung, die wieder Bundeshilfen in der Bildung erlaubt, müsse für eine Fachkräfteoffensive genutzt werden. Die grüne Haushälterin Ekin Deligöz und Fraktionsvize Katja Döring forderten schon für das kommende Jahr die Verdopplung der Mittel aus dem Bundeshaushalt.

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