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© Charité

Geburtsmedizin: Ein erster Blick

Grelles Licht, regionale Betäubung, ein aufgeschnittener Bauch - ein Kaiserschnitt ist kein Spaziergang. Ein Geburtsmediziner der Charité will den Eingriff etwas erträglicher für die Familien machen. Er lässt die Frauen zuschauen, wenn das Kind geholt wird.

„Es ist nicht meine Absicht, die Kaiserschnittzahlen in die Höhe zu treiben“, schickt Wolfgang Henrich, Direktor der Klinik für Geburtsmedizin an der Charité, vorsichtshalber voraus. Formulierungen wie „Kaisergeburt“ oder „natürlicher Kaiserschnitt“ provozieren Widerspruch. Aber wenn die Operation unvermeidlich ist – etwa weil der Fötus falsch liegt – solle die fremd wirkende Atmosphäre abgemildert werden. Henrich lässt werdende Mütter zuschauen, wenn ihr Kind aus dem Bauch geholt wird. Das werde der Familie eher gerecht, sagt er.

Die Operation beginnt und endet wie jeder andere Kaiserschnitt. Unter regionaler Betäubung werden bei der Mutter die Bauchdecke und die Muskeln der Gebärmutter aufgeschnitten. Ist das ohne Komplikationen und größere Blutungen verlaufen, folgt der neue Teil: Das blaue OP-Tuch, das der Mutter normalerweise die Sicht auf das Tun der Ärzte versperrt, wird gesenkt und der Kopf der Gebärenden leicht angehoben. So kann sie beobachten, wie ihr Kind langsam aus dem Bauch geholt wird. Sobald ein Teil des Oberkörpers zu sehen ist, verharren die Ärzte kurz. Durch den Druck auf die Lungen des Kindes wird überflüssiges Fruchtwasser aus den Atemwegen gedrückt, ein Arzt kann Mund und Nase auswischen. „Meist hört man dann den ersten Schrei“, sagt Henrich. Für viele Mütter sei es ein erhebender Moment. Sobald das Kind ganz auf der Welt ist, kann der Vater die Nabelschnur durchtrennen und das Kind wird sofort auf die Brust der Mutter gelegt. Nun wird das Tuch wieder als Sichtschutz aufgehängt. Während Mutter und Kind sich kennenlernen, näht der Operateur Schicht für Schicht den Bauch zu.

Die Wunde sei für die Mutter nicht sichtbar, versichert Henrich. Dafür sorge der runde Bauch. Er bietet das von dem Australier Nicholas Fisk entwickelte Verfahren seit Anfang 2012 in der Charité an. Dutzende Mütter stimmten zu und waren begeistert. Nun soll eine Studie klären, ob die Frauen auch besser stillen können und ob sie mit weniger Komplikationen zu kämpfen haben.

„Bisher fehlen die Beweise für den erhofften Effekt. Genauso wenig kann man ausschließen, dass der Blick ins Operationsfeld negative Auswirkungen haben könnte“, sagt der Geburtsmediziner Frank Louwen von der Uniklinik in Frankfurt am Main. Louwen ist Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Die Einbeziehung des Vaters und der möglichst frühe Hautkontakt zwischen Mutter und Kind seien dagegen in vielen Kliniken üblich. „Trotzdem kann ein Kaiserschnitt nie natürlich sein“, sagt er.

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