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Gehirnforschung: Bambini-Test zeigt Sprachkompetenz

Entgegen bisheriger Annahmen konnte ein Test nun herausfinden, dass der Mensch bereits mit vier Monaten Grammatik lernt, auch die einer Fremdsprache.

Italienisch für Fortgeschrittene: La sorella può cantare – Die Schwester kann singen. Il fratello sta cantando – Der Bruder singt gerade. Nach der Hilfsverbform „può“ folgt hier der Infinitiv, der auf „-are“ endet, nach „sta“ dagegen ein Gerundium, das auf „-ando“ endet und ausdrückt, dass jemand gerade dabei ist, etwas zu tun. Klare Regeln – doch sie klingen auch reichlich trocken und sind nicht leicht zu lernen. Für Babys sieht das anders aus. Das hat die Arbeitsgruppe um Angela Friederici von der Abteilung Neurophysiologie am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig in einer neuen Studie im Fachmagazin „Plos One“ gezeigt.

Dafür werteten die Hirnforscher die Daten von 34 vier Monate alten Babys aus, die alle in einsprachig deutschen Familien aufwachsen. Die Säuglinge saßen mit verkabelten Köpfchen auf dem Schoß eines vertrauten Erwachsenen oder in einem Babysitz in abgeschirmten Kabinen. In vier Lernphasen, die zusammen genommen kaum eine Viertelstunde umfassten, hörten sie insgesamt 256 kurze und grammatikalisch korrekte italienische Sätze. In allen wurde mit wechselnden Verben das Prinzip „può -are“ – „sta -ando“ vorgeführt. Jeder Lernphase folgte eine etwa einminütige Testphase. In dieser kurzen Zeit hörten die Kinder acht grammatikalisch richtig und acht falsch (nach dem Muster: „può -ando“ und „sta -are“) gebildete Sätze.

Dass sie die Fehler mit der Zeit erkannten, zeigen die Messungen der Hirnströme im Elektroenzephalogramm (EEG): Während der ersten Testphasen unterschieden sich die Kurven beim Anhören der richtigen und der falschen Sätze noch kaum. Im vierten Durchgang jedoch waren die Aktivierungsmuster schon stark unterschieden. Offenbar filtert schon das Gehirn vier Monate alter Säuglinge aus gehörten Sätzen syntaktische Beziehungen heraus. Nach kurzer Lernzeit reagiert es dann auf Abweichungen vom Erwarteten. „In diesem Alter werden natürlich keine inhaltlichen Fehler registriert, wie das Erwachsene tun würden“, kommentiert Studienleiterin Angela Friederici. Offensichtlich erkennen die Säuglinge jedoch Regelmäßigkeiten auf der Ebene der Laute und stören sich daran, wenn sie durchbrochen werden. Und das auch bei einer Sprache, die sie nie gehört haben, bevor das Experiment mit ihnen gestartet wurde. Die EEG-Kurven beweisen in den Augen der Autoren, dass die Säuglinge „die systematische Beziehung zwischen den zwei nicht direkt aufeinander folgenden Elementen unabhängig vom jeweils verwendeten Verb erkannt und im Gedächtnis gespeichert haben“.

Eine reife Leistung der unreifen Gehirne. Bisher gingen Sprachentwicklungsforscher davon aus, dass ein grammatikalisches Verständnis, das auch entferntere Elemente eines Satzes umfasst, sich erst etwa im Alter von eineinhalb Jahren herausbildet. Trotzdem sind die Leipziger Forscher über die Leistung ihrer 34 Babys nicht allzu sehr erstaunt. In früheren Studien hatten sie zeigen können, dass bereits Neugeborene den Tonfall der eigenen von dem einer fremden Sprache unterscheiden können. Zudem hatten sie schon herausgefunden, dass Kinder bereits mit vier Monaten erkennen, ob direkt hintereinander gesprochene Silben in ihrer grammatikalischen Form zueinander passen.

Interessanterweise glichen die Hirnströme der deutschen Babys beim Anhören der fehlerhaften italienischen Sätze denen italienischer Erwachsener, unterschieden sich aber deutlich von denen erwachsener Deutscher, die die Sprache Dantes als Fremdsprache erlernt haben. Die Forscher werten das als Hinweis auf ein Zeitfenster während der kindlichen Entwicklung, in dem Sprachen noch assoziativ und ohne die strenge kognitive Kontrolle erlernt werden.

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