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In einem Berliner Labor werden Corona-Tests ausgewertet.

© Axel Schmidt/REUTERS

Gemeinsamer Kampf gegen Pandemien und Kriege: Wissenschaftsdiplomatie muss eine Antwort auf Corona sein

Angesichts von Covid-19 muss die deutsche Science diplomacy dringend strategisch weiterentwickelt und besser finanziert werden. Ein Gastbeitrag.

Die Corona-Krise ist unvermutet zur Stunde von Forschung und Wissenschaftskommunikation geworden: Im intensiven Krisenmodus arbeiten Medizinerinnen in der Patientenversorgung, insbesondere Virologen erklären uns Krankheitsbilder, informieren und warnen uns. In der Forschung arbeiten ihre Kollegen mit Hochdruck an der Entwicklung von Impfstoffen.

Ihre Kompetenzen im Zuge einer globalen Wissenschaftsstrategie zu bündeln, könnte Leben retten – eine akute Aufgabe auch für die Wissenschaftsdiplomatie?

Noch vor wenigen Wochen hatte US-Präsident Trump – ganz in seinem gewohnten nationalegoistischen „America-First“-Modus – vor laufenden Kameras erklärt, in den USA arbeiteten die besten Medizinforscher. Umso bitterer stößt es da auf, dass er sich die Forschungsergebnisse zu Impfstoffen exklusiv sichern wollte, die bei der Tübinger Firma CureVac gemeinsam mit dem bundeseigenen Paul-Ehrlich-Institut, auch dank deutscher Steuermittel, entwickeln werden.

Trumps gescheiterter Übernahmeversuch ist paradigmatisch für die Unfähigkeit von Populisten, auf Krisen und Konflikte mit adäquaten Antworten reagieren zu können. Er wirft zugleich ein Licht auf die Relevanz wissenschaftlicher Expertise und die Notwendigkeit von internationalen Forschungskooperationen und -netzwerken.

Wissenschaftsdiplomatie – als Science Diplomacy im Auswärtigen Amt angesiedelt – muss angesichts von Covid-19 dringend strategisch und operativ weiterentwickelt, gestärkt und finanziell flankiert werden.

[Einen Leitartikel von Sascha Karberg zum Thema der internationalen und interdisziplinären Corona-Forschung lesen Sie hier.]

Wer globale Krisen und Konflikte bewältigen will, braucht nicht weniger, sondern mehr internationale Zusammenarbeit, Solidarität und Solidität. Dies ist jedoch nicht nur für die aktuelle Corona-Krise zwingend, sondern auch für Krisen oder Kriege jenseits der medialen Aufmerksamkeit.

Exemplarisch zeigt dies der Jemen-Krieg, bei dem die international anerkannte Regierung in unversöhnlicher Konfrontation den vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen gegenübersteht. Warum also nicht auch hier die Chancen der Wissenschaftsdiplomatie nutzen und in diesem eingefrorenen Konflikt ein internationales Wissenschaftsforum zur Friedens- und Sicherheitsforschung im Nahen und Mittleren Osten aktivieren und so zumindest den Dialog reanimieren?

Internationale Kooperationen und nicht etwa feindliche Übernahmen von forschungsrelevanten Unternehmen und Institutionen sind das Anliegen von Science Diplomacy.

Ein Porträtbild von Daniela De Ridder.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Daniela De Ridder.

© Promo

[Daniela De Ridder ist Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion und stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses sowie des Unterausschusses für Zivile Krisenprävention.]

Ob als Europäische Hochschulnetzwerke (EUN) oder im Zuge von Transformationspartnerschaften mit der arabischen Welt, als Austausch von Forscherinnen und Wissenschaftlern oder als Stipendienprogramme für Studierende und Promovierende: Science Diplomacy eröffnet den Protagonisten jenseits verhärteter Ausgangslagen und eingefahrener Gleise die Möglichkeit, einen Schritt beiseite zu treten und mit einer wissenschaftlichen Perspektive Dialog und Austausch als friedliche Koexistenz zu pflegen.

Warum etwa sollte das Taiwanesischen Knowhow in Medizin und Medizintechnologie nicht in die Expertenpanels zur Virusbekämpfung einbezogen werden, nur weil dies dem Regime in Peking widerstrebt? Können wir uns derartige Abschottungsstrategien angesichts der globalen Krise noch erlauben?

Hintergrund über das Coronavirus:

Binationale Hochschulen wiederum, die in Kooperation mit deutschen Hochschulen arbeitsmarktnahe Studiengänge in den Ingenieurwissenschaften, im Tourismusmanagement oder in der Migrationsforschung mit den hohen deutschen Qualitätsstandards anbieten, zudem Forschungsexzellenz, Innovation und Wissenstransfer in der Zusammenarbeit mit mittelständischen Unternehmen in Deutschland verbinden, liefern einen unermesslichen Beitrag zu Krisenbewältigung und Stabilität.

Besichtigen kann man dies etwa an der German Jordanien University (GJU) in Amman oder an der GuTech, der deutsch-omanischen Universität in Maskat. Diese unterschiedlichen Hochschulmodelle benötigen nicht nur eine adäquate Finanzausstattung und mutige Kopisten in weiteren Ländern, die als Stabilitätsanker dienen können. Sie brauchen zudem Akzeptanz in der deutschen Gesellschaft, denn sie sind Garanten für Interkulturalität sowie Diversität und unterstützen junge Frauen darin, akademische Berufe anzustreben.

Science Diplomacy„avant la lettre“ betreibt das Auswärtige Amt bereits seit Langem: Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) und die Initiative Scholars at Risk zur Stärkung von Wissenschaftsfreiheit, die Alexander-von-Humboldt-Stiftung (AvH) mit der Philipp Schwartz-Initiative für verfolgte Wissenschaftler und Forscherinnen oder die Goethe-Institute leisten als Mittlerorganisationen weltweit einen außerordentlichen Beitrag zur internationalen Diplomatie.

Unser Plädoyer muss nun lauten, ihre Potenziale angesichts der aktuellen Krisen und Konflikte mit einer noch ambitionierteren Außen-, Sicherheits- und Bildungspolitik in ihrer Substanz nachhaltig zu stärken und auszubauen. Als Friedensdividende wird der Return on Invest uns Recht geben!

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