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Genetik: Testreihe zur Gentherapie wird fortgesetzt

FDA hebt Verbot der Testreihe im Anschluss an die Untersuchung eines Todesfalls auf.

Eine klinische Testreihe zur Gentherapie, bei der im Sommer dieses Jahres eine Frau starb, wird dank einer Entscheidung der US Food and Drug Administration (FDA) wieder aufgenommen.

Die experimentelle Therapie der rheumatoiden Arthritis war gestoppt worden, nachdem im Juli eine der Teilnehmerinnen, die 36-jährige Jolee Mohr, gestorben war. Die Ergebnisse der Autopsie, die im September vorgelegt worden waren, zeigten, dass Mohr an einer massiven Pilzinfektion, die durch starke inneren Blutungen kompliziert worden war, gestorben ist und die Gentherapie nicht für ihren Tod verantwortlich gemacht werden kann. Unabhängig von der Gentherapie hatte Mohr diverse Medikamente für ihre rheumatoide Arthritis genommen, die das Immunsystem unterdrücken, was bei dieser Art der Infektion ein Risikofaktor ist.

Weitere Ergebnisse der Untersuchungen von Mohrs Blut und Gewebe haben diese Schlussfolgerung gestützt. Die FDA hat daher ihr Verbot aufgehoben.

Die Entscheidung der FDA wurde durch Targeted Genetics bekannt gegeben, eine kleine in Seattle ansässige Biotech-Firma, die die Gentherapie entwickelt, die in Mohrs rechtes Knie injiziert wurde, bevor sie starb. Dem Unternehmen zufolge kam die FDA zu ihrer Entscheidung, nachdem sie die Sicherheitsdaten von allen 127 Probanden erneut durchgesehen hat.

„Im Wesentlichen lautet die Aussage der FDA, dass dieser tragische Vorfall in keinem Zusammenhang mit der Gentherapie steht und dass die Testreihe fortgesetzt werden soll“, sagt Stewart Parker von Targeted Genetics.

Die FDA hat keine Aussagen zu den Gründen, die hinter ihrer Entscheidung stehen, gemacht. Sie lehnte eine Stellungnahme gegenüber Nature ab und bestätigte lediglich, dass das Verbot aufgehoben wurde. Die vollständigen Ergebnisse einer Untersuchung der Todesursache Mohrs sollen auf einem öffentlichen Meeting des Recombinant DNA Advisory Committee (RAC) der Nationals Institutes of Health am 3. Dezember vorgestellt werden.

Verschiedene Medikamente

Robb Mohr, Witwer von Jolee Mohr, nannte die Entscheidung der FDA „leichtfertig“. Es wird den Teilnehmern der Testreihe weiterhin erlaubt sein, gleichzeitig Immunsuppressiva zu nehmen, merkt er an, und das Protein, das im Zuge der Therapie produziert wird, wirkt ebenfalls immunsuppressiv. „Wenn sie nur Patienten zulassen würden, die keine Immunsuppressiva nehmen, wäre das in Ordnung. Aber die Therapie an Patienten zu erproben, die Enbrel oder Humira [zwei Immunsuppressiva] nehmen, ist leichtsinnig und sehr, sehr gefährlich.“

Parker verteidigt die Entscheidung, den Probanden zu erlauben, die Immunsuppressiva weiterhin zu nehmen, die üblicherweise bei rheumatoider Arthritis verordnet werden. „Es gibt anhand der präklinischen sowie der klinischen Daten keine wissenschaftliche Grundlage dafür, den Ablauf zu ändern“, sagt sie. Sie fügt hinzu, dass Probanden, die Fieber bekommen – sowie Mohr – keine Gentherapie erhalten, bis das Fieber abgeklungen ist.

Thomas Murray, Bioethiker und Präsident des Hastings Center in Garrison, New York, sagt, dass die Entscheidung der FDA vor allem im Licht der schlechten Publicity, in dem die Gentherapie im Allgemeinen in den letzten Jahren erschien, wichtig ist. Zum Beispiel entwickelten vor einigen Jahren mehrere Jungen in Frankreich eine Leukämie, nachdem sie eine Gentherapie für ein seltene Immunschwächekrankheit, die unbehandelt tödlich verläuft, erhalten hatten. „Ein weiterer negativer Outcome wäre ein herber Rückschlag gewesen“, sagt Murray. „Dies jedoch ist so nahe an einem Freispruch, wie man es auf diesem Forschungsgebiet erwarten kann.“

Normale Level

Die Gentherapie, die in der Testreihe erprobt wird, nutzt eine Gen, das für ein antiinflammatorisches Protein mit der Bezeichnung TNFR:Fc codiert, das die Entzündung bei rheumatoider Arthritis lindert. Als Vektor dient ein Virus.

Parker sagt, dass in molekularbiologischen Untersuchungen, deren Ergebnisse Anfang des Monats auf einem Meeting des American College of Rheumatology vorgestellt wurden, lediglich Spuren des Virus im Gewebe außerhalb von Mohrs Gelenken gefunden wurden. Und die Spiegel des relevanten antiinflammatorischen Proteins lagen gut im erwarteten Bereich, berücksichtigt man, dass Mohr ebenfalls Humira bekam, ein Medikament zur Injektion, das auf demselben Weg wirkt wie die Gentherapie.

Chris Evans, Gentherapeut und Arthritisexperte an der Harvard Medical School, der eine eigene Testreihe zu einer Gentherapie für Patienten mit Arthrose vorbereitet, sagt, er habe sich den Herbst über Sorgen gemacht, dass die Aufsichtsbehörden einen Stopp für derartige Tests verhängen würden. Die Neuigkeiten brachten „große Erleichterung, darüber, dass es einen solchen Stopp nicht geben wird“, sagt er. „Es kann vorwärts gehen.“

Dennoch erwartet er, dass es schwieriger werden wird, Patienten für derartige Testreihen zu gewinnen. „Nachdem die FDA verkündet hatte, dass es nicht an der Gentherapie lag, schwang das Pendel zurück, jedoch nicht vollständig. Man verliert damit den Teil der Bevölkerung, der immer ein bisschen skeptisch ist.“

Dieser Artikel wurde erstmals am 27.11.2007 bei news@nature.com veröffentlicht. doi: 10.1038/news.2007.291. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Meredith Wadman

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