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Gentechnik: Spiel mit dem Leben

Amerikanische Biologen haben erstmals eine genetische „Totaltransplantation“ vorgenommen. Sie verpflanzten das komplette Erbgut eines Bakteriums in das einer verwandten Art. Auf diese Weise wurde eine Bakterienart in eine andere umgewandelt.

Amerikanische Biologen haben erstmals eine genetische „Totaltransplantation“ vorgenommen. Sie verpflanzten das komplette Erbgut eines Bakteriums in Bakterien einer verwandten Art. Das transplantierte Spender-Genom übernahm die Kontrolle über die Empfängerzelle. Auf diese Weise wurde eine Bakterienart in eine andere umgewandelt.

Über den Identitätswechsel der Mikrobe berichten die Wissenschaftler in der Online-Ausgabe des Fachblatts „Science“. Kopf der Wissenschaftlergruppe ist Craig Venter, Pionier der Genforschung. Venters Team arbeitete mit Mykoplasmen. Das sind die kleinsten vermehrungsfähigen Bakterien. Sie besitzen keine Zellwand. Als Genom-Spender diente Mycoplasma mycoides, als Empfänger sein naher Verwandter Mycoplasma capricolum. Das Genom von M. mycoides besteht aus einem einzigen ringförmigen Erbträger (Chromosom) mit rund einer Million „Buchstaben“.

Die komplette Verpflanzung eines Erbguts ist nicht nur bloße Spielerei, sondern dient einem Zweck. Nachdem er sich vor einigen Jahren ein Rennen mit öffentlich finanzierten Forschern um die Entzifferung des menschlichen Genoms geliefert hatte, wandte sich Craig Venter der synthetischen Biologie zu. Sein Ziel ist, Mikroorganismen zum Herstellen sauberer und klimaverträglicher Energie zu nutzen. In einem großen Bottich schwimmend könnten Bakterien wie die wandlungsfähigen Mykoplasmen mit Hilfe von Sonnenlicht Wasserstoff produzieren.

„Nach nichts anderem herrscht auf diesem Planeten vermutlich größerer Bedarf als nach Energie“, sagt Venter. „Wir entwickeln Treibstoffe, die viel besser sind als die gegenwärtigen.“

Bescheidenheit ist nicht Venters Stärke. Aber auch andere Vertreter der synthetischen Biologie nehmen den Mund gern voll. „Der genetische Code ist 3,6 Milliarden Jahre alt“, sagt Tom Knight vom Massachusetts Institute of Technology. „Zeit, ihn umzuschreiben.“ Der blinde Uhrmacher namens Evolution soll durch den intelligenten Designer namens Mensch ersetzt werden.

Die synthetische Biologie sieht die Natur mit den Augen eines Ingenieurs – an die Stelle von Zahnrädern und Ventilen sind Gene und Proteine getreten – oder mit denen eines Informatikers: „Wir betrachten Zellen als programmierbare Materie“, sagt Ron Weiss von der Universität Princeton.

Noch steckt die Technik in den Anfängen. Aber eines fernen Tages sollen Zellen mit Genen programmiert werden – so wie heute Computer. Die Zellen können dann als biologische Fabriken dienen, die Kraftstoffe und Medikamente herstellen oder die Umwelt entgiften.

Zwar sind seit Jahrzehnten gentechnisch veränderte Organismen im Einsatz, um etwa Insulin herzustellen. Der synthetischen Biologie geht es aber um mehr: Es sollen nicht einzelne Erbanlagen in bereits bestehende Organismen eingefügt, sondern ganz neue Lebewesen quasi auf dem Reißbrett entworfen werden.

An dieser Stelle kommt Craig Venter erneut ins Spiel. Der Amerikaner arbeitet an einem biologischen Gerüst für künftiges menschengemachtes Leben, einer genetischen Grundausstattung.

Venter hat ein „minimales bakterielles Genom“ patentieren lassen. Es enthält die Mindestmenge an Erbanlagen, die ein Organismus zum Leben braucht. Diese Gene entstammen dem Erbgut von Mycoplasma genitalium, einem Bakterium, das mit 470 Genen schon von Haus aus nicht eben üppig ausgestattet ist.

Venter schaltete jedes der Bakteriengene aus, um zu testen, welche Mycoplasma wirklich braucht. Übrig blieben 381 Gene. Sie könnten als Chassis eines menschengemachten Lebewesens dienen, auf das je nach Wunsch spezielle genetische Bauteile montiert werden.

Doch ein Strang Erbinformation macht für sich gesehen noch kein Leben aus. Für eine komplette Zelle braucht man eine Hülle und Proteine, die „Befehle“ der Gene in die Tat umsetzen. Man benötigt eine „Geistzelle“ ohne Erbinformation, der durch ein neues Genom Leben eingehaucht wird. Dass so etwas im Prinzip klappen kann, haben Venter und seine Mitstreiter vom J.-Craig-Venter-Institut in Rockville nun bewiesen. Wenn auch mit real existierenden Genomen von real existierenden Organismen.

Manch einem wird bei den Plänen der Bioingenieure unbehaglich. War es nicht bislang das Privileg der Natur oder eines höheren Wesens, Leben zu schaffen? Das Magazin „Newsweek“ zitiert da den Genforscher James Watson: „Wenn wir nicht Gott spielen – wer dann?“

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