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Als Skulptur ist das Mammut schon zurück - zumindest in den Bergen in Österreich.

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Gentechnik: Wie das Mammut auferstehen könnte

US-Forscher wollen mit altem Erbgut die Eiszeit-Giganten zurückkehren lassen. Theoretisch wäre das möglich. Dennoch tauchen immer wieder die nächsten Hürden auf.

Die Stoßzähne biegen sich nach oben, ein langes zotteliges Fell wärmt die Tiere mit dem massigen Schädel. Ein kräftiger Rüssel tastet nach Kräutern, die zwischen Schneefeldern aus der Graslandschaft lugen. Das Wollhaar-Mammut Mammuthus primigenius kennt jedes Kind, auch wenn die Art bereits seit 4000 Jahren von der Erde verschwunden ist. Nur Museen stellen die Überreste und einige Modelle dieser Tiere von der Größe eines heutigen Steppenelefanten in Afrika, aber deutlich kräftigerem Körperbau heute noch aus.

Genau das möchte der Biologe George Church von der Harvard-Universität im amerikanischen Cambridge ändern. Seit 2015 bauen er und seine Mitarbeiter Stücke aus dem erhaltenen Erbgut von Wollhaar-Mammuts in das Erbgut seines nächsten lebenden Verwandten, des asiatischen Elefanten ein. Mit dieser Methode würde Church in einigen Jahren gern einen kleinen Elefanten züchten, der ein paar Eigenschaften wie die zotteligen Haare seines ausgestorbenen Verwandten hat. Und als Fernziel könnte in vielen Jahren vielleicht sogar ein lebender Nachbau eines richtigen Wollhaar-Mammuts locken.

Die Grenzen des Mögliches testen

Churchs Vorhaben klingt fantastisch. Und passt zu seinem Ruf in Kollegenkreisen. „George Church gilt als einer der besten Molekularbiologen, der gern die Grenzen des Möglichen testet“, fasst der Biologe Michael Hofreiter zusammen, der an der Universität Potsdam das Erbgut steinzeitlicher Organismen untersucht. Allerdings ohne das Ziel, sie gleich von den Toten auferstehen zu lassen.

Dabei sehen die Chancen für ein solches Vorhaben zumindest in der Theorie für Wollhaar-Mammuts gar nicht so schlecht aus. Einst lebten die Tiere auf den Kältesteppen der Eiszeit. Mehr als einmal verunglückten Mammuts und ihre Körper überstanden im Dauerfrostboden Sibiriens Jahrtausende.

In der Kälte bleiben neben den Knochen auch die Weichteile und das Erbgut relativ gut erhalten. Perfekt ist der Zustand jedoch keineswegs, Eizellen von Mammuts dürften die Forscher wohl kaum jemals wieder zum Leben erwecken können. Auch das Erbgut ist längst nicht mehr intakt. Damit scheitern auch Überlegungen, es komplett in die Eizelle eines Asiatischen Elefanten zu übertragen und diese mit den Mitteln der modernen Fortpflanzungsmedizin in einer Leih-Elefanten-Mutter zu einem kleinen Mammut heranreifen zu lassen.

Die Ohren des Mammuts waren kleiner

George Church geht einen anderen und sehr mühseligen Weg. Zunächst verglich er das inzwischen gut bekannte Mammut-Erbgut mit dem eines Asiatischen Elefanten. Und fand einige Millionen Unterschiede, die sich in den sechs Millionen Jahren angehäuft haben, in denen die Mammuts eigene Wege gehen. „Etliche dieser Änderungen haben sehr wahrscheinlich keine Auswirkungen auf den Organismus der Tiere“, ist Hofreiter überzeugt. George Church hat sich daher erst einmal Veränderungen im Erbgut ausgesucht, die den Mammuts wahrscheinlich neue und wohl auch nützliche Eigenschaften gebracht haben. So waren ihre Ohren sehr viel kleiner als bei Asiatischen oder gar den Steppen-Elefanten Afrikas. Je kleiner die Lauscher ausfallen, umso weniger Wärme verliert der Körper. Kleinere Ohren sind also ein wirksames Mittel gegen das Erfrieren.

Veränderungen im Mammut-Erbgut, die hinter Anpassungen an die Kälte wie ein wärmendes Fell stecken, hat Church identifiziert. Die entsprechenden Abschnitte des Elefanten-Erbguts ersetzte der Forscher mit der Genschere „Crispr“ durch Mammut-Erbgut. Seit 2015 konnten die Molekularbiologen so 45 Abschnitte im Elefanten-Genom durch die Mammut-Sequenzen ersetzen.

Es gibt noch viele Hürden

Ein beachtlicher Erfolg, der sich aber beim genauen Hinschauen relativiert. So wird eine einzige Eigenschaft des Organismus wie zum Beispiel kleine Ohren häufig durch eine Reihe von Erbguteigenschaften beeinflusst. Oft genug kennen die Forscher nicht einmal alle dafür relevanten Abschnitte im Erbgut und stehen so vor einem gigantischen Puzzle. „Insgesamt müssten vielleicht ein paar hunderttausend Erbgutabschnitte des Asiatischen Elefanten durch Mammut-Sequenzen ersetzt werden, um sehr mammutartiges Erbgut zu erhalten“, schätzt Hofreiter. Selbst wenn Church also sein bisheriges Tempo von 45 ausgetauschten Abschnitten in zwei Jahren verzehnfacht, dürften bis dahin noch einige Jahrhunderte ins Land gehen. Kein Wunder, wenn der Forscher davon spricht, in den kommenden zwei Jahren einen Elefanten-Embryo zu erzeugen, der nur einige wenige Mammut-Eigenschaften enthält. Mehr ist einfach nicht drin.

Helden der Eiszeit. Mehrere Fellschichten schützten die zotteligen Mammuts vor dem Dauerfrost. Vermutlich war es eine Kombination aus Erwärmung und Bejagung durch den Menschen, die die Mammuts vor 4000 Jahren aussterben ließ.
Helden der Eiszeit. Mehrere Fellschichten schützten die zotteligen Mammuts vor dem Dauerfrost. Vermutlich war es eine Kombination aus Erwärmung und Bejagung durch den Menschen, die die Mammuts vor 4000 Jahren aussterben ließ.

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Auf dem Weg zu diesem Embryo muss Church neben dem Erbgut-Puzzle noch eine ganze Palette der Ergebnisse der Stammzellenforschung in den letzten Jahren aufbieten. Der Mann rüttelt also heftig an den Grenzen der Molekular- und Zellbiologie. Hat er Erfolg, steht er gleich vor der nächsten Riesenhürde namens Fortpflanzungsmedizin. Bis aus einer befruchteten Eizelle ein neugeborenes Mammut- oder Elefanten-Baby geworden ist, vergehen 22 Monate im Mutterleib. Nur gibt es schlicht keine Tiere mehr, die eine solche Mutterrolle übernehmen könnten, weil die letzten Mammuts vor 4000 Jahren starben.

Die Forscher will eine künstliche Gebärmutter nutzen

Also müsste George Church auf eine Asiatische Elefantenkuh als Leihmutter ausweichen. Diese Art entwickelt sich seit sechs Millionen Jahren in eine andere Richtung als die Mammuts. Menschen und Schimpansen sind auch nicht viel weiter voneinander entfernt. Trotzdem könnten die Chancen für eine gesunde Entwicklung eines Mammut-Embryos in einer Asiatischen Elefanten-Leihmutter gar nicht so schlecht stehen, weil die Rüsseltiere in dieser Hinsicht überraschend verträglich zu sein scheinen.

Vorher müssten die Forscher der Asiatischen Elefantenkuh noch die befruchtete Mammut-Eizelle einpflanzen. Auch das hat noch niemand geschafft. Church will ohnehin auf eine lebendige Leihmutter verzichten, weil die Asiatischen Elefanten auf der roten Liste stehen. Der Forscher möchte eine noch zu entwickelnde künstliche Gebärmutter nutzen.

Church testet einmal mehr die Grenzen des Möglichen. Sollten seine Nachfolger und deren Nachfolger Erfolg haben, könnte in ferner Zukunft also tatsächlich ein kleiner Elefant mit mehr oder minder vielen Mammut-Eigenschaften durch einen Zoo tappen. Bis zu einer stabilen Herde dürften dann noch einmal ein paar Jahrzehnte vergehen. Danach könnte man eine kleine Herde in mehreren Stufen über einige Jahre an ein Leben in Freiheit gewöhnen. „Das klappt bei anderen Arten schon heute“, berichtet Hofreiter. Es scheint also eine Chance zu geben, das Wollhaarmammut zurückzuholen. Zumindest, wenn Church einen Sponsor mit gutem Finanzpolster für die nächsten paar Jahrhunderte auftreiben sollte.

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