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Hagelflieger

© p-a/dpa

Geoengineering: Im Maschinenraum des Klimas

Künstliche Wolken, Eisenspäne in den Ozean - die Ideen erscheinen abenteuerlich. Mit großem technischen Aufwand wollen Ingenieure die Erderwärmung bremsen.

Auf einem Blatt Papier sieht es ganz einfach aus. Zwischen Sonne und Erde werden riesige Spiegel positioniert, um das weitere Aufheizen unseres Planeten zu bremsen. Oder man schüttet massenhaft Eisenspäne in den Ozean, um eine Algenblüte auszulösen. Die Einzeller binden das Kohlendioxid (CO2) aus dem Wasser, woraufhin der CO2-Gehalt der Atmosphäre ebenfalls sinkt. Ein gutes Dutzend solcher Ideen wird diskutiert, wenn es um die Rettung des Weltklimas geht. Doch sind solche Techniken, die unter dem Begriff „Geoengineering“ zusammengefasst werden, wirklich die Lösung?

Geoengineering muss ernsthaft in Betracht gezogen werden, wenn wir die Erderwärmung auf ein veträgliches Maß reduzieren wollen und zugleich allen 6,8 Milliarden Menschen, Tendenz stark steigend, einen passablen Lebensstil ermöglichen wollen. So lautete der Tenor des Wissenschaftsforums der „Zeit“, das am Mittwochabend in Berlin stattfand.

„Erstaunlicherweise wird die Debatte über Geoengineering in den USA weitaus entschlossener geführt als in Europa, wo wir eher zum vorsichtigen Abwägen neigen“, sagte der Philosoph Konrad Ott von der Universität Greifswald. Vor allem die einstigen Klimaskeptiker forderten jetzt den großtechnischen Eingriff in den Energiehaushalt der Atmosphäre.

Über die Risiken solcher Operationen ist indes wenig bekannt. Das zeigt auch die bisher umfassendste Analyse zum Thema Geoengineering, die im September von der britischen Royal Society veröffentlicht wurde. Die Autoren tun die teils abenteuerlich erscheinenden Ideen keineswegs als Hirngespinste ab. Aber sie fordern, dass die Techniken intensiv erforscht werden müssen, bevor sie auf die Erde losgelassen werden. Empfehlungen für bestimmte Verfahren seien jedoch völlig verfrüht. Wenn überhaupt, dann könnte Geoengineering höchstens ein Baustein im Klimakonzept sein. Es gebe keinen Grund dafür, den Ausstoß von Treibhausgasen nicht konsequent weiter zurückzufahren, heißt es.

Aus Sicht der Autoren sind Methoden, die den CO2-Gehalt der Atmosphäre senken, prinzipiell jenen Techniken vorzuziehen, die die Sonnenstrahlung zurückhalten. Die CO2-Reduktion behandelt nämlich die Ursache, nicht die Symptome. „So kann es eher gelingen, das globale Klimasystem in seinen ursprünglichen Zustand zurückzubringen“, schreiben sie. Doch das Klimasystem hat eine lange Reaktionszeit, sodass die Effekte solcher Eingriffe erst nach Jahren oder Jahrzehnten zu spüren sind.

Die Abschirmung des Sonnenlichts wirkt schneller. „Sie sollte nur eingesetzt werden, wenn die globalen Temperaturen deutlich steigen und es keine andere Lösung gibt“, schreibt die Royal Society. Denn die Auswirkungen sind bislang kaum abzuschätzen. Etwa beim Versprühen von Sulfatverbindungen in der Stratosphäre, die sich zwischen 15 und 50 Kilometern Höhe erstreckt. Die Chemikalien sollen die Bildung von weißen Wolken unterstützen, die wiederum ankommendes Sonnenlicht teilweise ins All zurückschicken. Auf der Erde würde es kälter.

„Aber nicht in den hohen Breiten, dort steigen die Temperaturen weiter“, sagte Martin Claussen vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Der Grund: Die Wolken halten nur direkte Sonnenstrahlung zurück. Das CO2 in der Atmosphäre hingegen reflektiert Wärmestrahlung zur Erdoberfläche, und das rund um den Globus, auch des Nachts. Das befürchtete Abschmelzen Grönlands einschließlich steigender Meerespegel würde damit nicht gebremst.

Zudem würden die künstlichen Wolken den Wasserkreislauf empfindlich stören. Darauf wies kürzlich Gabriele Hegerl vom Grant Institute in Edinburgh im Fachblatt „Science“ (Band 325, Seite 955) hin. Schwefelimpfungen der Atmosphäre kommen nämlich immer wieder vor, als Folge von Vulkanausbrüchen. Wetterbeobachtungen aus dem 20. Jahrhundert zeigen, dass Vulkaneruptionen so zu zeitweise rückläufigen Niederschlagsmengen geführt haben. Auf Deutsch: Dürre, Hunger, Massenflucht.

Was bisher schulterzuckend als Naturkatastrophe bezeichnet wurde, könnte in Zukunft auf eine Gruppe von Menschen zurückgeführt werden.

Deshalb schreibt auch die Royal Society: „Die größten Herausforderungen für Geoengineering sind nicht die technische Machbarkeit, sondern soziale, ethische und politische Aspekte.“ Sie warnt eindringlich davor, entsprechende Methoden einzusetzen, solange es keine internationalen Regeln gibt. Die sollten am besten von den Vereinten Nationen erarbeitet werden. Wie das genau funktionieren soll, ist eine spannende Frage. Soll es Mehrheitsbeschlüsse geben, oder dürfen einzelne Staaten ihr Veto einlegen und die versuchte Klimarettung blockieren?

Ebenfalls offen ist die Finanzierung der technischen Großoffensive. Seriöse Kostenschätzungen sind bisher nicht möglich, teuer dürfte es in jedem Fall werden. Lohnen würde sich der Aufwand nur, wenn er ein besseres Preis-Leistungsverhältnis hat als die bekannten Ansätze zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes wie Effizienzsteigerung, Stärkung der erneuerbaren Energien, vielleicht auch die ebenfalls umstrittene Option von Kohlendioxid-Endlagern im Untergrund.

Nicht zuletzt muss auch geklärt werden, wer die Notbremse zieht, wenn ein bestimmtes Verfahren in der Realität anders funktioniert als auf dem Papier. „Dann haben wir eine echte Klimakatastrophe“, warnte der Hamburger Meteorologe Claussen.

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