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Wechselvolle Geschichte. Dieser Teil des Canyons wurde den Forschern zufolge vor 15 bis 25 Millionen Jahren etwa bis zur Höhe des Wanderers abgetragen. Später räumte der Colorado River den Rest aus.

© Laura Crossey, UNM

Geologie: Der Grand Canyon ist ein Greenhorn

Seit Jahrzehnten wird über sein Alter gestritten. Neue Untersuchungen legen nahe: Einige Teile der Schlucht stammen aus der Dinozeit, in seiner heutigen Form gibt es den Canyon aber erst seit Kurzem.

Der Grand Canyon gehört zu den beeindruckendsten Naturschätzen der Welt. Bis zu anderthalb Kilometer tief hat sich der Colorado River in die Tiefe geschnitten. Unweigerlich stellt sich die Frage, wie und vor allem wann die Schluchten entstanden sind. Lässt man die Kreationisten außer Acht, die am Fuß der Felsflanken vermeintliche Belege für ihre Vorstellung präsentieren, wonach die gesamte Erde nur 6000 Jahre alt ist, bleiben noch zwei Hypothesen: die des „alten“ und des „jungen“ Canyons. Die Anhänger der ersten sagen, dass der Grand Canyon bereits vor 70 Millionen Jahren angelegt wurde, also zur Zeit der Dinosaurier. Die Gegenseite behauptet, er sei gerade fünf bis sechs Millionen Jahre alt.

Eine dritte Hypothese haben Karl Karlstrom von der Universität von New Mexico in Albuquerque und Kollegen vorgestellt. Demnach gibt es Abschnitte, die tatsächlich aus der Zeit der Dinosaurier stammen, aber auch jüngere Teile. Miteinander verbunden wurden sie aber erst vor fünf Millionen Jahren, als der Colorado begann, große Mengen Gestein fortzuwaschen. Das berichten die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“.

Sie berufen sich auf Analysen, mit denen sie die Veränderungen der Landschaft datiert haben. Dazu gibt es verschiedene Verfahren. Eines basiert auf dem radioaktiven Zerfall von Uranatomen in Mineralen namens Apatit. Zerspringt der Atomkern in zwei Hälften, fliegen diese in entgegengesetzter Richtung davon und schlagen eine Schneise in das Kristallgitter. Durch Ätzverfahren können diese Spaltspuren vergrößert und so unter dem Mikroskop sichtbar gemacht werden. Der Clou an dieser Methode: Im Lauf der Zeit repariert der Kristall den Schaden in seinem Gitter; je höher die Temperatur ist, umso schneller. Viele lange Spaltspuren verweisen darauf, dass das Gestein bereits seit langem nahe an der kalten Erdoberfläche liegt. Kürzere Spuren hingegen zeigen ein „Verheilen“ an, wie es für wärmere Erdschichten in größerer Tiefe typisch ist. Anhand der Längen verschiedener Spaltspuren können die Forscher zudem simulieren, wie schnell das Gestein an die Oberfläche gelangte.

Der Colorado River verband die Täler

Dieses Prinzip haben die Wissenschaftler auf verschiedene Proben angewandt, die sie und weitere Forscherteams am Rand und am Boden des Grand Canyons entnommen hatten. Tatsächlich fanden sie in einzelnen Segmenten der Schlucht Belege dafür, dass der Fels bereits vor 50 bis 70 Millionen Jahren nahe der Oberfläche war, es also bereits zu dieser Zeit tiefe Täler gegeben haben muss. Doch das trifft nicht auf alle Teile des Canyons zu. Der westlichste Abschnitt sowie einer weiter im Osten sind den aktuellen Untersuchungen zufolge erst vor sechs Millionen Jahren entstanden.

Das Team um Karlstrom schlägt nun folgendes Szenario vor: Bereits zu Zeiten der Dinosaurier hat ein urzeitlicher Fluss einen ersten Teil des heutigen Grand Canyon eingeschnitten. Vor rund 15 bis 25 Millionen Jahren wurde östlich davon ein weiteres Tal geschaffen. Vor sechs Millionen Jahren entstanden schließlich zwei weitere junge Täler. Sie alle wurden dann durch den Colorado River miteinander verbunden, der Grand Canyon in seiner heutigen Form entstand. Immer tiefer schnitt sich der Fluss in den Untergrund. Dabei hobelte er nach Ansicht der Forscher in den vergangenen vier Millionen Jahren zwischen 400 und 800 Meter Gestein ab.

Das Szenario klingt plausibel, allerdings enthält es auch einige Unsicherheiten. Die Spaltspuren können zwar wichtige Hinweise zum ungefähren Alter geben. Ein minutiöses Protokoll darüber, wie schnell die Gesteine aus der Tiefe an die Oberfläche gelangten und ob es zwischendurch womöglich Ruhephasen gab, liefern sie kaum. Der jahrzehntelange Streit um den Grand Canyon wird also noch etwas weitergehen.

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