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Georgien: Goldrausch im Kaukasus

Deutsche Forscher suchen in Georgien nach dem Goldenen Vlies – und finden ein 5000 Jahre altes Bergwerk.

Es war eine Sensation: Im Jahr 2004 entdeckte ein deutsch-georgisches Forscherteam bei Grabungen im Vorkaukasus ein 5000 Jahre altes Goldbergwerk. „Wir wussten, dass die Kupferverarbeitung in dieser Gegend bis ins fünfte Jahrtausend vor der Zeitenwende zurückreicht“, sagt Thomas Stöllner, Forscher am Bergbaumuseum in Bochum und zugleich Professor für Ur- und Frühgeschichte an der Ruhr-Universität. „Aber dass wir eine so alte Goldmine finden würden, das hat uns alle überrascht.“

Vor wenigen Tagen sind die Wissenschaftler zu einer neuen Grabungskampagne aufgebrochen, um die unterirdischen Stollen und die oberirdischen Anlagen miteinander zu verbinden. „Das ist ein wichtiger Schritt, um das Bergwerk als Ganzes zu präsentieren“, sagt Stöllner. Außerdem will er mit seinem Team ein Bergarbeiterdorf in der Nähe der Grube ans Licht holen. Die Siedlung ist ungefähr einen Kilometer von der Mine entfernt und rund 60 Hektar groß.

Im vergangenen Jahr hatten die Forscher im georgischen Sand ein Haus entdeckt, in dem sich große Mahlsteine befanden – offenbar Werkzeuge, mit denen die einstigen Bewohner des Kaukasus Gold aus dem Gestein herauslösten. Und in den Ruinen stießen sie auf große Mengen goldhaltigen Sand, die den Zweck der Siedlung eindeutig offenbarten. „Allerdings fanden wir in älteren Gräbern keine Beigaben aus Gold“, berichtet der Archäologe. „3000 vor Christus war das Edelmetall offenbar nur für herausragende Anlässe oder in anderen Regionen als Schmuck von Bedeutung.“ Schon seit 2003 sind die Wissenschaftler auf den Spuren des Sagen umwobenen Goldenen Vlieses unterwegs. In der griechischen Mythologie wird damit das Fell des goldenen Widders Chrysomeles bezeichnet, der fliegen und sprechen konnte. Als die Bewohner der Region Kolchis am unteren Rioni-Fluss im heutigen Georgien den Widder bei einem Tempelritual opferten, zogen sie ihm das goldene Fell ab. Das Vlies wurde später von den Argonauten geraubt. Ganz in der Nähe, in Sakdrissi, rund 50 Kilometer südwestlich der georgischen Hauptstadt Tiflis, fanden die Forscher um Stöllner das Goldbergwerk aus der Bronzezeit. Sie untersuchten organisches Material aus den Stollen auf bestimmte Isotope, deren Zerfallsgeschwindigkeit bekannt ist. Anhand des Mengenverhältnisses dieser Atomsorten datierten sie die Erzgrube auf 5000 Jahre. Somit dürfte sie das älteste Goldbergwerk im festen Gestein in der Alten Welt sein.

„Die alten Erzgänge sind leer“, sagt Stöllner. Er habe jedoch Spuren gefunden, die vermuten lassen, dass erst kürzlich Menschen dort waren, um das Edelmetall zu suchen. Gold ist derzeit auf dem Weltmarkt so teuer wie nie zuvor, es wird mit gut 900 US-Dollar je Feinunze gehandelt. „In Sakdrissi muss man aber sehr genau wissen, wo man suchen muss“, sagt Stöllner und schmunzelt. „Laien werden dort nichts finden.“

Den Bochumer Forscher zieht es aber nicht des Goldes wegen in den Kaukasus. Sein Interesse gilt der Archäometallurgie, die sich mit der Erforschung uralter Bergbaugebiete und Verarbeitungstechniken beschäftigt. Um etwa die Herkunft von Metallen zu bestimmen, untersucht Stöllner Schmuckstücke oder Waffen mit modernen Methoden der Ingenieurwissenschaften und der Werkstoffforschung.

Manchmal dauert es lange, bis sich der Erfolg einstellt. Der Weg nach Georgien führte die Wissenschaftler zunächst über den Nahen Osten. „Wir hatten jahrelang in Israel und in Jordanien nach Kupfervorkommen gesucht, die schon im vierten Jahrtausend vor Christus ausgebeutet wurden“, sagt Andreas Hauptmann vom Bergbaumuseum Bochum. „Für unsere Forschungen haben wir unter anderem den Jüdischen Nationalschatz analysiert – rund 400 wunderbare Metallobjekte.“ Dabei stießen sie auf Legierungen aus Kupfer, Antimon und Arsen, bei denen nicht klar war, woher die Metalle kamen. Aus den nächst gelegenen Bergwerken jedenfalls nicht. Die Überlegungen der Experten richteten sich bald auf den Kaukasus. Mitte der neunziger Jahre machte sich Hauptmann auf nach Tiflis.

Es begann ein Wettrennen gegen die Zeit. Denn infolge der rasanten Veränderungen nach dem Zerfall der Sowjetunion gelangten auch in Georgien weite Landstriche unter die Kontrolle großer Bergbaukonzerne, die verschiedene Erze in großflächigen Tagebauen abbauen. Spuren früheren Lebens drohten unwiederbringlich zerstört zu werden. Auch das alte Goldbergwerk in Sakdrissi befand sich auf dem Gelände einer Minengesellschaft und war von den Baggern bedroht. „Es ist uns gelungen, das Bergwerk unter Denkmalschutz zu stellen“, sagt Irina Gambaschidse vom Otar-Lordkipanidse-Institut, die die Grabungen von georgischer Seite aus leitet. Bei der Bergarbeitersiedlung aus dem vierten Jahrtausend vor Christus kämpfen die Wissenschaftler noch um diesen Status. „Es würde uns schon helfen, wenn wenigstens ein Teil der Anlage geschützt würde“, sagt sie.

Ergänzt werden die Arbeiten in Sakdrissi durch Studien zu frühbronzezeitlichen Siedlungen in der Region. Zudem untersuchen Mitarbeiter des georgischen Nationalmuseums die Land- und Viehwirtschaft des dritten Jahrtausends vor Christus in der Region, um ein umfassendes Bild der Lebensweise der Kaukasier in jener Zeit zu erhalten. Parallel dazu sammeln deutsche und georgische Wissenschaftler Erzproben und goldene Artefakte unmittelbar aus den Goldvorkommen sowie aus den Beständen der georgischen Museen. Auch deren Herkunft wird in Deutschland analysiert.

Dabei stehen die Wissenschaftler vor einigen Herausforderungen. Denn anders als bei Kupfer lässt sich die Herkunft des Goldes nur schwer ermitteln. Kupferkelche und kupferne Schüsseln bestehen meist aus metallischen Legierungen, dessen Kupferanteil aus einer einzigen Lagerstätte stammt. Je nachdem, wo sich diese befindet, weist die Kupferlegierung ganz bestimmte geochemische Eigenschaften auf. Dadurch lassen sich Rückschlüsse auf den Ursprungsort ziehen.

Bei Gold ist es komplizierter. Auch wenn das Edelmetall in Sakdrissi aus festem Gestein gelöst wurde, die größten Mengen wurden seinerzeit aus Flüssen gewaschen, die sich wiederum aus etlichen Zuläufen, wie Nebenflüssen, Bächen und Rinnsalen speisten. Auf diese Weise wurden die Edelmetalle aus teilweise entfernten Lagerstätten miteinander vermischt. „Dadurch verwischt der geochemische Fingerabdruck, und das erschwert die regionale Zuordnung des Goldes“, sagt Andreas Hauptmann.

Erst seit wenigen Jahren ist es möglich, die chemische Zusammensetzung von Gold genau zu erfassen und damit eine Herkunftsanalyse zu wagen. Dazu wollen Mineralogen von der Universität Frankfurt am Main noch weitere Elemente analysieren, die in winzigen Mengen an dem Gold haften. Mit den Ergebnissen, so hoffen Stöllner und seine Kollegen, können sie die dunklen Pfade des kaukasischen Goldes weiter erhellen.

Heiko Schwarzburger

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