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Alpen

© picture alliance / dpa

Geowissenschaften: Warum die Alpen wachsen

Jedes Jahr steigt das Gebirge um wenige Millimeter empor. Grund dafür ist die Eiskappe, die vor 18.000 Jahren abschmolz.

Pro Jahr heben sich die Alpen mit ihren Gipfeln und Tälern ein bis zwei Millimeter. Zwar wachsen die Berge nicht in den Himmel, weil gleichzeitig die Erosion an ihnen nagt und den Zuwachs bremst – trotzdem würden Geowissenschaftler gern wissen, welche Kräfte das Gebirge nach oben drücken. Schließlich kommen dafür verschiedene Prozesse infrage.

Die mit Abstand wichtigste Rolle spielt die jüngste Eiszeit, berichten Wissenschaftler um Jürgen Mey von der Universität Potsdam sowie Dirk Scherler vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam und der FU Berlin in „Nature Communications“. Vor 18 000 Jahren schmolz die Eiskappe über den Alpen, deren Gewicht vorher das Gebirge in den Untergrund gedrückt hatte. Seither federt der Untergrund zurück und hebt die Berge an.

Luleå im Norden Schwedens "wanderte" ins Landesinnere

Diesen Vorgang kennen Forscher aus Skandinavien, wo die Eismassen der letzten Kaltzeit die Erdoberfläche gewaltig „eingedellt“ hatten. Dort hebt sich der Boden sogar um einen oder zwei Zentimeter im Jahr in die Höhe, was einige Probleme mit sich bringt. So lag die Stadt Luleå im Norden Schwedens im 14. Jahrhundert an der Küste der Ostsee. Durch die Landhebung wich das Meer zurück, 1649 musste die Stadt elf Kilometer entfernt an der neuen Küste neu gebaut werden. Der alte Ort ist heute Weltkulturerbe der Unesco und liegt etliche Kilometer landeinwärts.

Allerdings waren die Eismassen über Skandinavien viel mächtiger als über den Alpen. Daher sollte dort das Zurückfedern heute weitgehend abgeschlossen sein, vermuteten die meisten Geoforscher. „Wir wollten daher der Sache auf den Grund gehen“, berichtet Scherler.

62.000 Milliarden Tonnen Eis drückten die Alpen nach unten

Die Kollision der Erdplatten spielt demnach nur im Osten des Gebirges eine kleine Rolle bei der aktuellen Hebung. Weiter im Westen sehen die Wissenschaftler dagegen kaum eine Reaktion. Ein weiterer Mechanismus ist die Erosion, die Gesteinsmaterial aus den höheren Lagen abträgt und über die Flüsse abtransportiert. Dadurch könnte das Gebirge an Gewicht verlieren, und der entlastete Untergrund zurückfedern. Allerdings verlässt nur ein sehr geringer Teil des abgetragenen Materials den Alpenraum, während der größte Teil sich in den Seen am Rand des Gebirges ablagert. Die Entlastung sollte also minimal und der Beitrag zur Hebung gering sein.

Bleibt die Eiskappe, die bis vor 18 000 Jahren die Alpen überdeckte und die ihre Gletscher bis ins Voralpenland zum Beispiel im Gebiet des heutigen München schickte – von der aber niemand weiß, wie dick sie war. Bis die Wissenschaftler diese Größe jetzt in ihren Computermodellen bestimmten und so ein Bild der Alpen in der Eiszeit erhielten. „Etwa 62 000 Milliarden Tonnen wog diese Eiskappe“, sagt Scherler. Entsprechend stark drückte die gewaltige Masse die Alpen in den Untergrund.

Seitdem das Eis fehlt, federt die Erdkruste zurück. Und das je nach einstiger Eisdicke verschieden schnell: Die stärkste Hebung liefert das Computermodell genau dort im Herzen der Alpen, wo die Eiskappe einst am dicksten war. Insgesamt ist das vor 18 000 Jahren verschwundene Eis heute noch für 90 Prozent des Aufwärtstrends verantwortlich.

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