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© - Foto: dpa

Gesundheit: Erste Hilfe für starke Schnarcher

Wenn die Umstellung der Lebensgewohnheiten keine Nachtruhe bringt, kann eine Zahnspange helfen

Verändert sich der Radius eines Rohrs, so verändert sich auch der Strömungswiderstand. In der Physik ist dieser Tatbestand als Hagen-Poiseuille-Gesetz bekannt. Im Alltag macht das ebenso einleuchtende wie unerbittlich gültige Gesetz sich möglicherweise am ehesten nachts bemerkbar: Dann führt die Erschlaffung der Muskeln im Rachenraum und das Zurückfallen der Zungen von schätzungsweise 30 Millionen Schläfern dazu, dass ihr oberer Atemtrakt eingeengt, die Geschwindigkeit des Luftstroms erhöht und Zäpfchen, Gaumensegel und Schleimhautfalten in Schwingung versetzt werden. Ein Vorgang, der mit dem Alter und der Leibesfülle zunimmt. Mit hörbaren Folgen: Sechs von zehn Männern und vier von zehn Frauen über 60 Jahren schnarchen.

Als Missstand wird das zunächst empfunden, weil es den Nachtschlaf der Zimmergenossen beeinträchtigt. Seit längerem ist jedoch klar, dass auch die Gesundheit der Schläfer selbst bei starkem Schnarchen leiden kann. Die Gefahr besteht vor allem, wenn die Atmung immer wieder für Sekunden ganz aussetzt, weil die oberen Luftwege kurz vollständig kollabieren. Mediziner nennen diese Atemaussetzer Schlafapnoe. Meist werden die Schlafenden von den Aussetzern kurz wach und schnappen hörbar nach Luft, so dass der Schlaf wenig erholsam ist und sie tagsüber schnell müde werden. Außerdem kann die Alarmreaktion das unwillkürliche Nervensystem so aktivieren, dass der Blutdruck steigt und Herzrhythmusstörungen auftreten.

Was tun? Manchmal hilft eine Umstellung der Lebensgewohnheiten gegen die nächtlichen Atemstillstände: Übergewicht abbauen, kurz vor dem Zubettgehen keinen Alkohol trinken, in Rücken- oder Seitenlage schlafen. Das sind Empfehlungen, die Schlafmediziner auch aussprechen, wenn „einfaches“ Schnarchen ohne Apnoe die Betroffenen und ihre Bettgenossen ärgert. Abnehmen ist empfehlenswert, weil man auch im Hals Fett ansetzen kann, das die Luftwege einengt. Den Ratschlag, möglichst nur auf dem Bauch zu schlafen, weil dann die Zunge nicht in den Rachen fällt, können vor allem viele Ältere dagegen gar nicht befolgen, weil ihnen dann der Rücken wehtut. Liegt der Engpass im Bereich der Nase, dann kann eine Behandlung beim HNO-Arzt helfen. Gegen die auf Dauer nicht nur lästigen, sondern auch gefährlichen Atemaussetzer helfen recht zuverlässig sogenannte CPAP-Geräte (für: Continuous Positive Airway Pressure): Der Schläfer trägt eine Nasenmaske, die an einen Kompressor angeschlossen ist. Der erzeugt Überdruck, so dass die Luft, die in die Atemwege gelangt, diese gleichzeitig vor dem zeitweiligen Zusammenfallen schützt.

Weniger bekannt ist, dass auch Zahnärzte Schnarchern helfen können. Maßgefertigte Schienen für Ober- und Unterkiefer können dafür sorgen, dass der Unterkiefer nach vorn verlagert wird und die Zunge nicht nach hinten fällt. Der Trick ist dem aus der Ersten Hilfe bekannten Esmarch’schen Handgriff abgeschaut, bei dem der Unterkiefer nach vorne gestreckt wird, so dass die Atemwege sich öffnen. Erweitern sich Schlund und Atemwege, dann stimmen die nächtlichen Strömungsverhältnisse wieder.

Susanne Schwarting, Erste Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Schlafmedizin (DGZS), hat in den letzten 13 Jahren an die 2500 Menschen mit einer Protrusionsschiene versorgt. Die Kieler Zahnärztin betont, wie wichtig es ist, dass Zahnärzte, die die Schienen anpassen, sich schlafmedizinisch fortbilden. „Es ist ein sehr dankbares Gebiet, den Patienten wieder zu einem gesunden Schlaf zu verhelfen“, sagt Schwarting und berichtet von einem ihrer Patienten, einem 17-jährigen Schüler, der Horror davor hatte, jede Nacht eine Maske zu tragen. „Ein Gerät, das aussieht wie eine Zahnspange, ist diskret, es fällt selbst der Freundin kaum auf.“

In einem Positionspapier hat die DGZS allerdings auch festgehalten, für wen die Schiene eher nicht in Frage kommt. „Für ihre sichere Verankerung müssen mindestens acht eigene Zähne in jedem Kiefer vorhanden sein, der Betroffene darf nicht unter schwerer Parodontose leiden, sein Unterkiefer muss sich ausreichend vorschieben lassen und er muss ganz gewissenhaft Zahnpflege betreiben“, sagt der Schöneberger Zahnarzt Frank Bias, der von der DGZS für diese Behandlungsmethode zertifiziert ist. Unter diesen Voraussetzungen kann eine solche Schiene „harmlosen“ Schnarchern, die „nur“ die nächtliche Ruhestörung einstellen möchten, aber auch Patienten mit einer Schlafapnoe helfen. Bias sieht die Schienen nicht als Konkurrenz für die Nasenmasken. Einige seiner Patienten kombinieren Maske und Schiene – und kommen beim CPAP-Gerät auf diese Weise mit einem niedrigeren Druck aus. Oder sie nehmen die Schiene mit auf Reisen, um sich die Mitnahme einer größeren Apparatur zu ersparen – ohne dadurch das Urlaubsvergnügen ihrer Zimmergenossen zu schmälern. Adelheid Müller-Lissner

Mehr Informationen unter: www.nicht-mehr-schnarchen.de

Adressen zertifizierter Behandler

unter: www.dgzs.de

Adelheid Müller-Lissner

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