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Rauchen

© dpa

Gesundheit: "Nichts ist so gefährlich wie das Rauchen"

Der Weltgesundheitsgipfel diskutiert die Zukunft der Medizin und stößt auf alte Bekannte.

Wie wird die Medizin der Zukunft aussehen? Das war eine der Fragen, die beim Weltgesundheitsgipfel in Berlin von Donnerstag bis zum gestrigen Sonntag diskutiert wurden. Eine Antwort darauf: präzise und personalisiert. „Jeder Patient soll die für ihn wirksamste Therapie erhalten – mit möglichst wenig Nebenwirkungen“, sagte Cornelia Quennet-Thielen, Staatssekretärin im Forschungsministerium, am Samstamorgen zum Auftakt und umriss damit die Hoffnungen, die das Schlagwort „personalisierte Medizin“ weckt.

Schon heute werden viele Tumoren gezielt auf bestimmte genetische Merkmale untersucht, um die Therapie entsprechend anzupassen. Auch die Verträglichkeit einzelner Medikamente für bestimmte Patienten kann in einigen Fällen bereits genetisch abgeklärt werden. Die Hoffnung: Bald könnte es eine maßgeschneiderte Therapie für den Einzelnen geben.

Elias Zerhouni, ehemaliger Direktor der US National Institutes of Health, betonte, dass es dabei auch um Prävention gehe. Noch warte man darauf, dass Patienten zum Arzt kämen, aber eigentlich sei es dann bei vielen Krankheiten schon zu spät. „Wir haben kein Gesundheitssystem, sondern ein Krankheitssystem“, sagte er und forderte, genau zu untersuchen, wie genetische Varianten das Risiko bestimmter Erkrankungen erhöhen. So werde es möglich, bei einer Krankheit früher einzugreifen. Personalisierte Medizin sei keine Option, sondern eine Notwendigkeit, sagte er.

Dem widersprach Sir Richard Peto, Medizinstatistiker aus Oxford. Er glaube, bei der personalisierten Medizin werde es vor allem um Details gehen. So werde man etwa besser verstehen, wie manche Menschen bestimmte Medikamente verstoffwechseln und warum das bei ihnen zu mehr Nebenwirkungen führe. Zu untersuchen, warum manche Raucher an Lungenkrebs sterben und andere nicht, sei dagegen unsinnig, weil es auch mit Zufall zu tun habe. „Das ist, als würden Sie Soldaten in ein Kriegsgebiet schicken und dann diejenigen untersuchen, die nicht von einer Kugel getroffen wurden.“

Es müsse aber darum gehen, bei den häufigsten Problemen anzusetzen und das seien HIV, Tabak, Alkohol und Fettleibigkeit. Dies seien die einzigen wichtigen Faktoren für einen frühen Tod, die seit 1990 in vielen Ländern zugenommen hätten.

„Nichts ist so gefährlich wie das Rauchen“, sagte Peto. Jeder fünfte Europäer, der vor seinem 70. Geburtstag sterbe, sterbe durch das Rauchen. Im 21. Jahrhundert könnte das weltweit zu einer Milliarde Toten führen, prognostizierte er. „Eine kleine Veränderung bei diesen riesigen Zahlen ist wichtiger als viele große Veränderungen bei irgendwelchen kleinen Zahlen.“ Auch Luc Montagnier, im vergangenen Jahr für seine Entdeckung des Aids-Virus mit dem Medizinnobelpreis geehrt, hob die Bedeutung des Rauchens hervor: Alle sechseinhalb Sekunden sterbe ein Mensch an den Folgen des Rauchens.

„Die Regierungen sollten Zigaretten und Alkohol noch stärker besteuern und Werbung dafür grundsätzlich verbieten“, forderte Peto. Auch der Kampf gegen HIV müsse energischer geführt werden. Jedes Jahr sterben weltweit sieben Millionen Menschen im Alter zwischen 5 und 34 Jahren. Zwei Millionen von ihnen sind Opfer der Aids-Epidemie. „Wir müssen wirksame Medikamente möglichst schnell weltweit verfügbar machen und nicht erst auf unrealistische soziale Verbesserungen warten“, forderte Peto.

Einig waren sich die Wissenschaftler, dass der Regulierungsaufwand in der Forschung zurückgedrängt werden müsse. Peto bezeichnete die vergangenen 20 Jahre als eine Katastrophe für die Forschung: „Die EU-Richtlinie für klinische Studien hat erheblichen Schaden verursacht. Die Vorhaben junger Forscher werden von den Regulierungsanforderungen kaputt gemacht.“

Auch der Präsident des Gipfels, Detlev Ganten, beklagte, es seien viel zu viele Anträge nötig, das Prozedere sei äußerst mühsam und dauere viel zu lang. Das gelte nicht nur für klinische Studien, bei denen ein Medikament an Menschen getestet wird, sondern auch für Tierversuche. „Mit weniger Regulierung könnten wir viel mehr erreichen.“ Das sei sicher ein wichtiges Ergebnis des Gipfels. „Wir werden mit dieser Forderung an die Europäische Kommission herantreten“, sagte Ganten.

Viele Teilnehmer waren sich außerdem einig, dass Bildung einen entscheidenden Beitrag zur Weltgesundheit leisten kann. „Bildung ist die beste Impfung gegen Krankheiten“, sagte Zerhouni und Ganten wies daraufhin, dass selbst Medizinstudenten viel zu wenig über Ernährung und Vermeidung von Krankheiten lernten.

„Wir müssen in den Kindergärten, in den Schulen, in den Universitäten über Medizin sprechen“, sagte Ganten. Nur so könne ein breites Verständnis für Gesundheit erreicht werden. Ein gewisses gesundes Verhalten müsse in der Gesellschaft selbstverständlich sein – genau wie Zähneputzen und Händewaschen.

 Kai Kupferschmidt

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