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Schatten der Kindheit. Schlimme Erfahrunden in der Kindheit können die Beziehung zum eigenen Kind belasten.

© dapd

Gewalt in der Familie: Misshandlung setzt sich in der nächsten Generation oft fort

Charité-Forscher untersuchen, warum Eltern, die als Kinder vernachlässigt wurden, ihre eigenen Kinder häufiger vernachlässigen.

Wie echtes Pech haftet auch das übertragene oft an den Menschen: Wer in der frühen Kindheit selbst schlimme Erfahrungen gemacht hat, gibt sie häufig an die eigenen Kinder weiter – obwohl sie oder er als Mutter oder Vater dann alles anders machen will. Ein gemeinsames Forschungsvorhaben der Charité mit den Unikliniken in Heidelberg und Aachen und mit der Uni Magdeburg zu Verhaltensstörungen im Zusammenhang mit Gewalt, Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch in Kindheit und Jugend hat sich nun zum Ziel gesetzt, diesen Teufelskreis der Traumatisierung zu verstehen und zu durchbrechen. Das Projekt „Von Generation zu Generation“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in den nächsten drei Jahren mit 2,1 Millionen Euro gefördert wird, wurde Ende der vergangenen Woche an der Charité vorgestellt.

„Wir möchten ein Verhalten, das zunächst wenig verständlich ist, verständlich machen“, sagte Romuald Brunner, Kinder- und Jugendpsychiater an der Uniklinik in Heidelberg und Sprecher des Projekts. Schon heute ist klar, dass durch frühe Erfahrungen von Gewalt das biologische Regulationssystem nachhaltig gestört werden kann. An der Uni Magdeburg untersuchen die Biologin Anna Katharina Braun und ihr Kollege Jörg Bock die Folgen mütterlicher Vernachlässigung für die Entwicklung des Gehirns von Ratten und Mäusen. „Wir gehen davon aus, dass es generationenübergreifende Auswirkungen auf das An- und Ausknipsen von bestimmten Genen gibt“, sagt Braun. Die Tierversuche bieten den Vorteil, dass die Veränderungen direkt im Gehirn untersucht werden können.

Dass traumatische Erfahrungen in der eigenen Kindheit es menschlichen Müttern später schwerer machen, mit ihren Kindern einfühlsam und gelassen umzugehen, ist aus Studien bekannt. Die Arbeitsgruppe von Sabine Herpertz, Direktorin der Klinik für Psychiatrie der Uni Heidelberg, will innerhalb ihres Teilprojekts nun untersuchen, wie sich das Zusammenleben von solchen Müttern und ihren Kindern gestaltet, wenn der Nachwuchs das Grundschulalter erreicht hat. Die Heidelberger Forscher wollen es nicht beim Blick auf Verhalten, Gehirn, Gene und Hormone der Mutter-Kind-Paare belassen, sondern auch zwei Therapieangebote vergleichen: Nach dem Zufallsprinzip wird der Hälfte der Mütter, deren Umgang mit ihren Kindern sich als problematisch erweist, entweder ein Programm zur Bewältigung von Stress angeboten oder ein Behandlungsprogramm mit „Knopf im Ohr“. Bei dieser Eltern-Kind-Interaktions-Therapie beobachtet der Therapeut über eine Videokamera von einem anderen Raum aus eine Spielsituation und kann den Müttern direkt mit Rückmeldungen oder Vorschlägen helfen.

An der Charité werden Kinder- und Erwachsenenpsychiater sich in einem gemeinsamen Projekt Mutter-Kind-Paaren widmen, deren Zusammenleben durch eine Depression der Mutter geprägt ist – ob nun nach traumatischen Erlebnissen oder ohne einen solchen Zusammenhang. Noch werden Familien gesucht, die an der Studie teilnehmen möchten, wie Psychiater Felix Bermpohl berichtete. Auch unabhängig von der Studie gibt es für Mütter mit Depressionen und ihre Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren eine interdisziplinäre Spezialsprechstunde.

Die Aachener Gruppe um Beate Herpertz-Dahlmann von der Klinik für Psychiatrie des Kinder- und Jugendalters konzentriert sich auf 120 hochbelastete „Teenagermütter“ und auf Möglichkeiten, deren Feinfühligkeit beim Umgang mit ihren Babys zu erhöhen, unter anderem durch das Besprechen von Videoaufnahmen. „Wir wollen ihnen dabei helfen, die Signale ihres Babys zu verstehen, also ihre ‚Sprache’ zu erlernen.“

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